Die enveloping Signatur spielt in der „freien Wildbahn“ kaum eine Rolle. Sie wird praktisch nie verwendet. Nun hat sie es aber dennoch zum BGH 15.5.2024 (VIII ZR 52/23) gebracht, der sich zu einer mit ihr signierten Berufungsschrift zu äußern hatte. Zur Überraschung der Fachwelt hält der BGH die Berufungsschrift für prozessual wirksam. Könne das Gericht mit dem Dokument tatsächlich arbeiten, sei der Ausschluss in § 5 I Nr. 5 ERVV, Nr. 5 2. ERVB 2022 unverhältnismäßig.
Kategorie: Rechtsprechung
aktuelle Rechtsprechung zum ERV
BGH zum Auseinanderfallen von qeS und einfacher Signatur
Zu Fällen in denen die einfache Signatur und die qualifizierte elektronische Signatur sich auf unterschiedliche Personen bezogen, hatten sich zuvor schon das BAG und das BayObLG positioniert – und waren unterschiedlicher Meinung. Nun hat auch der BGH (v. 28.2.2024 – IX ZB 30/23) hierzu entschieden. Dahinter steckt die dogmatische Frage, ob die alternativen Formen des § 130a Abs. 3 ZPO gleichberechtigt nebeneinander stehen. Der BGH hat sich auf die Seite des BAG geschlagen.
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BGH: Nur auf Senden klicken genügt nicht
Zur anwaltlichen Sorgfaltspflicht in der Postausgangskontrolle gibt es eigentlich schon genügend Rechtsprechung. Trotzdem braucht es den BGH (v. 4.7.2023 – 5 StR 145/23), um klarzustellen, dass es gerade nicht genügt, nur auf Senden zu klicken. Der Absendende muss schon auch sicher gehen, dass der Sendevorgang auch erfolgreich war.
BGH: Für die Zustellung gegen EB kommt es auf das EB an
Der BGH (v. 17.1.2024 – VII ZB 22/23) musste sich einmal mehr mit der Zustellung gegen Empfangsbekenntnis im elektronischen Rechtsverkehr beschäftigen. Es war klarzustellen, dass maßgeblich nicht die Rücksendung des EB ist, sondern das Datum, das in ihm eingetragen ist. Für diese Selbstverständlichkeit des Zustellungsrechts, braucht der BGH richtigerweise nicht viele Worte. Für Zustellungsempfänger ist die Entscheidung aber ein (erneuter) Hinweis darauf, sorgfältig die Postausgangs- und Fristkontrolle zu organisieren.
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BVerwG: Entwurf bleibt Entwurf, trotz qeS
Wird bloß ein Entwurf übermittelt, wird die prozessuale Form hierdurch nicht gewahrt. Was allerdings Entwurf ist und was schon ein rechtsverbindlicher Schriftsatz, ist durch Auslegung und durch die Umstände zu ermitteln. Immerhin das BVerwG musste darüber entscheiden, ob eine qualifizierte elektronische Signatur genügt, um ein explizit und besonders großflächig als Entwurf gekennzeichnetes Dokument zur Formwahrung genügen zu lassen (BVerwG v. 21.12.2023 – 2 B 2.23).
LG Gießen: Elektronische Zustellung auch ohne EB?
Fehlt es an den Voraussetzungen einer wirksamen Zustellung nach § 173 ZPO gilt ein Schriftstück nach § 189 ZPO als zugestellt, wenn (1.) das Schriftstück so in den Machtbereich des Adressaten gelangt, dass er es behalten kann und Gelegenheit zur Kenntnisnahme von dessen Inhalt hat; (2.) Zustellungswille gegeben ist, das heißt eine formgerechte Zustellung vom Gericht wenigstens angestrebt worden ist; sowie (3.) zumindest konkludent ein Empfangswille dokumentiert ist. Das Schriftstück gilt dann nach § 189 ZPO an dem Tag als zugestellt, an dem die vorbenannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hiervon sei im Falle der elektronischen Zustellung, sofern keine technischen Probleme bestehen, zuverlässig innerhalb weniger Minuten auszugehen – meint jedenfalls das LG Gießen (v. 1.12.2023 – 9 O 67/22) und schießt damit über das Ziel hinaus.
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BSG zur anwaltlichen Sorgfalt bei der Kanzleiorganisation
Ein Rechtsanwalt trägt die Verantwortung dafür, dass eine fristwahrende Prozesshandlung vor dem zuständigen Gericht vorgenommen wird, im elektronischen Rechtsverkehr also an das richtige Gericht adressiert wird.
Ein Beteiligter darf zwar darauf vertrauen, dass ein Schriftsatz im ordentlichen Geschäftsgang vom unzuständigen an das zuständige Gericht weitergeleitet wird. Eine generelle Fürsorgepflicht des unzuständigen Gerichts, durch Hinweis oder andere Maßnahmen ein Fristversäumnis zu verhindern, bestehe jedoch nicht. Das hat das BSG mit Beschluss vom 5.10.2023 – B 5 R 61/23 B (veröffentlicht kostenpflichtig bei Juris) nochmals klargestellt.
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BGH zu PIN-Weitergabe und Dateinamen beim beA
Zu den „sprechenden Dateinamen“ hatte sich der BGH schon in der Vergangenheit – viel kritisiert – positioniert. An seinen strengen Anforderungen hält er fest. In dem Verfahren vom 31.8.2023 – VIa ZB 24/22 kam auch noch ein Verstoß gegen § 26 Abs. 1 RAVPV hinzu; in der einreichenden Kanzlei hatte der Berufsträger die beA-Karte und die PIN an seine Mitarbeitenden weitergegeben. Erwartbar wenig Milde ließ der Senat erkennen: Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gibt es hier nicht.
BFH: Anwaltliche Sorgfalt auch auf Behörden anwendbar
Dieselben Anforderungen, die an die anwaltliche Sorgfalt zu stellen sind, sind auch an die Behördenorganisation zu stellen. Dies stellt der BFH in einer Entscheidung fest (BFH v. 24.05.2023 – XI R 34/21).
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BGH konkretisiert Pflichten zur anwaltlichen Kanzleiorganisation
Sowohl im Rahmen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, als auch bei der Ersatzeinreichung gem. § 130d ZPO kann es auf eine sorgfältige Kanzleiorganisation in Bezug auf Postausgänge des elektronischen Rechtsverkehrs ankommen. Einmal mehr hat der BGH (v. 8. September 2023 – IV ZB 4/23) die hieran zu stellenden Anforderungen konkretisiert.
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