BFH: Aktive Nutzungspflicht für Steuerberater bestand seit 1.1.2023

Wahrscheinlich eine bittere Entscheidung für einige Steuerberaterinnen und Steuerberater hat der BFH am 28.4.2023 (XI B 101/22) getroffen. Die aktive Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs gem. § 52d FGO mit dem besonderen elektronischen Steuerberaterpostfach (beSt) bestand für sie bereits zum 1.1.2023. In der Rechtsprechung und Literatur war dies bisher umstritten, weil die Registrierungsbriefe teilweise deutlich später versandt wurden.

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Bayerisches LSG: Ein Stempel macht noch keinen Eingang

§ 130a Abs. 5 S. 1 ZPO (= § 65a Abs. 5 S. 1 SGG) ist eindeutig: Es kommt auf den elektronischen Eingang „auf der Empfangseinrichtung des Gerichts an“. Ob das Gericht auch einen Eingangsstempel angebracht hat, ist dagegen unerheblich. Das gilt erst Recht, wenn der Stempel das falsche Datum ausweist. Mit einem solchen Fall musste sich das Bayerische LSG (v. 30.3.2023 – L 4 P 76/22) beschäftigen und wies auf die Berufung das Verfahren zur erneuten Entscheidung in die ersten Instanz zurück

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Darlegungslast für Scankonzept liegt bei der Behörde

Führt die Behörde ihre Akten ganz oder teilweise elektronisch, legt sie selbst erstellte oder elektronisch eingesandte Dokumente (rechtssicher) ab. Eingehende Papierdokumente müssen dann eingescannt werden. Im Rahmen rechtlicher Streitigkeiten dienen diese Dokumente dann dem Beweis der tatsächlichen Vorgänge. Hierzu legt die Behörde ihre Behördenakte dem Gericht vor. Der Scanvorgang ist bei (noch) vorherrschender Papierkorrespondenz im Umfeld elektronischer Akten allerdings ein organisatorisches Nadelöhr und hat auch im Hinblick auf den Beweiswert des Scanergebnisses technisch-organisatorisch hohen Anforderungen zu genügen. Hinsichtlich der Akten des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) war es am VG Karlsruhe (v. 21.2.2023 – A 19 K 304/23), zu bestimmen, ob das dort eingesetzte Scanverfahren ausreicht, um den Beweiswert des digitalisierten Papieroriginals zu erhalten.

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BGH vs. BAG: ERV-Einreichung in Word möglich?

In einem Urteil vom 4. September 2020 – 1 S 29/20 hat das LG Mannheim großzügig auch die Einreichung einer .docx – Datei, anstelle der eigentlich von § 2 Abs. 1 ERVV geforderten PDF, akzeptiert. Diese Entscheidung blieb ein Einzelfall. Insbesondere das BAG dominierte die Rechtsprechung zu Formfragen seitdem und forderte jedenfalls das Dateiformat PDF stets (BAG, Urteil vom 25.8.2022 – 6 AZR 499/21), nur in anderen Formfragen zeigte sich auch das BAG flexibel und folgte insoweit dem OLG Koblenz. Überraschend hat nun der BGH mit Beschluss vom 19.10.2022 – 1 StR 262/22 – entschieden und folgt dem LG Mannheim.

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Keine qeS macht den ERV nicht technisch unmöglich

Die Rechtsprechung muss sich immer häufiger mit Fragen bei Problemen mit der aktiven Nutzungspflicht beschäftigen. Insbesondere die Voraussetzungen der Ersatzeinreichung stehen dann im Streit. Das OLG Düsseldorf (v. 23.03.2022 – 12 U 61/21) hatte sich zu einem Fall zu äußern, bei dem einer Rechtsanwältin die Signaturkarte gestohlen worden war. Eine Möglichkeit der Ersatzeinreichung sieht das OLG in diesem Fall nicht – zu Recht!

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BGH zum Zeitpunkt des Zugangs elektronischer Nachrichten

Der Zugang elektronischer Nachrichten richtet sich zunächst nach den allgemeinen Zugangsvoraussetzungen „unter Abwesenden“, geregelt in § 130 Abs. 1 BGB. Entscheidend ist also, dass sie so in den Bereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Der BGH hat diesen Zeitpunkt nun für eine geschäftliche E-Mail näher eingekreist (BGH v. 6.10.2022 – VII ZR 895/21).

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Zwangsvollstreckungsverfahren nach dem Justizbeitreibungsgesetz: Anlaufschwierigkeiten und eine Gesetzeslücke (?) im elektronischen Rechtsverkehr

Ein Gastbeitrag von OStA Matthias Kegel, Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg. *** Update am 13.11.2022 ***

Weitgehend unbemerkt und abseits der juristischen und praktischen Probleme des ERV in den Prozessordnungen stottert der elektronische Rechtsverkehr seit dem 1. Januar 2022 im Zwangsvollstreckungsverfahren nach dem Justizbeitreibungsgesetz (JBeitrG). Staatsanwaltschaften (§ 459 StPO), Gerichte, Gerichtskassen, weitere Justizbehörden und andere Behörden treiben Forderungen wie Geldstrafen, Geldbußen, Kosten, Ordnungs- und Zwangsgelder und weitere Ansprüche nach den Vorschriften des Justizbeitreibungsgesetzes ein. Hierzu erteilen sie den Gerichtsvollziehern gemäß §§ 6 (hier wird der Gerichtsvollzieher in Amtshilfe tätig) und 7 JBeitrG Vollstreckungsaufträge, die den vollstreckbaren Schuldtitel ersetzen.

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Ersatzeinreichung – Vorübergehende Unmöglichkeit ist darzulegen

Die Ersatzeinreichungsmöglichkeit bei vorübergehender Unmöglichkeit der elektronischen Übermittlung gem. § 130d ZPO erlaubt ausnahmsweise die Übersendung eines Schriftsatzes per Telefax, Briefpost oder Boten – trotz aktiver Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs. Damit das Gericht dies akzeptiert, ist es aber erforderlich, dass die tatsächlichen Umstände jedenfalls dargelegt werden. Das LG Arnsberg (v. 6.7.2022 – 3 Ns-360 Js 24/21-73/22) konnte deshalb in nur wenigen Worten eine Berufung als unzulässig verwerfen.

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§ 130d ZPO: Wie lange ist eigentlich „vorübergehend“?

Die Störung der Telefon- und Internetverbindung des Unterzeichners ist von der Deutschen Telekom bisher nicht beseitigt worden; ein Bautrupp hat sich für den 30. März 2022 angesagt, so dass hier lediglich ein Faxgerät von Dritten zur Verfügung steht. Dies wird anwaltlich versichert.„, war der Vortrag eines Rechtsanwalts in einem Verfahren vor dem OVG Münster (v. 6.7.2022 – 16 B 413/22). Insgesamt kam der Rechtsanwalt damit auf eine „vorübergehende“ Störung von über fünf Wochen. Fraglich ist, ob ihn dies zur Ersatzeinreichung gem. § 130d S. 3, 4 ZPO (= § 55d S. 3, 4 VwGO) berechtigt.

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VG Halle: Kein formwirksames Weiterreichen von beA-Irrläufern

Die Klageschrift war an das Verwaltungsgericht adressiert, per beA abgesandt wurde sie aber an das Amtsgericht. Was genau geschah, bleibt im knappen Tatbestand unklar. Möglicherweise wurde auf § 55a Abs. 3 2. Var. VwGO (= § 130a Abs. 3 2. Var. ZPO) für die Versendung zurückgegriffen, dass nicht auf eine qualifizierte elektronische Signatur, sondern der Rechtsanwalt übersandte den Schriftsatz selbst mit einfacher Signatur aus seinem beA. Evtl. war aber auch eine vorhandene qeS nicht vom Amtsgericht an das VG weitergeleitet worden. Jedenfalls meint das VG Halle (v. 15.11.2021 – 5 A 235/21) durch den Eingang beim Amtsgericht sei der sichere Übermittlungsweg „unterbrochen“ gewesen und daher die Authentizität nicht mehr sicher prüfbar.

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