Digitalisierung und Barrierefreiheit

Ein Gastbeitrag von Johannes Greiser, Richter am Sozialgericht Osnabrück.

Die Digitalisierung schreitet mittlerweile auch in der Justiz voran. Das hat viele Vorteile. Beispielsweise ist das bei Richtern häufig beliebte Arbeiten aus dem Homeoffice deutlich komfortabler möglich. Allerdings hat die Umstellung auch Nachteile und macht eine Umgewöhnung in der täglichen Arbeit notwendig. Mit einer Sehbehinderung, wie ich sie habe, sind diese Umgewöhnungsprozesse komplexer, was zum Thema Barrierefreiheit überleitet. „Digitalisierung und Barrierefreiheit“ weiterlesen

Sicherer Übermittlungsweg oder qeS – das ist doch nicht so schwer

Seit dem 1.1.2018 gilt § 130a ZPO in der aktuellen Fassung, am 1.1.2022 steht die aktive Nutzungspflicht vor Tür. Die Systematik ist eigentlich gar nicht so schwierig und man sollte meinen, dass der elektronische Rechtsverkehr mittlerweile Routine ist. Dass das noch nicht überall so ist, zeigen zwei Beschlüsse des Amtsgerichts (22 M 1594/21 – 20210723 Beschluss AG) und des Landgerichts Bonn (4 T 256/21 – 20210825 Beschluss LG) zu einem De-Mail – Eingang.

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Akteneinsicht über ERV nun im Gesetz

Mit dem Gesetz  zur Fortentwicklung der Strafprozessordnung
und zur Änderung weiterer Vorschriften hat sich mit Wirkung zum 1. Juli 2021 still und heimlich eine Änderungen der Normen zur Akteneinsicht in die Prozessordnungen geschlichen. Durch Änderung der §§ 299 Abs. 3 S. 1 ZPO, 32f Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 2 StPO, § 120 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 Satz 2 SGG, § 100 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 2 VwGO und § 78 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 2 FGO wurde die Möglichkeit geschaffen, die Akteneinsicht auch durch die Übermittlung im elektronischen Rechtsverkehr zu gewähren.

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OLG Nürnberg zur Kostenprivilegierung bei Abschriften im ERV

Gem. § 133 Abs. 1 Satz 2 ZPO (= § 55a Abs. 5 Satz 3 VwGO, § 65a Abs. 5 Satz 3 SGG usw.) müssen bei Nutzung des Elektronischen Rechtsverkehrs entgegen der allgemeinen Regelung keine Abschriften für die Beteiligten beigefügt werden. Nach der eindeutigen Anordnung des Gesetzes kann das Gericht dem Einreicher deshalb auch keine Kosten für die Erstellung papierner Zustellungsexemplare nach KV Nr. 9000 Nr. 1 und 2 in Rechnung stellen. Doch was passiert, wenn der Einreicher das selben Dokument im Nachgang nochmals konventionell einreicht? Mit dieser Frage hatte sich das OLG Nürnberg (v. 25.3.2021 – 2 U 3607/20 – (juris) kostenpflichtig) zu beschäftigen.

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OLG Zweibrücken: Gericht muss mit fehlerhaften Metadaten leben

Der elektronische Rechtsverkehr bietet nicht nur die Möglichkeit der Übermittlung elektronischer Dokumente. Zahlreiche zusätzliche Daten werden in der elektronischen Nachricht vom Absender an das Gericht mitübersandt. Macht der Absender hierbei Fehler (bspw. die fehlerhafte Angabe des Aktenzeichens), hat dies aber für ihn keine nachteiligen Rechtsfolgen – das Gericht muss damit umgehen können, auch wenn dessen (teil-)automatisierte Weiterverarbeitung dadurch beeinträchtigt. Dies stellt in einem Beschluss vom 7.12.2020 – 1 OWi 2 Ss Bs 165/20 – das OLG Zweibrücken klar, nachdem das Amtsgericht Ludwigshafen den dort eingegangenen Schriftsatz nicht (rechtzeitig) einem Verfahren zuordnen konnte.

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OLG Braunschweig: Urteilszustellung ohne qeS heilbar

Formfehler im elektronischen Rechtsverkehr geschehen nicht nur beim Einreichen von Schriftsätzen, sondern auch im Postausgang der Gerichte. Hier bleibt die einfache Rechtswidrigkeit der Zustellung aber grundsätzlich folgenlos, weil gem. § 189 ZPO auch bei Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften das Dokument in dem Zeitpunkt als zugestellt gilt, in dem es der Person, an die die Zustellung gerichtet war tatsächlich zugegangen ist. Das ist keine unfaire Privilegierung des Gerichts, sondern ein wichtige vertrauensbildende Maßnahme im Interesse der Verlässlichkeit und der Effektivität des Rechtsschutzes: Die Verfahrensbeteiligten sollen nicht unter Fehlern des Gerichts leiden müssen. Mit einem solchen Fall hatte sich in einem Beschluss vom 30.6.2020 – 8 U 116/19 das OLG Braunschweig zu beschäftigen.

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ArbG Lübeck: Bei aktiver Nutzungspflicht sind Störungen glaubhaft zu machen

In den Bundesländern Schleswig-Holstein (dort nur Arbeitsgerichtsbarkeit) und Bremen (Arbeitsgerichtsbarkeit, Finanzgericht, Sozialgerichtsbarkeit außer LSG) besteht mittlerweile die aktive Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs. Ist die elektronische Kommunikation gestört, können Schriftsätze aber im Wege der Ersatzeinreichung auch auf herkömmlichen Wege übersandt werden. Das ArbG Lübeck – Urt. v. 1.10.2020 – 1 Ca 572/20 –> beck-online (kostenpflichtig) – hat nun entschieden, dass es aber am Einreicher liegt, die Störung glaubhaft zu machen – selbst, wenn das Gericht Kenntnis von der Störung hatte.

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1.1.2021: Aktive ERV-Nutzungspflicht für die Fachgerichte in Bremen

Mit Pressemitteilung vom 8. Dezember 2020 hat die Senatorin für Justiz und Verfassung der Freien Hansestadt Bremen den Erlass einer Rechtsverordnung über die Pflicht zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs (Verordnung über die Pflicht zur Nutzung des ERV.14366) für die Fachgerichtsbarkeiten mit Ausnahme des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen und der Verwaltungsgerichtsbarkeit zum 1. Januar 2021 publik gemacht. Bremen ist damit nach Schleswig-Holstein, das die aktive Nutzungspflicht bislang (nur) für die Arbeitsgerichtsbarkeit eingeführt hat, das zweite Bundesland, dass den sog. Opt-in zieht.

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Geht nicht, gibt’s nicht! Die elektronische Vollziehung einstweiliger (Unterlassungs-)Verfügungen

Die fortschreitende Einführung elektronischer Gerichtsakten (z. B. existierten zum 30.09.2020 bereits mehr als 40.000 führende elektronische Gerichtsakten in Rheinland-Pfalz) und die zunehmende Etablierung des bidirektionalen elektronischen Rechtsverkehrs bringen es mit sich, dass gerichtliche Entscheidungen zunehmend ausschließlich elektronisch signiert (§ 130b ZPO) und den Parteien entweder unter Beifügung der Signaturdateien der entscheidenden Richter (§ 169 Abs. 5 Nr. 1 ZPO) oder als beglaubigte elektronische Abschrift (§ 169 Abs. 4 ZPO) zugestellt werden.

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