ERVV: Bundesrat stimmt unter Verlängerung der OCR-Übergangsfrist zu

Der Bundesrat hat in seiner 961. Sitzung am 3. November 2017 beschlossen, der ERVV mit Änderungen zuzustimmen (645/17 (Beschluss)). Insbesondere sieht der Bundesrat die Verlängerung der Übergangsfrist des § 2 Abs. 1 Satz 4 ERVV (Aufschub der Anforderung Dokumente „durchsuchbar“ zu übersenden) als angezeigt an.

Der Begriff der „Durchsuchbarkeit“ bezieht sich auf darauf, dass das Dokument in texterkannter Form (OCR) einzureichen ist. Dies ergibt sich aus der Verordnungsbegründung (S. 12) und dem Zweck der Vorschrift. Der Sinn und Zweck ist ausweislich der Verordnungsbegründung, die pragmatische Idee, dass hierdurch die Weiterbearbeitung im Gericht und bei weiteren Verfahrensbeteiligten gefördert wird.

Siehe zur Frage der Durchsuchbarkeit im Einzelnen den Artikel: Texterkennung i.S.d. § 2 Abs. 1 ERVV: Was ist eigentlich „durchsuchbar“?

Der Bundesrat hatte vor allem Befürchtungen, dass für die Rechtsanwaltschaft die Übergangsfrist zu kurz bemessen sein könnte, um organisatorisch (und wohl auch technisch) eine Texterkennung sicher zu stellen – und befürchtete Akzeptanzprobleme:

Die in der Verordnung enthaltenen verfahrensrechtlichen und technischen Vorgaben für den elektronischen Rechtsverkehr mit den Gerichten stellen die Rechtsanwaltschaft neben der Einführung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs seit dem 1. Januar 2016 vor weitere, nicht unerhebliche Herausforderungen.
Insbesondere erfordert die Verpflichtung zur Einreichung von
Dokumenten ausschließlich in durchsuchbarer Form die Beschaffung geeigneter und leistungsfähiger Scangeräte sowie entsprechender Software, um in vielen Fällen von Mandanten eingereichte Papierdokumente in die elektronische, durchsuchbare Form übertragen zu können. Die in § 2 Absatz 1 Satz 4 ERVV in der derzeitigen Fassung vorgesehene Übergangsfrist bis zum 30. Juni 2018 ist zur organisatorischen Umsetzung im Bereich der Anwaltschaft zu knapp
bemessen. In Absprache mit der Bundesrechtsanwaltskammer ist eine Umsetzungsfrist bis zum 30. Juni 2019 angezeigt – dies auch, um die bestmögliche Akzeptanz des elektronischen Rechtsverkehrs bei den Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten zu sichern. Eine übermäßige Beeinträchtigung der justiziellen Geschäftsabläufe während des Übergangszeitraums steht nicht zu erwarten.

Tatsächlich dürften einige Behörden durchatmen, deren zumeist deutlich größeren Organisationen vor entsprechend größeren Problemen bei der Umsetzung der Texterkennung gestanden haben dürften, obschon nach zutreffender Ansicht die Anforderung der Texterkennung jedenfalls nicht für die behördlichen Verwaltungsakten gilt.

Tatsächlich ist aber fraglich, ob es der Änderung bedurft hätte. Die praktischen Auswirkungen dürften ohnehin gering sein, weil die Erzeugung texterkannter PDF-Dokumente bei schriftformbedürftigen Schriftsätzen regelmäßig selbstverständlich sein dürfte und es wohl im Übrigen zumeist nicht auf die Einhaltung der Form der ERVV ankommen sollte.[1]

[1] Vgl. für eine ausführlichere Darstellung: eJustice-Praxishandbuch, 2. Aufl., 2017.

Autor: Prof. Dr. Henning Müller

Direktor des Sozialgerichts

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