Ausschluss der Containersignatur verfassungswidrig? Darauf sollten Sie sich nicht verlassen!

Zugegeben, dass die Gerichte nun – in Abkehr von der bisherigen obergerichtlichen Rechtsprechung – bei der elektronischen Übermittlung (aus anderen als den sicheren Übermittlungswegen) nicht mehr nur zu prüfen haben, ob eine qualifizierte elektronische Signatur vorhanden und gültig ist, sondern auch, ob nicht eine gem. § 4 Abs. 2 ERVV ausgeschlossene Containersignatur vorliegt, mag für den einen oder anderen Richter lästig sein. Andererseits, lässt sich die Prüfung schematisch, anhand von Checklisten durchaus handhaben. Zudem verfolgte der Verordnungsgeber der ERVV mit dem Ausschluss der Container-Signatur einen durchaus legitimen Zweck. Doch genau diesen legitimen Zweck des § 4 Abs. 2 ERVV zieht das Brandenburgische Oberlandesgericht in einer Entscheidung vom 12. Januar 2018 (13 W 45/18 – Link zum Beschluss) nun in Zweifel. Um deshalb nicht gegen das Rechtsstaatsprinzip zu verstoßen, müsse § 4 Abs. 2 ERVV einschränkend ausgelegt werden. Entsprechend hat am 10. Oktober 2018 auch das LSG Niedersachsen-Bremen entschieden (L 2 R 117/18) und sich damit gegen die zwischenzeitlich ergangene Rechtsprechung des BSG und des BAG gestellt, die ihrerseits die Containersignatur als unzulässig und den Ausschluss als verfassungsgemäß erachtet haben.

Inhalt der Entscheidung

In seiner Entscheidung, stellt das Brandenburgische Oberlandesgericht fest, § 4 Abs. 2 ERVV sei teleologisch zu reduzieren:

Um die Integrität und Authentizität einer qualifizierten elektronischen Signatur sicherzustellen, bedarf es des Verbots der Container- oder Umschlagsignatur jedenfalls nicht, wenn der Absender mit ihr nur elektronische Dokumente verbindet, die sämtlich ein Verfahren betreffen und die nach dem Eingang bei Gericht zusamen mit den bei der Übermittlung angefallenen Informationen und mit dem Ergebnis der Signaturprüfung auf Papier ausgedruckt und zu den Gerichtsakten genommen werden.

In diesem Fall sei der Zweck des Ausschlusses der Containersignatur nämlich auf andere Weise erreicht. Aufgrund des Papierausdrucks könne das Ergebnis der Signaturprüfung dauerhaft bei der Akte gehalten und dort eingesehen werden. Auch dem Verfahrensgegner könne das Prüfergebnis zur Kenntnis gegeben werden – schließlich könne auch er den Papierausdruck des Prüfergebnisses erhalten. Auf das weitere Schicksal der elektronischen Dateien – immerhin den „Original-Schriftsatz“ stellt das OLG dagegen nicht ab:

Die auf diese Weise [per EGVP] eingereichten Dateien haben den Inhalt, der auf Papier ausgedruckt und zu den Akten genommen worden ist. Ob die Dateien danach verändert worden sind, ist nicht dokumentiert, weil es ohne Belang bleibt. Gegenstand des weiteren Verfahrens sind alleine die Papierausdrucks. Die zur Entscheidung berufenen Richter erhalten nichts anderes als die Papierakte.

Das Gericht meint aufgrund dieser Arbeitsweise, dass der vom Verordnungsgeber verfolgte Zweck für das Gericht ohne Bedeutung sei. Die Regelungsziele wirkten sich nach Auffassung des Gerichts nur nach Einführung einer führenden elektronischen Gerichtsakte aus. Der Verordnungsgeber habe das Verbot der Containersignatur – ausweislich der vom Gericht zitierten Verordnungsbegründung – nämlich für geboten gehalten,

weil andernfalls eine Überprüfung der Authentizität und Integrität der elektronischen Dokumente im weiteren Verfahren regelmäßig nicht mehr möglich sei. Nach der Trennung der einzelnen elektronischen Dokumente könne die Container-Signatur nicht mehr geprüft werden. Insbesondere könnten die anderen Verfahrensbeteiligten nicht mehr nachvollziehen, ob die Authentizität und Integrität der elektronischen Dokumente gewährleistet sei.

Diese Bedenken hält das Gericht für unbegründet. Schließlich bewahre das Gericht die auf Papier gedruckten Signatur-Prüfprotokolle bis zur Vernichtung der Papierakte auf. Sie genügten auch zur späteren Überprüfung der Signatur und zur Prüfung durch den Verfahrensgegner.

Auch dem weiteren Argument des Verordnungsgebers,

die Containersignatur könnte die nachträgliche Prüfung der Signatur insbesondere bei mehreren Verfahren betreffenden elektronischen Dokumenten […unmöglich machen, da] aus datenschutzrechtlichen Gründen hier nur die das einzelne Verfahren betreffenden elektronischen Dokumente zur [elektronischen] Akte genommen werden dürfen

erteilt das OLG eine Abfuhr: Solange man auch elektronische Dokumente nur ausdrucke, sei die Trennung kein Problem und das Prüfprotokoll könne schlicht mehrfach – für jede Papiergerichtsakte einmal – ausgedruckt werden. Erst nach Einführung der elektronischen Akte stelle sich diese Frage. Im Übrigen ergebe sich das Problem nur hypothetisch und nicht bei Verfahrensbeteiligten, die eben nur Dokumente zu je einem Verfahren übersenden.

Schlussfolgernd meint das OLG deshalb führe die Verschärfung der Formstrenge daher zu erheblichen Nachteilen beim Absender. Zwar räumt auch das OLG ein, dass die Anbringung von Einzelsignaturen am jeweiligen Dokument technisch nicht besonders aufwendig sei. Allerdings sei der erhebliche Nachteil des Absenders darin zu sehen, das sein Rechtsmittel als unzulässig angesehen werden müsse. Zudem – hier erlaubt sich das OLG einen wenig verklausulierten Seitenhieb in Richtung beA – habe sich die Prognose der Bundesregierung nicht bewahrheitet, dass die qualifizierte elektronische Signatur durch die sicheren Übermittlungswege an Bedeutung verliere.

Das OLG erwägt daher – mangels legitimen Zwecks – die Verfassungswidrigkeit des § 4 Abs. 2 ERVV im Hinblick auf die sich aus ihm ergebende Einschränkung der aus dem Rechsstaatsprinzip erwachsenden allgemeinen Rechtsschutzgarantie. Es wendet die Verfassungswidrigkeit aber durch eine einschränkende teleologische Auslegung ab. Die Containersignatur sei nur ausgeschlossen, wenn bei ihrer Anwendung der vom Verordnungsgeber benannte Zweck nicht zu erreichen sei. Letzteres sei nicht gegeben, wenn

  • das empfangende Gerichte seine Akten in Papierform führe,
  • die Prüfprotokolle ausdrucke und
  • der Absender nur Dokumente übersendet, die lediglich ein Verfahren betreffen.

Kritik an der Entscheidung

Die Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts kann nicht überzeugen.

Sie geht zwar zunächst zutreffend davon aus, dass grundsätzlich auch die Containersignatur nicht ungeeignet ist, die Integrität und Authentizität der in dem Übermittlungscontainer enthaltenen Dokumente nachzuweisen. Wird das Dokument nachträglich verändert und in dieser Form erneut dem Container hinzugefügt, wird die Signatur ungültig. Die Veränderung des Dokuments ist damit feststellbar. Erforderlich hierfür ist aber, dass die Person, die mit der Prüfung der Signatur befasst ist (der Richter, der Verfahrensgegner), über den signierten Container und alle in ihm befindlichen Dateien verfügt. Dies ist aber praktisch mitnichten sicherzustellen. Sie stellt vielmehr die gerichtliche IT-Infrastruktur vor letztlich kaum lösbare, wenn nicht gar unlösbare Aufgaben.

Verhinderung der elektronischen Prüfung durch den Richter

Die Zuverfügungstellung des Containers und aller in ihm befindlichen Dateien ist bereits innerhalb eines Gerichts schwierig. Justizfachverfahren ermöglichen – wenn überhaupt – regelmäßig nur, dem Richter elektronische Dokumente im Sinne einzelner Schriftsätze zu präsentieren. Weitere Dateien – und hierzu zählt auch der Übermittlungscontainer – sind dort hingegen (noch) nicht sichtbar. Seine Weiterleitung außerhalb des EGVP-Clients
wird bislang kaum vorgesehen sein. Der Richter hat sich daher darauf zu verlassen, dass alle für die Prüfung notwendigen Daten bereits in der (elektronischen) Poststelle ausgedruckt oder diese Prüfprotokolle elektronisch zugeleitet werden. Eine eigenständige Prüfung ist dem
Richter damit nahezu verwehrt und verkürzt damit die ihm mögliche Prüfungstiefe. Der Richter ist dann auf die Korrektheit und Verständlichkeit der ausgedruckten oder elektronisch verfügbar gemachten Signaturprüfprotokolle angewiesen.

Einschränkung der Prüfungsmöglichkeiten des Verfahrensgegners

Gleiches gilt für den Verfahrensgegner, an den eine elektronische Weiterleitung des Containers ebenfalls nicht möglich ist. Eine rechtliche Unmöglichkeit der eigenständigen Prüfung ergibt sich schließlich – dies erkennt ja auch das OLG – aus dem Datenschutzrecht, wenn ein einzelner Übermittlungscontainer Dokumente zu Verfahren verschiedener Dezernate enthält. Zulässig ist dann nur die Weiterleitung der
Dokumente, die in die jeweilige Zuständigkeit fallen. Da dann aber der Übermittlungscontainer stets unvollständig wäre, lässt sich auch dessen Signatur nicht mehr prüfen, erst recht nicht durch den Verfahrensgegner.

Die eigene Prüfungsmöglichkeit des Verfahrensgegners wird auch dann eingeschränkt, wenn der Übermittlungscontainer zwar nur Dokumente zu einem Verfahren enthält, aber darunter Dokumente sind, die aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht an ihn weitergeleitet werden können – bspw. die Erklärung über die wirtschaftlich und persönlichen Verhältnisse bei der PKH-Antragstellung.

Die Möglichkeit, dem Verfahrensgegner nur – ausgedruckt oder elektronisch – die Signatur-Prüfprotokolle zu versenden, ist gegenüber der Möglichkeit die elektronische Datei selbst prüfen zu können, eine erhebliche Rechtsschutzverkürzung. Der Zusammenhang zwischen den Prüfprotokollen und der geprüften Datei bzw. geprüftem elektronischen Zertifikat lässt sich nach dem Ausdruck nur über den Dateinamen herstellen. Diesen sieht der Verfahrensgegner nach dem Ausdruck des Dokuments aber gerade nicht mehr. Ausreichend kann dies daher nicht sein, weil das  Gericht wegen des Rechts auf rechtliches Gehör dem Verfahrensgegner jeweils die bestmögliche Möglichkeit einzuräumen hat, prozessuale Entscheidungen zu treffen bzw. Stellung zu Tatsachen zu nehmen.

Abhängigkeit der Formwirksamkeit vom Empfängerverhalten

Im Übrigen stellt die Containersignatur eine erhebliche Hürde bei der Einführung einer verbindlichen elektronischen Aktenführung dar, da fraglich ist, wie diese in ein Dokumentenmanagement-System überführt werden kann – insbesondere auch hier wegen des Datenschutzrechts, wenn der Container nicht nur Dokumente zu einem, sondern zu mehreren Verfahren eventuell unterschiedlicher Beteiligter enthalten hat.

Diese Problematik erkennt das OLG, schiebt sie aber in die Zukunft: Jedenfalls in Brandenburg sei die Einführung elektronischer Gerichtsakten noch nicht erfolgt. Unerwähnt lässt das OLG dabei, dass die Einführung aber absehbar ist: Spätestens im Jahr 2026 steht sie nämlich kraft Gesetzes bevor. Zudem gibt es – jedenfalls außerhalb von Brandenburg – durchaus bereits Gerichte, die zumindest pilothaft, nichtsdestotrotz aber rechtsverbindlich – elektronische Akten eingeführt haben. Insbesondere Baden-Württemberg hat sich insoweit gleich an mehreren Gerichten an die Spitze der Bewegung gesetzt.

Nimmt man daher an – was das OLG aber offenlässt -, dass die Containersignatur bei einer führenden elektronischen Gerichtsakte verfassungskonform gem. § 4 Abs. 2 ERVV ausgeschlossen ist, würde man die Formwirksamkeit der Einreichung vom Empfängerverhalten abhängig machen. Diese Annahme wäre nicht nur systemwidrig, sondern würde auch zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit, jedenfalls aber bis 2026 zu einem erneuten Form-Flickenteppich führen. Solche Unsicherheiten abzuschaffen, war aber gerade das Hauptziel des sog. eJustice-Gesetzes, aufgrund dessen letztlich auch die ERVV ergangen ist.

Ist die Containersignatur tatsächlich gleich geeignet?

Schließlich stellt das OLG in Einklang mit der früheren BGH-Rechtsprechung zur Containersignatur zwar in den Raum, durch die Containersignatur sei sichergestellt, dass der Urheber gerade dieses Dokument in den Rechtsverkehr einbringen wollte. Wie diese Sicherheit aber durch die Signatur des Containers gegeben sein soll, wird nicht begründet. Auf die konventionelle Post übertragen, wäre die Containersignatur die Unterschrift auf dem Briefumschlag. Dass eine solche keine (sicheren) Rückschlüsse auf die Urheberschaft eines in ihm befindlichen – und ja nicht mehr „unterschriebenen“ – Dokuments zulässt, liegt auf der Hand.

Ist die teleologische Reduktion möglich?

Fraglich ist zudem, ob im Hinblick auf den Wortlaut des § 4 Abs. 2 ERVV und dessen Sinn und Zweck eine teleologische Reduktion überhaupt möglich ist. Zwar ist der Wortlaut des § 4 Abs. 2 ERVV im Hinblick auf das Ziel, die Containersignatur auszuschließen nicht als vollständig geglückt zu bezeichnen. Er erreicht dieses Ziel aber, weil selbst, wenn der Übermittlungscontainer nur einen Schriftsatz als Anlage der EGVP-Nachricht enthält, gleichzeitig auch mehrere Strukturdateien mittransportiert werden. Eine teleologische Reduktion setzt nun aber voraus, dass das Gesetz, gemessen an seiner eigenen Regelungsabsicht und der ihm immanenten Teleologie unvollständig ist, eine nach dem Regelungsplan oder dem Gesamtzusammenhang des Gesetzes zu erwartende Regel fehlt (Larenz/Canaris, Methodenlehre, 3. Aufl. 1995, 196 f.) und dass die Ergänzung um einen Ausnahmetatbestand wertungsmäßig geboten ist, was einerseits durch den Sinn und Zweck der einzuschränkenden Norm selbst oder durch den insoweit vorrangigen Zweck einer anderen Norm geboten sein kann, wobei jeweils das Gebot der Gerechtigkeit, Ungleiches ungleich zu behandeln zu beachten ist (Larenz/Canaris, Methodenlehre, 3. Aufl., 211). Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, ist höchst fraglich. Dass ein Ausnahmetatbestand zur Intention des Verordnungsgebers selbst passen könnte, kann im Hinblick auf die in der Verordnungsbegründung getätigte Bezugnahme auf die bisherige Rechtsprechung des BGH ausgeschlossen werden. Dem Gesetzgeber war an einer klaren, eindeutigen Regelung gelegen, zumal ja bereits im Hinblick auf die gesetzliche Formulierung in § 130a Abs. 3 ZPO die Zulässigkeit der Containersignatur fraglich ist („Das elektronische Dokument muss mit  [einer…] Signatur versehen werden“). Das übergreifende Ziel der Verordnungsregelungen war die Sicherstellung der nachträglichen Prüfbarkeit der Signatur und damit die Sicherstellung eines fairen Verfahrens und eine größtmögliche Rechtssicherheit. Ob zudem andere – vorrangige – Regelungen gebieten, dass die Containersignatur jedenfalls ausnahmsweise zuzulassen ist, ist angreifbar. Das OLG selbst räumt ein, dass die (Einzel-)Signatur des Dokuments selbst kein besonderer Aufwand für den Absender ist. Dies selbst, wenn man in Betracht zieht, dass er hierfür ein (neues, externes) Signaturprogramm beschaffen muss; solche Programme sind marktgängig, nicht sehr teuer und nicht schwer zu bedienen. Den Nachteil für den Absender – wie es das OLG tut – darin zu sehen, dass andernfalls ja sein Rechtsmittel unzulässig wäre, übersieht, dass bei kontradiktorischen Verfahren auch ein Interesse des Verfahrensgegners zu beachten ist. Würde man Formanforderungen stets dem Nachteil der drohenden Unzulässigkeit gegenüberstellen, wären letztlich alle Formvorschriften zu hinterfragen. Eine derartige Großzügigkeit lässt sich mitnichten den vom OLG umfangreich zitierten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts entnehmen.

Zudem stellt das OLG den Sinn und Zweck des § 4 Abs. 2 ERVV nur sehr verkürzt dar, wenn es meint, dass die Unmöglichbarkeit der nachträglichen Überprüfung nur nach der Einführung einer elektronischen Gerichtsakte bestehe. Tatsächlich kann sie auch, vielleicht sogar gerade, bei einer führenden Papierakte bestehen: Nach den Geschäftsordnungen für die Justiz in den meisten Bundesländern wird nämlich das Prüfprotokoll bei positivem Signaturprüfergebnis gerade nicht ausgedruckt und zur Akte genommen. Sofern es daher nicht auch elektronisch weiter vorgehalten wird – und dazu verpflichtet § 298 Abs. 4 ZPO in der Fassung ab 1.1.2018 nicht mehr unbedingt – wäre es für den Verfahrensgegner ein Leichtes, schlicht zu behaupten, die Signatur sei nicht ordnungsgemäß. Dem Gericht bliebe dann nun – und auch das nur in den Grenzen des § 298 Abs. 3 ZPO – der Transfervermerk, der nur ein sehr verkürztes Ergebnis der durchgeführten Prüfungen enthält.

Praktische Auswirkungen

Die Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts lässt sich daher im Ergebnis an mehreren Punkten kritisieren. Es ist fraglich, ob sich weitere Gerichte dieser Linie anschließen werden. Jedenfalls wäre es also für jeden Verfahrensbeteiligten ein erhebliches Risiko, auf die Entscheidung zu vertrauen und fristwahrende Schriftsätze (nur) mit einer Containersignatur zu versehen. Aus anwaltlicher Sorgfalt ist der Umstieg auf die eindeutig zulässigen Formen der qualifizierten elektronischen Signatur zwingend. Die Entscheidung könnte daher maximal die Bedeutung eines Rettungsankers erlangen für all jene, die die Rechtsänderung durch die Einführung des § 4 Abs. 2 ERVV nicht mitbekommen und aus Unkenntnis die Containersignatur weiterverwendet haben. Ob dies allerdings im Interesse der Rechtssicherheit ist oder einfach nur „gut gemeint“ im Hinblick auf die Sperrigkeit der ungewohnt technischen Rechtsmaterie liegt wohl im Auge des Betrachters.

So wie hier vorgeschlagen haben zwischenzeitlich das BSG und das BAG entschieden.


Hinweise zur Ausführung der Signaturprüfung anhand der Signatur-Prüfprotokolle enthalten die Checklisten zum elektronischen Rechtsverkehr und das eJustice-Praxishandbuch.

Autor: Prof. Dr. Henning Müller

Direktor des Sozialgerichts

4 Gedanken zu „Ausschluss der Containersignatur verfassungswidrig? Darauf sollten Sie sich nicht verlassen!“

  1. Lieber Herr Müller,

    bei aller Kritik am Inhalt der Entscheidung: Die Anwaltschaft sollte dankbar zur Kenntnis nehmen, dass es noch Gerichte gibt, die bei einem im entschiedenen Fall tatsächlich völlig unproblematischen Fauxpas den Anwalt nicht im Regen stehen lassen. Die Erfahrung lehrt, dass es auch andere Fälle gibt. Ein wenig problematisch ist möglicherweise der Terminus „Verbot der Containersignatur“. Sie ist m.E. nicht verboten, sondern nur unzureichend. Eine Containersignatur zusätzlich anzubringen, wenn die Schriftsätze selbst auch signiert sind, dürfte wohl nicht verboten sein. Allenfalls ist sie überflüssig.

    LG U. Volk

  2. Das vernehmliche Pochen auf die Papierakte in der besprochenen Entscheidung wirft für mich die Frage auf, wer im Zweifelsfall – bei Rüge des Absenders wie auch bei Rüge seitens anderer Verfahrensbeteiligten – für die Prüfung der Richtigkeit und Vollständigkeit des Transferaktes im gerichtlichen Verfahren verantwortlich ist. Nicht die künftige Einführung der elektronischen Gerichtsakte, vielmehr die bereits erfolgte Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs dürfte diese Frage bereits aufwerfen. Damit einher dürfte die Frage gehen, wie elektronische Eingänge nachgehalten und zugänglich gemacht werden müssen, weshalb insbesondere die Löschungsregelung entsprechend § 298 Abs. 4 ZPO problematisch erscheint.
    Eine Signatur der EGVP-Nachricht oder eines komprimierten Dateicontainers (Zip-Datei) ermöglicht die Übersendung – potentiell unbegrenzt vieler – elektronischer Dokumente, die verschiedenen Verfahren auch verschiedener Spruchkörper zugeordnet, gelegentlich auch an andere Gerichte verwiesen werden müssten. Der signierte Container müsste in allen Verfahren zur Prüfung der Richtigkeit und Vollständigkeit des Transferaktes – im Einzelfall auch der Beweiserhebung – zugänglich sein.
    Bei Rüge des fehlerhaften Transfers oder der Geltendmachung anderer Übermittlungsfehler werden sich verfahrensverantwortliche Richter kaum mit einem Pochen auf den von der Rüge betroffenen Ausdruck ihrer Papierakte begnügen können.
    So braucht wohl stets einige Zeit, bis die technischen Implikationen auf ausreichendes Problembewusstsein treffen und zutreffenden Eingang in die Beantwortung von Rechtsfragen finden. Zurückhaltung erschiene mir geboten, in den „Niederungen einfachen Rechts“ wie der ERRV den technischen Implikationen des elektronischen Rechtsverkehrs mit dem scharfen Schwert des Verfassungsrechts begegnen zu wollen.

  3. Lieber Henning,

    herzlichen Dank für Deine umfassende Anmerkung zu dieser Entscheidung!

    Der Beschluss (?) gibt Steine statt Brot und kann katastrophale Auswirkungen haben. Es darf *nicht* das Signal bleiben, wir könnten es nun doch bei der Containersignatur belassen! Dass andere Gerichte dieser Entscheidung folgen werden, ist offen. In dem zu entscheidenden Einzelfall mag das Gericht (mutig) geholfen haben, auf das allgemeine Vorgehen beim ERV darf die Entscheidung aber nicht übertragen werden .

    Verordnungsgemäß signieren zu können und es nicht zu tun, gefährdet die Absicherung durch die Berufshaftpflicht (Vorsatz!).

    HG mas

    1. Die Überlegungen des OLG Brandenburg sind vor dem Hintergrund des beA-Desasters doch mehr als verständlich und auch pragmatisch: Wer wie ich brav seit 2016 nach und nach seine Praxis ein- und umgestellt hat auf elektronische Versendung, durfte doch nun wirklich auf die mit der Änderung des § 4 II ERVV verbundene Ankündigung vertrauen, ab Januar 2018 nicht einmal mehr signieren zu müssen. Mein beA-Misstrauen ließ mich noch bis Weihnachten 2017 mein EGVP-Postfach aufrechterhalten. Ich möchte also dieses zur Überbrückung jetzt auch nicht beenden, um mich für eine neuerliche Übergangszeit, die ja laut BRAK zunächst angeblich wieder nur wenige Monate umfassen sollte, jetzt aber neue Dimensionen annimmt, auf de-Mail neu einzulassen, zumal auch dazu negative Kritik zuhauf besteht. Weshalb soll das Jahr 2026 ein Grund sein, die Vorstellungen, die zu § 4 II ERVV geführt hatten, ungeachtet der überraschenden Jahreswendung stumpf durchzuziehen? Die Gerichte haben doch in den letzten Jahrzehnten ohne Probleme auch 50-seitige Berufungsfaxe nebst Anlagen erhalten, bei denen die Geschäftsstelle erst einmal sortieren muss, und bei denen lediglich auf 1 (!) Seite eine Unterschrift zu erkennen ist. Das ist ja nach wie vor so noch möglich und zulässig (besser gesagt: „zulässiger“) , ohne dass jemand argwöhnt, es sei nicht sichergestellt, dass am Gesamtdokument etwas verändert worden sein könnte. Niemand bezweifelt die Authentizität eines derartigen Fax-Schriftsatzes, obwohl bis auf die Unterschriftenseite alle restlichen 49 Blätter absichtlich oder auch versehentlich vertauscht oder verfälscht sein könnten. Offensichtlich soll der gesunde Menschenverstand aber schon weit vor 2026 weiter ausgehöhlt werden. Also mache ich bei bestimmenden Schriftsätzen notgedrungen weiter den Unsinn, einmal per EGVP, außerdem die „Hauptseiten“ 1 x abgezeichnet per Fax zu übermitteln. Das ist nicht prozessökonomisch. Ich kann – – bislang übrigens in Übereinstimmung mit allen Gerichten, mit denen ich auch seit Januar so kommuniziere – lediglich nachvollziehen, dass ich nicht mehrere Schriftsätze in derselben Sache und nicht mehrere Schriftsätze zu mehreren Sachen mit einer Nachricht einreiche. –

      Eine weitere Frage ist für mich, wie es sich auswirkt, wenn ich gescannte, aber mit Unterschrift versehene Dokumente per EGVP einreiche. Brächte das evtl. „mehr Zulässigkeit“?

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