LSG Berlin-Brandenburg: Beweislastumkehr im Scanprozess

Behörden sehen sich auch nach Einführung elektronischer Behördenakten weiter einer großen Zahl von Papierpost gegenüber, weil der Bürger noch sehr unvollständig Zugang zum elektronischen Rechtsverkehr hat. Diese Post muss digitalisiert werden, um Eingang in die elektronische Akte zu finden. Für Vorgänge in der – aus Sicht des Bürgers – „Blackbox“ zwischen Briefkasten und Veraktung des Dokuments trägt die Behörde die Darlegungs- und letztlich auch die Beweislast. Das Bedeutung vor allem für die Fristwahrung eines Posteingangs in der Regel eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast. So auch im Fall des LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 5.11.2020 – L 9 KR 204/19.

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OLG Zweibrücken: Gericht muss mit fehlerhaften Metadaten leben

Der elektronische Rechtsverkehr bietet nicht nur die Möglichkeit der Übermittlung elektronischer Dokumente. Zahlreiche zusätzliche Daten werden in der elektronischen Nachricht vom Absender an das Gericht mitübersandt. Macht der Absender hierbei Fehler (bspw. die fehlerhafte Angabe des Aktenzeichens), hat dies aber für ihn keine nachteiligen Rechtsfolgen – das Gericht muss damit umgehen können, auch wenn dessen (teil-)automatisierte Weiterverarbeitung dadurch beeinträchtigt. Dies stellt in einem Beschluss vom 7.12.2020 – 1 OWi 2 Ss Bs 165/20 – das OLG Zweibrücken klar, nachdem das Amtsgericht Ludwigshafen den dort eingegangenen Schriftsatz nicht (rechtzeitig) einem Verfahren zuordnen konnte.

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OLG Braunschweig: Urteilszustellung ohne qeS heilbar

Formfehler im elektronischen Rechtsverkehr geschehen nicht nur beim Einreichen von Schriftsätzen, sondern auch im Postausgang der Gerichte. Hier bleibt die einfache Rechtswidrigkeit der Zustellung aber grundsätzlich folgenlos, weil gem. § 189 ZPO auch bei Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften das Dokument in dem Zeitpunkt als zugestellt gilt, in dem es der Person, an die die Zustellung gerichtet war tatsächlich zugegangen ist. Das ist keine unfaire Privilegierung des Gerichts, sondern ein wichtige vertrauensbildende Maßnahme im Interesse der Verlässlichkeit und der Effektivität des Rechtsschutzes: Die Verfahrensbeteiligten sollen nicht unter Fehlern des Gerichts leiden müssen. Mit einem solchen Fall hatte sich in einem Beschluss vom 30.6.2020 – 8 U 116/19 das OLG Braunschweig zu beschäftigen.

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ArbG Lübeck: Bei aktiver Nutzungspflicht sind Störungen glaubhaft zu machen

In den Bundesländern Schleswig-Holstein (dort nur Arbeitsgerichtsbarkeit) und Bremen (Arbeitsgerichtsbarkeit, Finanzgericht, Sozialgerichtsbarkeit außer LSG) besteht mittlerweile die aktive Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs. Ist die elektronische Kommunikation gestört, können Schriftsätze aber im Wege der Ersatzeinreichung auch auf herkömmlichen Wege übersandt werden. Das ArbG Lübeck – Urt. v. 1.10.2020 – 1 Ca 572/20 –> beck-online (kostenpflichtig) – hat nun entschieden, dass es aber am Einreicher liegt, die Störung glaubhaft zu machen – selbst, wenn das Gericht Kenntnis von der Störung hatte.

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Referentenentwurf: ERV-Bürgerpostfach und Zustellungsfiktion

Unter dem 18. Dezember 2020 hat das BMJV einen Referentenentwurf eines Gesetzes zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vorgelegt. Der Entwurf enthält gleich mehrere, erhebliche Neuerungen, insbesondere die Zurverfügungstellung sicherer elektronischer Übermittlungswege für weitere Personengruppen – auch für den Bürger – und im Zustellungsrecht für bestimmte Personengruppen eine gesetzliche Zustellungsfiktion. Die Freischaltung der neuen Postfächer sollen Landesbehörden ähnlich den bisherigen beBPo-Prüfstellen übernehmen.

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1.1.2021: Aktive ERV-Nutzungspflicht für die Fachgerichte in Bremen

Mit Pressemitteilung vom 8. Dezember 2020 hat die Senatorin für Justiz und Verfassung der Freien Hansestadt Bremen den Erlass einer Rechtsverordnung über die Pflicht zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs (Verordnung über die Pflicht zur Nutzung des ERV.14366) für die Fachgerichtsbarkeiten mit Ausnahme des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen und der Verwaltungsgerichtsbarkeit zum 1. Januar 2021 publik gemacht. Bremen ist damit nach Schleswig-Holstein, das die aktive Nutzungspflicht bislang (nur) für die Arbeitsgerichtsbarkeit eingeführt hat, das zweite Bundesland, dass den sog. Opt-in zieht.

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OLG Koblenz: Durchsuchbarkeit keine zwingende Formvorschrift

Nach dem der technikaffine 3. Zivilsenat des OLG Koblenz in einem vielbeachteten Hinweisbeschluss vom 9.11.2020 schon angemerkt hat, dass die ERVB (teilweise) nichtig sein könnten, geht es in einem Beschluss vom 23.11.2020 (3 U 1442/20) um die Frage, ob die Durchsuchbarkeit eines Schriftsatz – also die Texterkennung – eine zwingende Formvoraussetzung ist. Insbesondere das Bundesarbeitsgericht (BAG, Beschluss vom 12.03.2020, 6 AZM 1/20; BAG, Urteil vom 03.06.2020, 3 AZR 730/19) hatte dies ohne nähere Diskussion bisher angenommen. Dem stellt sich das OLG Koblenz entgegen: Ein Automatismus der Formunwirksamkeit verbiete sich; vielmehr bedürfe es einer Abwägung im Einzelfall.

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OLG Koblenz vs. ERVB

Die Rechtsprechung zu Formfragen im elektronischen Rechtsverkehr hat zwischenzeitlich Fahrt aufgenommen. Insbesondere Detailfragen fangen dabei an, die Anwender in ihrem technischen Verständnis zu fordern. Ein Beispiel hierfür ist die Frage der Einbettung von Schriftarten nach Nr. 1 der ERVB 2019. Die bisherige Rechtsprechung (bspw. LAG Frankfurt am Main, Beschluss vom 7. September 2020 – 18 Sa 485/20) neigt einerseits zu einer gewissen Formstrenge, versucht andererseits – dem Willen des Gesetzgebers folgend – gem. § 130a Abs. 6 ZPO oder mit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand „zu helfen“. Einen anderen Weg geht nun das OLG Koblenz in einem bemerkenswerten Hinweisbeschluss vom 09.11.2020 – 3 U 844/20: Könnten die ERVB evtl. auch nichtig sein?

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BAG stellt Anforderungen an die einfache Signatur klar

Gem. § 130a Abs. 3 Satz 1 2. Var. ZPO ist es zur Schriftformwahrung im elektronischen Rechtsverkehr zulässig, dass das elektronische Dokument statt mit einer qualifizierten elektronischen Signatur bloß mit einer einfachen Signatur versehen und von der verantwortenden Person selbst auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 130a Abs. 4 ZPO versandt wird. Die Literatur hat sich mit dem Begriff der einfachen Signatur bereits vielfach auseinandergesetzt; mangels eindeutiger gesetzlicher Regelung wurde aber Rechtsprechung hierzu dringend erwartet. Als erstes Bundesgericht hat nun das BAG (Beschluss vom 14. September 2020 – 5 AZB 23/20) die Anforderungen an eine einfache Signatur näher beschrieben. Der nahezu einhelligen Meinung in der Literatur folgend meint auch das BAG, dass ein einfacher maschinenschriftlicher Namenszug oder die eingescannte Unterschrift ausreichen.

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