Zusammentreffen von einfacher und qualifizierter Signaturen unterschiedlicher Personen

Mit Beschluss vom 24. Oktober 2019 – 8 AZN 589/19 hatte sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) zur Formwirksamkeit eines Schriftsatzes zu äußern, in dem einfache Signatur und qualifizierte Signatur nebeneinander angebracht waren – aber unterschiedliche Personen auswiesen. Das Gericht gab zugunsten des Einreichers der qualifizierten elektronischen Signatur den Vorrang.

Der Beschwerdeschriftsatz wurde über das beA des Rechtsanwalts A beim BAG eingereicht. Er trug die einfache Signatur (maschinenschriftlicher Name) des Rechtsanwalts B (also nicht die einfache Signatur des Postfachinhabers) und die qualifizierte elektronische Signatur von Rechtsanwalt A.

Das BAG geht zu Recht davon aus, dass der Schriftsatz formwirksam war.

Die Formvoraussetzungen im elektronischen Rechtsverkehr sind gesetzlich in § 130 a ZPO bzw. für das erstinstanzliche arbeitsgerichtliche Verfahren in § 46 c ArbGG geregelt. Hinsichtlich der elektronischen Übermittlungswege differenziert das Gesetz in § 130 a III ZPO seit dem 1.1.2018 zwischen „sicheren Übermittlungswegen“ und anderen zugelassenen elektronischen Übermittlungswegen mit Auswirkungen darauf, ob eine qualifizierte elektronische Signatur erforderlich ist oder eine so genannte einfache Signatur ausreicht. „Sichere Übermittlungswege“ sind solche, die aufgrund technischer Verfahren die Feststellung der Identität des Absenders und damit die Authentizität der Nachricht absichern. Die „sicheren Übermittlungswege“ sind in § 130 a IV ZPO bzw. § 46 c IV (abschließend) geregelt – hierzu zählt insbesondere das beA gem. § 130 a IV Nr. 2 ZPO. Neben den sicheren Übermittlungswegen als anderer zugelassener elektronischer Übermittlungsweg wird derzeit in § 4 I Nr. 2 ERVV nur das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) genannt.

§ 130 a III ZPO nennt die elektronischen Unterzeichnisformen „zugelassener Übermittlungsweg und qualifizierte elektronische Signatur“ (Absatz 3 Alt. 1) oder „sicherer Übermittlungsweg und einfache Signatur“ (Absatz 3 Alt. 2) gleichrangig nebeneinander. Ein Konkurrenzverhältnis ist im Gesetz nicht vorgesehen.

Wenn das BAG nun aber die der einfachen Signatur „widersprechende“ qualifizierte elektronische Signatur zur formgültigen Unterzeichnung ausreichen lässt, ist diese Rechtsauffassung systematisch durchaus schlüssig: Das beA ist nicht nur ein sicherer Übermittlungsweg im Sinne des Absatzes 4, der eigentlich eine einfache Signatur genügen lassen würde, sondern gem. § 4 I Nr. 1 ERVV auch ein zugelassener Übermittlungsweg im Sinne des Absatzes 3 Alt. 1 Deshalb genügt der qualifiziert elektronisch signierte Schriftsatz nach dem Wortlaut der Norm eindeutig den Formvoraussetzungen.

Siehe zu dieser Entscheidung im Detail: Müller, NZA 2019, 1682

Update – 15.2.2023

Das BayObLG (v. 19.01.2023 – 207 StRR 2/23) relativiert – im Gegensatz zum BAG  – das gleichberechtigte Nebeneinander von qualifizierter elektronischer Signatur und Übermittlung auf einem sicheren Übermittlungsweg. Es meint, die „Unterzeichnung“ des Schriftsatzes mit einfacher Signatur stelle die Verantwortungsübernahme dar. Da die qualifizierte elektronische Signatur aber von der verantwortenden Person stamme müsse, sei eine elektronische Einreichung ungültig, wenn einfache Signatur und qeS auseinanderfielen und kein sicherer Übermittlungsweg genutzt würde. Die Entscheidung des BayObLG überzeugt indes nicht, denn die Verantwortungsübernahme kann durchaus auch in der qeS gesehen werden. Das BayObLG übersieht, dass die Anbringung einer qeS sehr viel aufwendiger ist, als die Hinzufügung der einfachen Signatur. Es liegt deshalb näher in der qeS mindestens ebenfalls eine Verantwortungsübernahme zu erkennen

Siehe ferner auf ervjustiz.de:

 

Autor: Prof. Dr. Henning Müller

Direktor des Sozialgerichts