§ 130a Abs. 6 ZPO: Wann ist ein Dokument nicht zur Bearbeitung geeignet?

Gem. § 130a Abs. 2 ZPO muss das elektronische Dokument für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein. Hieran knüpfen die besonderen Wiedereinsetzungsregeln des § 130a Abs. 6 ZPO an. Doch wann handelt es sich eigentlich um ein „nicht zur Bearbeitung geeignetes“ Dokument?

Sicher nicht „zur Bearbeitung geeignet“ sind Dokumente, die sich bspw. aufgrund eines korrupten Dateiformats oder infolge einer Virenverseuchung durch das Gericht nicht öffnen lassen. Diese Dokumente können dem juristischen Bearbeiter des Verfahrens nicht vorgelegt und daher auch nicht unter rechtlichen Gesichtspunkten geprüft und bewertet werden. Insbesondere fallen derartige Probleme des übermittelten Dokuments bereits in der Posteingangsstelle der Gerichts auf, ohne dass hierfür ein besonderer technischer oder vor allem auch rechtlicher Sachverstand erforderlich wäre.

Etwas anderes gilt für Dokumente, die schlicht in einer Form übermittelt werden, die nicht der ERVV entspricht, bspw. als .doc-Dokument, mit einer Container-Signatur, gänzlich ohne qualifizierte elektronische Signatur, aber nicht auf einem sicheren Übermittlungsweg oder – ab 1. Juli 2019 – in nicht texterkannter Form. In diesen Fällen ist die Rechtsfolge der nicht ERVV-konformen Übermittlung durch den juristischen Bearbeiter des Falls festzustellen und in seiner Entscheidung zu berücksichtigen. Insbesondere kommt in Betracht, dass hierdurch die Schriftform einer Einreichung nicht gewahrt sein könnte und daher die Klage, der Antrag oder ein Rechtsmittel unzulässig sein könnten. Zudem wird man für Anlagen von Schriftsätzen – obschon in Abs. 1 ausdrücklich genannt- eine entsprechende Rechtsfolge kaum konstruieren können.

Die Überlegung, dass die Rechtsfolgenbeurteilung eine – eventuell nicht einmal triviale – juristische Entscheidung sein dürfte, spricht dagegen, dass die bloße Nichtbeachtung der ERVV-Formalien bereits das Verfahren des § 130a Abs. 2 Satz 1, Abs. 6 ZPO auslösen. Denn dies würde zur Folge haben, dass die Rechtsfolgenwürdigung „unverzüglich“ zu erfolgen hätte und eine möglicherweise erst später entdeckte Unzulässigkeit auf den entsprechende Hinweis des Gerichts nahezu zu jedem denkbaren Verfahrenszeitpunkt – evtl. nach Jahren – noch gem. Abs. 6 heilbar wäre.

Richtigerweise wird man daher wohl zu differenzieren haben: § 130a Abs. 2 Satz 1, Abs. 6 ZPO meint lediglich die offensichtliche und vollständige Nichtbearbeitbarkeit des Dokuments durch das Gerichts, insbesondere also den Virenbefall, eine defekte Datei oder ein exotisches Dateiformat, für welches (auch) nach den Grundsätzen des fairen Verfahrens kein Viewer bereitgehalten werden muss. In diesen Fällen hat das Gericht unverzüglich einen Hinweis auf die Nichtbearbeitbarkeit unter Verweis auf die geltenden Rahmenbedingungen zu geben. Abseits dieser offensichtlichen Fällen, gelten dagegen nur die allgemeinen Hinweis- und Hinwirkungspflichten des Gerichts. Das besondere Verfahren des Abs. 6 ist in diesen Fällen nicht anwendbar.

Autor: Prof. Dr. Henning Müller

Direktor des Sozialgerichts

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