Zwangsvollstreckungsverfahren nach dem Justizbeitreibungsgesetz: Anlaufschwierigkeiten und eine Gesetzeslücke (?) im elektronischen Rechtsverkehr

Ein Gastbeitrag von OStA Matthias Kegel, Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg. *** Update am 20.06.2023 ***

Weitgehend unbemerkt und abseits der juristischen und praktischen Probleme des ERV in den Prozessordnungen stottert der elektronische Rechtsverkehr seit dem 1. Januar 2022 im Zwangsvollstreckungsverfahren nach dem Justizbeitreibungsgesetz (JBeitrG). Staatsanwaltschaften (§ 459 StPO), Gerichte, Gerichtskassen, weitere Justizbehörden und andere Behörden treiben Forderungen wie Geldstrafen, Geldbußen, Kosten, Ordnungs- und Zwangsgelder und weitere Ansprüche nach den Vorschriften des Justizbeitreibungsgesetzes ein. Hierzu erteilen sie den Gerichtsvollziehern gemäß §§ 6 (hier wird der Gerichtsvollzieher in Amtshilfe tätig) und 7 JBeitrG Vollstreckungsaufträge, die den vollstreckbaren Schuldtitel ersetzen.

Mit Beschluss vom 6. April 2023 – I ZB 84/22 – ist der BGH der hier vertretenen Auffassung beigetreten (Pressemitteilung, Entscheidung im Volltext).

Zunächst war unklar, ob insbesondere die Staatsanwaltschaften ihre Vollstreckungsaufträge im Rahmen der Geldstrafenvollstreckung an die Gerichtsvollzieherverteilerstellen seit dem 1.1.2022 elektronisch übermitteln müssen. Alle hierzu angerufenen Amts- und Landgerichte haben aber klargestellt, dass § 6 Absatz 1 JBeitrG und die sinngemäße Anwendung der dort genannten Vorschriften der ZPO auch für die Staatsanwaltschaften unmittelbar gelten (insbesondere §§ 753 Absatz 4 und 5 sowie 130a und 130d ZPO). Diese werden nicht durch die Spezialnorm des § 32b Absatz 3 Satz 1 StPO verdrängt. Näheres mit Zustimmung siehe Biallaß in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 2, 2. Aufl., § 130d ZPO (Stand: 07.09.2022) Rn 72 ff. Die Argumente der Gerichte findet hingegen D. Müller in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 2, 1. Aufl, § 753 ZPO (Stand: 07.07.2022) RN 22.7 wenig überzeugend.

Nachdem nun die Staatsanwaltschaften und die weiteren Behörden ihre Vollstreckungsaufträge mit einfacher Signatur auf dem sicheren Übermittlungsweg an die Gerichtsvollzieherverteilerstellen eingereicht hatten, erhielten sie teilweise die Aufforderung von Obergerichtsvollziehern, zusätzlich die Vollstreckungsaufträge im Original in Papierform unterschrieben und mit Dienstsiegel versehen nachzusenden. Amtsgerichte und ein Landgericht haben auf die Erinnerungen (§ 766 ZPO) und auf die sofortige Beschwerde die Forderungen der Gerichtsvollzieher bestätigt und begründeten dies im Wesentlichen mit einer Gesetzeslücke. Dass damit der Vereinfachungs- und Beschleunigungsgedanke des elektronischen Rechtsverkehrs ad absurdum geführt wird und praktische Probleme verbunden sind, haben die Gerichte durchaus gesehen und ausgeführt, es sei Aufgabe des Gesetzgebers, einen Gleichklang der Vorschriften zwischen Justizbeitreibungsgesetz und ZPO herzustellen (AG Essen, v. 2.8.2022 – 30 M 1054/22).

Darüber hinaus fordern vereinzelt Gerichtsvollzieher, dass die elektronischen Vollstreckungsaufträge unabhängig davon, ob sie auf einem sicheren Übermittlungsweg übersandt werden, mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sein müssen, was durch das AG Dorsten (v. 6.9.2022 – 16 M 361/22) bestätigt wurde.

Der Beitrag analysiert diese Gerichtsentscheidungen und geht der Frage nach, ob tatsächlich eine Gesetzeslücke vorhanden ist (Ziff. 1) und ob die Vollstreckungsaufträge mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen werden müssen (Ziff. 2). Im Anschluss folgen Anregungen, wie das Problem gelöst werden könnte (Ziff. 3).

  1. Übermittlung des Vollstreckungsauftrages in Papier parallel zum ERV

Nach dem AG Berlin-Kreuzberg (v. 10.5.2022 – 31 M 606/22) fehlt es an einer vergleichbaren Ausnahmevorschrift des § 754a ZPO für einen behördlichen Vollstreckungsauftrag. Danach ist unter bestimmten Voraussetzungen die Übergabe der vollstreckbaren Ausfertigung im Original entbehrlich und eine elektronische Einreichung unter Beachtung der weiteren Voraussetzungen möglich. Denn nach § 754 ZPO wird der Gerichtsvollzieher erst durch den Vollstreckungsauftrag und der Übergabe der vollstreckbaren Ausfertigung ermächtigt, Leistungen des Schuldners entgegenzunehmen. Dies ist bei der nun nach § 753 Abs. 4, 130a ff. ZPO möglichen und für eine Behörde nach § 130d ZPO verpflichtenden elektronischen Einreichung des Vollstreckungsauftrags grundsätzlich weiterhin erforderlich. Auch aus der Entscheidung des BGH (v. 18.12.2014 – I ZB 27/14) folgt nichts anderes.

Das LG Berlin (v. 7.7.2022 – 51 T 203/22) hält auf die sofortige Beschwerde am Ergebnis fest, dass auch im Hinblick auf die gemäß §§ 753 Abs. 4 und 5, 130a ff, 130d verpflichtende elektronische Einreichung des Vollstreckungsauftrages eine Einreichung des den Titel ersetzenden Vollstreckungsauftrages im Papierform weiterhin erforderlich ist. Das ergäbe sich aber im Gegensatz zur Vorinstanz nicht aus § 754 ZPO, „denn ein Verweis auf § 754 ZPO findet sich in § 6 Abs. 1 Nr. 1 JBeitrG nicht.“ Allerdings sind nach der Entscheidung des BGH (v. 18.12.2014 – I ZB 27/14) an den Vollstreckungsauftrag, der gemäß § 7 Satz 2 JBeitrG die nach § 754 ZPO grundsätzlich erforderliche Übergabe der vollstreckbaren Ausfertigung des Schuldtitels an das Vollstreckungsorgan ersetzt, hohe Anforderungen zu stellen. Da dieser Antrag alleinige Voraussetzung für die Anordnung von staatlichem Zwang bis hin zur Freiheitsentziehung und damit einzige Urkunde ist, die der Gerichtsvollzieher erhält, dürfen keine Zweifel an der Echtheit bestehen. Der unterschriebene Vollstreckungsauftrag ist daher schriftlich zu stellen und mit einem Dienstsiegel zu versehen. Nur hierdurch ist gewährleistet, dass aus dem Schriftstück die Person erkennbar wird, die für seinen Inhalt die Verantwortung übernimmt. Eine entsprechende Prüfung ist durch den Gerichtsvollzieher nur dann möglich, wenn er das Original des Vollstreckungsauftrages in den Händen hält.

Auch wenn der Vollstreckungsauftrag auf einem sicheren Übermittlungsweg an den Gerichtsvollzieher übermittelt wird und insoweit eine eindeutige Identifizierung möglich ist, rechtfertigt dies keine Ausnahme. Durch § 753 Abs. 4 und 5, 130 ff ZPO sollte keine Vereinfachung des Zwangsvollstreckungsverfahrens erreicht werden. Vielmehr wollte der Gesetzgeber eine weitere Öffnung der Justiz für elektronische Eingänge vorantreiben und entsprechende Rahmenbedingungen schaffen. (BT-Drs. 17/12634, 20). Dies werde auch durch § 754a ZPO gestützt. Denn mit der Bestimmung des § 754a ZPO wollte der Gesetzgeber nur eine Vereinfachung und Beschleunigung des Zwangsvollstreckungsverfahrens erreichen, soweit die Vollstreckung von Geldforderungen durch den Gerichtsvollzieher auf der Grundlage von Vollstreckungsbescheiden betroffen ist. Der Gesetzgeber ist von einer beschränkten Regelung ausgegangen (BT-Drs. 18/7560, S. 35) und hat insoweit das elektronische Antragsverfahren wegen der bei einem elektronischen Dokument eingeschränkten Prüfungsmöglichkeit hinsichtlich der Vollstreckungsvoraussetzungen ausschließlich auf bestimmte Fälle beschränkt (BT-Dr. 16/10069 S. 34 zu § 829a ZPO). Für den Vollstreckungsauftrag der Gläubigerin kann dies mithin nicht gelten. Weder das JBeitrG noch die ZPO bietet hierfür bislang eine Grundlage.

Dem AG Essen (v. 2.8.2022 – 30 M 1054/22) fehlt eine entsprechende Regelung von §§ 754a, 829a ZPO im JBeitrG, denn nur unter diesen Voraussetzungen hat der Gesetzgeber geregelt, dass die elektronische Übermittlung einer Urkundenvorlage gleichsteht. Für alle anderen Fälle ist der Antrag zusätzlich mit Unterschrift (oder Beglaubigungsvermerk versehen) und Dienstsiegel dem Gerichtsvollzieher in Papierform vorzulegen. Diese Pflicht wird auch im Fall einer Übermittlung mit qualifizierter elektronischer Signatur nicht ersetzt.

Nach dem AG Limburg (v. 17.08.2022 – 8 M 171/22) müssen mit Ausnahme der Vollstreckungsbescheide (§ 754a ZPO) die Schuldtitel in der gesetzlichen Form vorgelegt werden; dies bedeutet, dass der Vollstreckungsauftrag einerseits gemäß §§ 753 Abs. 5 i. V. m. 130d ZPO elektronisch eingereicht werden muss, andererseits auch in Papierform – entsprechend der Entscheidung des BGH (v. 18.12.2014 – I ZB 27/14) vorzulegen ist.

Das AG Bonn (v. 25.7.2022 – 22 M 1338/22) interpretiert die oben zitierte BGH-Entscheidung im Lichte der Regelungen des elektronischen Rechtsverkehrs zu den vorgenannten Gerichten ganz anders. Im Ergebnis sei eine Übermittlung des Vollstreckungsauftrages in Papierform nicht erforderlich:

„Jene Rechtsprechung dürfte auf die zwingend durchzuführende elektronische Übermittlung von Vollstreckungsaufträgen an den Gerichtsvollzieher gemäß §§ 6 Abs. 1 Nr. 1 JBeitrG, 753 Abs. 4, 5, 130a, 130d ZPO jedoch nicht mehr anzuwenden sein. Der Gesetzgeber hat sich durch die Einführung der Vorschriften der §§ 130a, 130d ZPO gerade dafür entschieden, dass Authentizität und Integrität nunmehr dadurch gesichert werden, dass der Vollstreckungsauftrag entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur oder mit einer einfachen Signatur jedoch auf einem sicheren Übermittlungsweg übertragen wird, § 130a Abs. 3 ZPO (vgl. auch BeckOK-Kostenrecht/Berendt/Rieder JBeitrG § 7 Rn. 9, 9a). Durch die Konzeption des § 130a Abs. 3 S. 1 ZPO wurde die Einreichung auf einem sicheren Übermittlungsweg mit einfacher maschineller Signatur im Hinblick auf den Sinn und Zweck von Formvorschriften der qualifiziert elektronischen Signatur qualitativ gleichgesetzt.“

Anmerkung

In der Tat sah der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 655/2014 sowie zur Änderung sonstiger zivilprozessualer Vorschriften (EuKoPfVODG) (BT-Drs. 18/7560) nur eine Vereinfachung und Beschleunigung in der Zwangsvollstreckung im § 753 und in dem neu eingefügten § 754a ZPO im elektronischen Rechtsverkehr vor. Hierbei hatte die Bundesregierung noch nicht die Zwangsvollstreckung nach dem Justizbeitreibungsgesetz im Blick (damals noch Justizbeitreibungsordnung) und ging insofern von einer beschränkten Regelung aus (BT-Drs. 18/7560, S. 35). Das LG Berlin, welches hierauf Bezug nahm, hat jedoch das weitere Gesetzgebungsverfahren außer Acht gelassen. Denn erst im Rechtsausschuss wurde mit Artikel 14 Nummer 3 und 4 in § 6 Abs. 1 JBeitrG die Angabe „753 Absatz 4“ eingeführt, die mit Wirkung zum 1.1.2018 durch die Wörter „753 Absatz 4 und 5“ ersetzt werden sollte (BT-Drs. 18/ 9698, S. 7). Diese Ergänzung wurde wie folgt begründet:

„Hiermit wird sichergestellt, dass auch soweit Gerichtsvollzieher Vollstreckungsaufträge nach der Justizbeitreibungsordnung unmittelbar entgegennehmen, die neu eingeführten Regeln über den elektronischen Rechtsverkehr mit den Gerichtsvollziehern greifen. Die rechtliche Fortentwicklung des elektronischen Rechtsverkehrs wird auf das Justizbeitreibungsverfahren erstreckt, das somit, wie bisher, eng an die entsprechenden Regelungen zum zivilprozessualen Zwangsvollstreckungsverfahren angekoppelt bleibt. Eine Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs im Justizbeitreibungswesen ist in der Sache von erheblicher praktischer Bedeutung, weil ein Großteil der nach der Justizbeitreibungsordnung abzuwickelnden Verfahren Massenverfahren sind, bei denen die entsprechenden Vollstreckungsbehörden durch elektronische Einreichung ihrer Vollstreckungsaufträge eine Verwaltungsvereinfachung erzielen können.“ (BT-Drs. 18/ 9698, S. 25).

Auch war sich der Gesetzgeber beim Verweis auf § 130a ZPO der weitreichenden Änderung infolge des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. 10. 2013 (BGBl. I S. 3786) zum 1. 1. 2018 bewusst (BT-Drs. 18/7560, S. 47), wonach nach § 130a Abs. 3 ZPO das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden muss.

Es lässt sich also festhalten: Der Gesetzgeber hat mit der verpflichtenden elektronischen Übermittlung des Vollstreckungsauftrages an den Gerichtsvollzieher und der dabei gemäß §§ 6 Abs. 1 Nr 1 JBeitrG, 753 Abs. 4, 5 ZPO einzuhaltenden Vorschriften der §§ 130a, 130d ZPO eine vergleichbare Vereinfachung im Justizbeitreibungsgesetzt wie in § 754a ZPO getroffen.

Gesetzestechnisch muss man zudem beachten, dass die Beitreibung der in § 1 JBeitrG genannten Forderungen nicht unmittelbar nach der ZPO, sondern nach dem JBeitrG erfolgt. Transmissionsriemen zur Zivilprozessordnung ist § 6 Abs. 1 JBeitrG, der für die Durchführung der Vollstreckung die sinngemäße Anwendung bestimmter Vollstreckungsnormen der ZPO anordnet (BeckOK KostR/Berendt/Rieder, 38. Ed. 1.7.2022, JBeitrG § 1 Rn. 3).

Die Entscheidung des BGH (v. 18.12.2014 – I ZB 27/14) muss im Lichte der späteren Gesetzesänderung des JBeitrG betrachtet werden. Die zentrale Aussage, dass keine Zweifel an der Echtheit bestehen dürfen, wird durch die Übertragung auf einem sicheren Übermittlungsweg sichergestellt, da hierbei die Behörden einen vertrauenswürdigen Herkunftsnachweis (VHN) in Form einer fortgeschrittenen Signatur beifügen. Sichtbar wird das beim Empfänger im Prüfvermerk aufgrund des Vermerks „Diese Nachricht wurde von der Justiz versandt.“ Damit wird die Authentizität und Integrität sichergestellt.

  1. Qualifizierte elektronische Signatur des Vollstreckungsauftrages

Nach dem AG Dorsten (v. 6.9.2022 – 16 M 361/22) müssen titelersetzende Zwangsvollstreckungsanträge auch dann mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen werden, wenn sie über einen sicheren Übermittlungsweg übersandt werden.

Zur Begründung führt es aus:

Nach der Entscheidung des BGH (v. 18.12.2014 – I ZB 27/14) ist ein unterschriebener und mit einem Dienstsiegel versehener Vollstreckungsbescheid erforderlich. Nur dadurch wird gewährleistet, dass aus dem Schriftstück die Person erkennbar wird, die für seinen Inhalt die Verantwortung übernimmt. Denn der Zwangsvollstreckungsantrag ist Voraussetzung für die Anordnung von staatlichem Zwang bis hin zu einer Freiheitsentziehung (§ 802g Abs. 1 Satz 1 ZPO) und damit die einzige Urkunde, die der Gerichtsvollzieher und das Vollstreckungsgericht vom Gläubiger erhalten, daher dürfen keine Zweifel an seiner Echtheit bestehen. Ein lediglich maschinell erstellter und nicht unterschriebener Antrag kann dies nicht sicherstellen. Die Gleichstellung von qualifiziert elektronischer Signatur und sicherem Übermittlungsweg hat der Gesetzgeber ausdrücklich nur im Regelungsbereich formell ordnungsgemäßer Antragseinreichung vorgenommen, d.h. im Zusammenhang mit der Frage, ob ein Dokument überhaupt wirksam bei Gericht eingereicht wurde. Die Frage, wie in materiellrechtlicher Hinsicht zum Zwecke der Schaffung eines besonderen materiellrechtlichen Vertrauenstatbestandes die bisherige Unterschrift mit Dienstsiegel ersetzt wird, wird hierdurch gerade nicht geregelt. So wird bei der materiellrechtlichen Regelung in § 126a BGB die Schriftform im elektronischen Rechtsverkehr durch Hinzufügen des Namens und Anbringen einer qualifiziert elektronischen Signatur ersetzt. Aufgrund der qualifiziert elektronischen Signatur ist das Dokument in gleicher Weise wie bei der Unterschrift technisch sicher auf genau eine natürliche Person rückführbar (Identitäts- bzw. Authentizitätsfunktion). Bei der bloßen Nutzung eines sicheren Übermittlungsweges wie des beBPo ist gerade dies nicht der Fall: Zwar kann das beBPo nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens (§ 7 ERVV) ebenfalls nur unter Verwendung eines Zertifikats und Zertifikatspasswortes genutzt werden (§ 8 Abs. 2 ERVV), dieses ist jedoch ausschließlich behörden- und nicht personengebunden, d.h. es gibt ein Zertifikat und ein Passwort für die gesamte Behörde, auf das alle von der Behörde bestimmten Mitarbeiter gleichermaßen Zugriff haben. Die Zuordnung zu einer speziellen natürlichen Person ist damit technisch sicher gerade nicht möglich, da jede berechtigte Person irgendeinen Namen bzw. eine eingescannte Unterschrift (und auch ein eingescanntes schriftliches Siegel) auf das Dokument zu setzen und dieses zu versenden imstande ist.

Das AG Steinfurt (v. 21.6.2022 – 36 M 322/22) wies hingegen die Forderung des Obergerichtsvollziehers zurück, dass die Schriftform des elektronisch eingereichten Vollstreckungsauftrages gemäß § 126a BGB nur gewahrt wird, wenn das elektronische Dokument mit einer qualifiziert elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sei, da für eine formwirksame Erteilung des Auftrags der sichere Übermittlungsweg hierbei keine Rolle spiele:

„Bei der Übermittlung eines Schriftstücks über ein beBPo ist eine qualifizierte elektronische Signatur nicht erforderlich. Der wesentliche Unterschied zwischen beA/beN einerseits und beBPo andererseits liegt darin, dass das beBPo nicht mit einer natürlichen Person verknüpft ist, sondern mit der Behörde als Postfachinhaber (H. Müller in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 2, 1. Aufl., § 130 a ZPO 1. Überarbeitung (Stand: 13.06.2022), Rn. 217). Abweichend zum beA lässt es die von § 130 a Abs. 4 Nr. 3 ZPO in Bezug genommene ERVV in § 8 ERVV ausdrücklich zu, dass die Postfachinhaber, nämlich Behörden sowie juristische Personen des öffentlichen Rechts (§ 6 Abs. 1 ERVV), natürlichen Personen Zugang zu ihrem einheitlichen besonderen elektronischen Behördenpostfach ermöglichen, und regelt die dabei zu beachtenden Anforderungen (H. Müller in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 2, 1. Aufl., § 130 a ZPO 1. Überarbeitung (Stand: 13.06.2022), Rn. 222). Eine dem § 23 Abs. 3 Satz 5 RAVPV entsprechende Regelung findet sich in der ERVV nicht. Da die Postfachinhaber nur durch natürliche Personen handeln können, liefe die Privilegierung des § 130 a Abs. 4 Nr. 3 ZPO andernfalls auch leer (H. Müller in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 2, 1. Aufl., § 130 a ZPO 1. Überarbeitung (Stand: 13.06.2022), Rn. 222).

Einer qualifizierten elektronischen Signatur bedarf es daher bei Übermittlungen aus einem beBPo grundsätzlich nicht (H. Müller in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 2, 1. Aufl., § 130 a ZPO 1. Überarbeitung (Stand: 13.06.2022), Rn. 224). Einer qualifizierten elektronischen Signatur bedarf es im Falle der Übermittlung von elektronischen Dokumenten zwischen dem besonderen elektronischen Behördenpostfach (beBPo) und dem elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) nicht; vielmehr genügt es, wenn das Dokument lediglich den Namen des Urhebers oder dessen eingescannte Unterschrift am Textende wiedergibt (Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 4. März 2019 – A 3 S 2890/18 -, juris). Diesen Anforderungen genügt der verfahrensgegenständliche Vollstreckungsauftrag.“

Anmerkung

Ergänzend zum AG Dorsten sei angemerkt, dass weder § 7 JBeitrG noch § 802g Abs. 1 ZPO die Schriftform verlangen. Damit liegen die gesetzlichen Voraussetzungen von § 126a BGB nicht vor. Auch aus der Entscheidung des BGH (v. 18.12.2014 – I ZB 27/14) lässt sich nichts anderes entnehmen. Danach muss aus dem Vollstreckungsauftrag nur die Person erkennbar sein, die für den Inhalt die Verantwortung übernimmt. In Papierform genügt die Wiedergabe des Namens des Verfassers in Maschinenschrift, wenn er mit einem Beglaubigungsvermerk versehen ist. Diesen Anforderungen wird ein mit einfacher Signatur und über den sicheren Übermittlungsweg eingereichter Vollstreckungsauftrag nach den Ausführungen des AG Steinfurt gerecht.

  1. Praxishinweis

Von der Entscheidung der vorgenannten Gerichte sind nicht nur die örtlichen Staatsanwaltschaften bzw. andere Behörden betroffen. Denn die Wirkung der Entscheidung reicht weit darüber hinaus, wenn die Zwangsvollstreckung aus einem anderen Gerichtsbezirk im Zuständigkeitsbereich der Gerichte betrieben wird, die einen Vollstreckungsauftrag in Papierform oder eine qualifizierte Signatur fordern, wenn der Schuldner dort seinen Wohnsitz hat.

Um den unhaltbaren Zustand zu beseitigen, empfiehlt sich ein zweistufiges Verfahren:

Fordern Obergerichtsvollzieher bei Vollstreckungsaufträgen erneut, diese zusätzlich in Papierform unterschrieben und gesiegelt zu übersenden oder mit einer elektronischen Signatur zu versehen, sollten die Behörden Rechtsmittel (Erinnerung und ggf. sofortige Beschwerde) einlegen. Vielleicht können die Gerichte mit den hier genannten Argumenten zu einer Abkehr ihrer bisherigen Rechtsauffassung bewegt werden. Andernfalls soll, sofern vom Landgericht zugelassen, Rechtsbeschwerde beim BGH erhoben werden, um eine bundesweit einheitliche Rechtsprechung zu erzielen.

Sollte hingegen der BGH die Forderungen bestätigen, dann wäre der Gesetzgeber gefordert, klarstellende Regelungen zu treffen.

*** Update (13.11.2022) ***

Drei weitere Amtsgerichte in Berlin haben in ihren Entscheidungen rechtlich unterschiedliche Positionen eingenommen, ob der Vollstreckungsauftrag nach 7 JBeitrG zusätzlich zur elektronischen Übermittlung unterschrieben und mit einem Dienstsiegel versehen nachgesandt werden muss bzw. ob der Vollstreckungsauftrag mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen ist.

Das AG Berlin-Wedding (v. 18.10.2022 – 33 M 1616/22) folgt aus den Gründen der landgerichtlichen Entscheidung nicht der Argumentation der Gläubigerin, als Vollstreckungsbehörde sei ihr Vollstreckungsauftrag allein elektronisch zu übermitteln und ersetze auch die grundsätzlich erforderliche Übergabe der vollstreckbaren Ausfertigung des Titels an das Vollstreckungsorgan. Denn mit Ausnahme der Vollstreckungsbescheide (§ 754a ZPO) müssen die Schuldtitel in gesetzlicher Form vorgelegt werden; dies bedeutet, dass der Vollstreckungsauftrag einerseits gemäß §§ 753 Abs. 5 i. V. m. § 130d ZPO elektronisch eingereicht werden muss, andererseits auch in Papierform vorzulegen ist – AG Limburg (v. 17.08.2022 – 8 M 171/22) -.

Das AG Berlin-Lichtenberg (v. 16.9.2022 – 35 B M 1054/22) gelangt zu einer anderen rechtlichen Bewertung als das LG Berlin und argumentiert gegen dessen zentrale Argumentation einer fehlenden vergleichbaren Regelung von § 754a ZPO im JBeitrG.

Es wies den Obergerichtsvollzieher an, von seinen bisherigen Bedenken gegen die Ausführung des Vollstreckungsauftrages des Bundesamtes für Justiz zur Abnahme der Vermögensauskunft nach § 7 JBeitrG abzusehen. Er hatte das Original des Vollstreckungsauftrages angefordert und die Fortsetzung der Zwangsvollstreckung unter Bezugnahme auf den Beschluss des Landgerichts Berlin abgelehnt. Denn der Nachsendung eines Originals in Papierform bedurfte es nicht, da es sich gerade nicht um den Vollstreckungstitel selbst handelt. Denn nach § 7 Satz 2 JBeitrG ersetzt der Vollstreckungsantrag die sonst nach § 754 ZPO erforderliche Übergabe der vollstreckbaren Ausfertigung. Es kommt daher nicht darauf an, dass die Regelung des § 754a ZPO auf Vollstreckungsbescheide begrenzt ist, da der Gläubiger im hiesigen Vollstreckungsverfahren ohnehin keinen Vollstreckungstitel einreichen und dessen Zustellung nachweisen muss.

Allerdings muss – quasi als Ausgleich für den fehlenden Titel – sichergestellt sein, dass der Vollstreckungsauftrag auch wirklich von der Vollstreckungsbehörde stammt. Daher forderte die Rechtsprechung einen unterschriebenen und mit einem Dienstsiegel versehenen Vollstreckungsauftrag. Die Wiedergabe des Namens des Verfassers in Maschinenschrift genügte nur dann, wenn dies mit einem Beglaubigungsvermerk versehen war. Für die Beauftragung des Gerichtsvollziehers dürfte diese Rechtsprechung – die eine Übermittlung in Papierform voraussetzt – überholt sein, da diese jetzt elektronisch erfolgt. Authentizität und Integrität werden nunmehr dadurch gesichert, dass der Vollstreckungsauftrag entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur oder mit einer einfachen Signatur, jedoch auf einem sicheren Übermittlungsweg übertragen wird (BeckOK KostR/Berendt/Rieder, 38. Ed. 1.7.2022, JBeitrG § 7 Rn. 9-9a). Da hier der Vollstreckungsantrag den Titel ersetzt, sind (lediglich) die Formvorschriften für den Vollstreckungsantrag zu prüfen, dieser ist ordnungsgemäß mit den erforderlichen Erklärungen und der Angabe der Person, die den Antrag verantwortet, auf einem sicheren Übertragungswege eingegangen.

Das AG Berlin-Schöneberg (v. 17.10.2022 – 32 M 1208/22) folgt ebenso nicht dem LG Berlin soweit gefordert wird, dass ein handschriftlich unterschriebener und mit Dienstsiegel versehener Vollstreckungsauftrag einzureichen ist, um dem Erfordernis des § 7 S.2 JBeitrG Rechnung zu tragen, da diese Auffassung der Bedeutung des § 130d ZPO nicht hinreichend Rechnung trägt.

Vollstreckungsaufträge können auch auf elektronischem Wege eingereichte Dokumente sein, gleichwohl sie dadurch als Vollstreckungstitel erst entstehen. Maßgebend kann dabei nur sein, dass bei dem elektronisch eingereichten Auftrag kein Zweifel an seiner Echtheit besteht und darüber hinaus gewährleistet wird, dass aus dem Schriftstück die Person erkennbar wird, die für seinen Inhalt die Verantwortung übernimmt, vgl. BGH (v. 18.12.2014 – I ZB 27/14) Rn.16. Die elektronische Übersendung dieses Auftrages war für die Gläubigerin nicht nur möglich, sondern zwingend vorgeschrieben, § 130d ZPO. Gleichermaßen ergibt sich aus § 6 Abs. 3 S.3 JBeitrG und § 6 Abs. 1 Nr.1 JBeitrG i. V. m. § 753 Abs. 4 und 5 ZPO, dass die Übersendung eines Vollstreckungsauftrages als qualifiziertes elektronisches Dokument geeignet ist, einen Vollstreckungsauftrag im Sinne des § 7 JBeitrG darzustellen, wenn wie hier:

  • eine qualifizierte elektronische Signatur vorliegt,
  • eine Nutzer ID des Absenders auf eine namentlich bezeichnete Person verweist, die auf dem Vollstreckungsauftrag selbst vermerkt ist,
  • ein Dienstsiegel auf dem Vollstreckungsauftrag vorliegt und
  • das Prüfergebnis hinsichtlich Gültigkeit und Integrität positiv ausfällt.

Das AG Berlin-Schöneberg verweist ausdrücklich über § 6 Abs. 1 Nr. 1 JBeitrG auf § 753 Abs. 4 ZPO, wonach für die Authentizität und Integrität des elektronischen Vollstreckungsauftrags § 130a Abs. 3 ZPO entsprechend gilt. Danach muss dieser mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Bei den weiteren rechtlichen Ausführungen beachtet das AG Berlin-Schöneberg jedoch diese Vorschrift nicht weiter. Stattdessen zieht es aus der BGH-Entscheidung, die eine Übermittlung in Papier voraussetzt, selbständig Schlüsse, wie Authentizität und Integrität nunmehr bei Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewährleistet werden, nämlich ausschließlich über die qualifiziert elektronische Signatur. Der Gesetzgeber hatte das Problem der Übernahme der Verantwortung bei Übermittlung über den sicheren Übermittlungsweg erkannt: Die verantwortende Person muss, wenn sie den sicheren Übermittlungsweg nach Absatz 4 wählt, das elektronische Dokument zum Abschluss signieren und damit zu erkennen geben, die inhaltliche Verantwortung für das Dokument übernehmen zu wollen. (BT-Drs. 17/12634, 25). Dem war sich der Gesetzgeber – wie oben ausgeführt – auch bei der rechtlichen Fortentwicklung des elektronischen Rechtsverkehrs auf das Justizbeitreibungsverfahren bewusst.