OLG Hamm: Passive Nutzungspflicht für Sachverständige

Bundesweit arbeiten immer mehr Gerichte mit elektronischen Gerichtsakten, der elektronische Rechtsverkehr mit den Verfahrensbeteiligten ist selbstverständlich geworden. Indes finden sich immer noch nur wenige Sachverständige, die ihre Gutachten in elektronischer Form vor. Das OLG Hamm (v. 1.7.2024 – 22 U 15/24) leitet aber nun aus § 173 Abs. 2 Nr. 1 ZPO jedenfalls eine passive Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs für einige Sachverständige ab – die Folge ist, dass eine Verpflichtung besteht, einen sicheren Übermittlungsweg i.S.d. § 130a Abs. 4 ZPO bereit zu halten.

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Elektronisches Verwaltungsverfahren mit Ärzten mittels KIM

Anders als im elektronischen Rechtsverkehr mit den Gerichten, sind die zugelassenen Übermittlungswege im Verwaltungsverfahren nicht bereits im Gesetz definiert. Hier kommen deshalb nicht nur beA/beBPo einerseits oder E-Mail andererseits in Betracht, sondern auch exotischere Kommunikationswege sind denkbar. Gerade im medizinischen Bereich wurde mit der Telematikinfrastruktur (TI) in den letzten Jahren eine eigene, sichere Kommunikationsinfrastruktur aufgebaut, die ohne Weiteres auch im elektronischen Verwaltungsverfahren zwischen den angeschlossenen Beteiligten genutzt werden kann.

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BGH zur enveloping Signatur

Die enveloping Signatur spielt in der „freien Wildbahn“ kaum eine Rolle. Sie wird praktisch nie verwendet. Nun hat sie es aber dennoch zum BGH 15.5.2024 (VIII ZR 52/23) gebracht, der sich zu einer mit ihr signierten Berufungsschrift zu äußern hatte. Zur Überraschung der Fachwelt hält der BGH die Berufungsschrift für prozessual wirksam. Könne das Gericht mit dem Dokument tatsächlich arbeiten, sei der Ausschluss in § 5 I Nr. 5 ERVV, Nr. 5 2. ERVB 2022 unverhältnismäßig.

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OLG Saarland: Technische Probleme bei der Übermittlung der Gerichtsakte verhindern nicht Verweisung

Dass die Justiz in Deutschland nicht nur eines, sondern – je nach Bundesland – unterschiedliche eAkten-Systeme in den Gerichten einführt, wurde schon bisher selten als besondere Errungenschaft angesehen. Vor allem bei der Verweisung von elektronisch geführten Gerichtsverfahren können sich Probleme ergeben. So offenbar auch beim LG Nürnberg-Fürth  (v. 12.3.2024 – 20 O 255/24) aufgrund einer Verweisung des LG Saarbrücken. Es brauchte deshalb das Saarländische OLG (v. 23.4.2024 – 5 Sa 1/24), um Klarheit zu schaffen, dass derartige technische Probleme nicht geeignet sind, eine rechtskräftige Verweisung des Rechtsstreits zu verhindern.

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BGH: Feierabend trotz ERV-Störung?

Kommt es zu Störungen des elektronischen Rechtsverkehrs, sieht das Gesetz eine Ersatzeinreichung vor, § 130d S. 2-3 ZPO. Die Einreichung kann also auf einem beliebigen anderen prozessrechtlich vorgesehenen Wege erfolgen – per Post, Fax oder Bote. Fraglich war lang, auf welchen Zeitpunkt es für die Beurteilung ankommt. Etwas mehr Klarheit bringt eine Entscheidung des BGH v. 25.5.2023 (V ZR 134/22). Die gute Nachricht ist: Auch wenn der elektronische Rechtsverkehr streikt, darf Feierabend gemacht werden.

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BAG: Bearbeitbar ist, was druckbar ist. Auch Word.

Bereits in einem Urteil vom 4. September 2020 – 1 S 29/20 hatte das LG Mannheim großzügig auch die Einreichung einer .docx – Datei, anstelle der eigentlich von § 2 Abs. 1 ERVV geforderten PDF, akzeptiert. Insbesondere das BAG dominierte die Rechtsprechung zu Formfragen seitdem und forderte bislang jedenfalls das Dateiformat PDF stets (BAG, Urteil vom 25.8.2022 – 6 AZR 499/21), nur in anderen Formfragen zeigte sich auch das BAG flexibel und folgte insoweit dem OLG Koblenz. Der BGH entschied mit Beschluss vom 19.10.2022 – 1 StR 262/22 – und folgte dem LG Mannheim. Diesen U-Turn vollzieht nun der 3. Senat des BAG (v. 29. Juni 2023 – 3 AZB 3/23) nach, jedenfalls für führende Papier-Gerichtsakten.

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Aktive Nutzungspflicht: Syndikusrechtsanwälte aufgepasst

Nicht einmal nutzungsberechtigt? „Zwei-Hut-Lehre“? Oder aktive Nutzungspflicht kraft Standesrecht? Ob und inwieweit Syndikusrechtsanwälte zur aktiven Nutzung des ERV verpflichtet und zur Verwendung ihres beA in Vertretung ihres Arbeitgebers waren, war lange heftig umstritten. Besonders brisant war diese Frage für Syndikusrechtsanwälte in prozessvertretenden Arbeitgeber- und Sozialverbänden. Das BAG (v. 23.5.2023 – 10 AZB 18/22) hat den Meinungsstreit nun entschieden: Es besteht stets eine aktive Nutzungspflicht. Im Gegenzug sind Syndikusrechtsanwälte auch berechtigt ihr (Syndikus-)beA für ihren Arbeitgeber zu nutzen.

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LG Köln: Wirksamkeit elektronischer Signaturen durch Erinnerung des Signierenden?

Die Entscheidung des LG Köln v. 4. Mai 2023 – 14 O 297/22 – ist sicher bereits in der Sache spannend genug, geht es doch um die Frage, ob Aufnahmen des Kölner Doms (und anderer historischer Gebäude) für gewerbliche Zwecke zulässig sind. Als Bonus-Frage musste sich die Kammer aber auch mit der Frage beschäftigen, unter welchen Voraussetzungen, die unterschriftsersetzenden qualifizierten elektronischen Signaturen des Spruchkörpers als wirksam angesehen werden können. Die von der Kammer gefundene Antwort hierauf überzeugt aber nicht.

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BFH: Aktive Nutzungspflicht für Steuerberater bestand seit 1.1.2023

Wahrscheinlich eine bittere Entscheidung für einige Steuerberaterinnen und Steuerberater hat der BFH am 28.4.2023 (XI B 101/22) getroffen. Die aktive Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs gem. § 52d FGO mit dem besonderen elektronischen Steuerberaterpostfach (beSt) bestand für sie bereits zum 1.1.2023. In der Rechtsprechung und Literatur war dies bisher umstritten, weil die Registrierungsbriefe teilweise deutlich später versandt wurden.

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Bayerisches LSG: Ein Stempel macht noch keinen Eingang

§ 130a Abs. 5 S. 1 ZPO (= § 65a Abs. 5 S. 1 SGG) ist eindeutig: Es kommt auf den elektronischen Eingang „auf der Empfangseinrichtung des Gerichts an“. Ob das Gericht auch einen Eingangsstempel angebracht hat, ist dagegen unerheblich. Das gilt erst Recht, wenn der Stempel das falsche Datum ausweist. Mit einem solchen Fall musste sich das Bayerische LSG (v. 30.3.2023 – L 4 P 76/22) beschäftigen und wies auf die Berufung das Verfahren zur erneuten Entscheidung in die ersten Instanz zurück

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