OLG Zweibrücken: Gericht muss mit fehlerhaften Metadaten leben

Der elektronische Rechtsverkehr bietet nicht nur die Möglichkeit der Übermittlung elektronischer Dokumente. Zahlreiche zusätzliche Daten werden in der elektronischen Nachricht vom Absender an das Gericht mitübersandt. Macht der Absender hierbei Fehler (bspw. die fehlerhafte Angabe des Aktenzeichens), hat dies aber für ihn keine nachteiligen Rechtsfolgen – das Gericht muss damit umgehen können, auch wenn dessen (teil-)automatisierte Weiterverarbeitung dadurch beeinträchtigt. Dies stellt in einem Beschluss vom 7.12.2020 – 1 OWi 2 Ss Bs 165/20 – das OLG Zweibrücken klar, nachdem das Amtsgericht Ludwigshafen den dort eingegangenen Schriftsatz nicht (rechtzeitig) einem Verfahren zuordnen konnte.

Die interne Zuordnung elektronisch zugegangener Schriftstücke fällt in die Sphäre des Gerichts, so dass den Betroffenen kein Verschulden daran trifft, wenn das Gericht nicht (rechtzeitig – bspw. innerhalb einer laufenden Frist) den Schriftsatz einem Verfahren zuzuordnen.

Für den fristgerechten Eingang kommt es nur darauf an, dass das elektronische Dokument im Gericht eingegangen ist, sobald es auf der für den Empfang bestimmten Einrichtung des Gerichts gespeichert ist.
Die Empfangseinrichtung des Gerichts ist für alle auf EGVP basierenden Übermittlungswege (EGVP, beA, beN und beBPo) der EGVP-Intermediär. Hierbei handelt es sich um einen nicht im jeweiligen Gericht befindlichen Server der EGVP-Infrastruktur, der sowohl Ablagepunkt für die Nachricht des Absenders als auch Abholpunkt für den Empfänger ist. Das für die Fristwahrung maßgebliche Datum lässt sich sowohl dem Transfervermerk, dem Prüfvermerk, als auch dem Prüfprotokoll „inspectionsheet.html“ entnehmen („Eingang auf dem Server“).

Es kommt ferner nicht darauf an, ob das Gericht oder der zuständige Spruchkörper auf die Empfangseinrichtung im Einzelfall (bspw. auch aufgrund einer Fehlfunktion) „keinen Zugriff hatte“ oder von dem Eingang „nicht benachrichtigt wurde“. Entscheidend ist lediglich der Eingang des elektronischen Dokuments im institutionell dem Gericht zuzuordnenden Machtbereich, wozu auch eine zentral von der Justiz betriebene, vom einzelnen Gericht nicht steuerbare Infrastrukturkomponente gehört.

Der BGH hatte zwischenzeitlich mehrfach Gelegenheit klarzustellen, dass das elektronische Dokument beim Gericht eingegangen ist, sobald es auf dem für den Empfang bestimmten Server des Gerichts (genauer: in der vom Gericht genutzten Infrastruktur, denn der Server muss sich gerade nicht räumlich im Gericht befinden) gespeichert worden ist (BGH v. 14.05.2020 – X ZR 119/18; BGH v. 25.08.2020 – VI ZB 79/19). Daran anschließende gerichtsinterne Vorgänge spielen für den Eingangszeitpunkt dagegen keine Rolle (BGH v. 14.05.2020 – X ZR 119/18 Rn. 12; BGH v. 28.05.2020 – I ZR 214/19 Rn. 7; BGH v. 25.08.2020 – VI ZB 79/19 Rn. 7). Aus gerichtsinternen Versäumnissen dürfen für den Einreicher keine Verfahrensnachteile resultieren. Hierzu zählt insbesondere, wenn das Gericht nicht in der Lage ist oder schlicht versäumt, das elektronische Dokument vom Intermediär abzuholen oder für eine (noch) führende Papierakte auszudrucken.
(H. Müller in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 2, 1. Aufl., § 130a ZPO (Stand: 13.01.2021), Rn. 138_1 – kostenpflichtig).

 

Autor: Prof. Dr. Henning Müller

Direktor des Sozialgerichts