Die Entscheidung des LG Köln v. 4. Mai 2023 – 14 O 297/22 – ist sicher bereits in der Sache spannend genug, geht es doch um die Frage, ob Aufnahmen des Kölner Doms (und anderer historischer Gebäude) für gewerbliche Zwecke zulässig sind. Als Bonus-Frage musste sich die Kammer aber auch mit der Frage beschäftigen, unter welchen Voraussetzungen, die unterschriftsersetzenden qualifizierten elektronischen Signaturen des Spruchkörpers als wirksam angesehen werden können. Die von der Kammer gefundene Antwort hierauf überzeugt aber nicht.
Sachverhalt
In der Sache streitigen die Verfahrensbeteiligten um die gewerbliche Nutzung von Innenraum- und Dachaufnahmen des Kölner Doms durch die Beklagte im Internet.
- Formal enthält die Sachverhaltsschilderung folgende Angaben:
„Die Beschlussverfügung, die in der elektronischen Akte erstellt worden ist, ist von allen drei Kammermitgliedern elektronisch signiert worden. Die entsprechende Software zeigt folgende Signaturübersicht an:
- „Bilddarstellung wurde entfernt“
- Die Verfügungsklägerin hat nach unbestrittener Darstellung der Verfügungsbeklagten verschiedene Vollziehungsversuche unternommen, wobei sie stets eine anwaltlich beglaubigte Abschrift einer Ausfertigung der Beschlussverfügung zustellen ließ. Diese zugestellten anwaltlich beglaubigten Kopien enthielten unten links abgedruckten Signaturen von RILG Dr. A. und Dr. K. mit dem Hinweis jeweils „(ungeprüft)“, wobei die Signatur des VorsRiLG Dr. J. auf „(gültig)“ lautet.“
Die Verfügungsbeklagte meint deshalb, die einstweilige Verfügung sei nicht wirksam vollzogen worden. Die Beschlussverfügung sei schon nicht wirksam elektronisch signiert worden, weil zwei von drei Signaturen der Kammermitglieder „ungeprüft“ waren (s.o. in der Signaturübersicht das Symbol der gelben Signaturnadel). Jedenfalls sei die Zustellung von Ausfertigungen mit der Signaturübersicht, die zwei solche „ungeprüfte“ Signaturen ausweisen, nicht geeignet die Vollziehung der einstweiligen Verfügung zu bewerkstelligen.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Die Kammer hält ihren Beschluss entgegen der Verfügungsbeklagten für korrekt signiert.
Der Beschluss sei von allen drei Kammermitgliedern zu signieren gewesen, § 315 Abs. 1 ZPO iVm §§ 317 Abs. 2 S. 2, 329 ZPO. Die Kammer habe sich ausweislich des Rubrums zur Entscheidung als Kammer und nicht für eine Entscheidung nur durch den Vorsitzenden entschieden. Deshalb komme es auch nicht darauf an, dass die Signatur des Vorsitzenden Richters Dr. J. jedenfalls als „geprüft“ angezeigt worden sei.
Da das hiesige Verfahren als elektronische Akte geführt worden sei, habe es es sich bei dem Beschluss um ein gerichtliches elektronisches Dokument im Sinne des § 130b ZPO gehandelt. Nach S. 1 dieser Vorschrift müssten, soweit die ZPO die handschriftliche Unterzeichnung vorschreibe, die verantwortenden Personen am Ende des elektronischen Dokuments ihren Namen hinzufügen und das Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen. Die qualifizierte elektronische Signatur gewährleiste sowohl die Authentizität als auch die Integrität des Dokuments, also dass das elektronische Dokument eine dem Papierdokument vergleichbare dauerhafte und nicht unbemerkt veränderbare Fassung erlange. Die Signatur sei personengebunden und werde unter Verwendung der technischen Komponenten und der geheim zu haltenden PIN auf dem elektronischen Dokument vor der Übersendung angebracht. Das elektronische Dokument sei daher, um einer eigenhändigen Unterzeichnung gleichwertig zu sein, von demjenigen, dessen Unterschrift dem Formerfordernis des Schriftsatzes genügen würde, und damit von dem Signaturkarteninhaber eigenhändig zu signieren.
Nach diesen Anforderungen hätten alle drei Kammermitglieder eine qualifizierte elektronische Signatur vorgenommen. Zunächst erinnerten sich alle drei Kammermitglieder, die den Beschluss signiert hätten, dass sie die Signatur – wie sonst auch mehrfach täglich – unter Nutzung ihrer Signaturkarte und Eingabe ihrer persönlichen PIN geleistet hätten. Die beiden Kammermitglieder, deren Signatur zunächst „ungeprüft“ angezeigt worden seien, signierten im Übrigen in gleicher Art und Weise dieses Urteil. Weiterhin habe die oben im Tatbestand dargestellte nachträgliche Prüfung über die eAkten-Software ergeben, dass die zwei zunächst als „ungeprüft“ angezeigten Signaturen nunmehr als „geprüft“ angezeigt würden. Der Grund für die frühere Anzeige als „ungeprüft“ sei der Kammer nicht nachvollziehbar, sie könnten aber auf einer technischen Störung der Signaturprüfung zurückgehen, die durchaus regelmäßig auch landesweit aufträten.
Insoweit sehe auch die „Dienstanweisung – Elektronische Aktenführung und -bearbeitung“ des Präsidenten des Landgerichts Köln im Fall einer – wie hier zunächst vorliegenden – „gelben Signaturnadel“ Folgendes vor:
„Bei der Anzeige einer gelben Signaturnadel ist zu differenzieren. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Prüfung der Signatur häufig spätestens nach einer Zeit von wenigen Stunden erfolgreich durchgeführt werden kann. Mit Ausnahme von besonderen Eilfällen ist daher zunächst eine gewisse Zeit zuzuwarten, bevor der Vorgang in Papierform weiterbearbeitet wird. Die erneute Überprüfung der Signatur erfolgt nicht automatisch. Vor Übergang in eine Bearbeitung in Papierform ist daher zunächst durch die Servicekraft ein neuer Signaturprüfbericht anzufordern. Von weiteren Anforderungen sollte zurückhaltend Gebrauch gemacht werden, um das System nicht zu überlasten. In bestimmten Fällen (allgemeine Störung, Verwendung eigener Signaturkarte, deren Zertifikat nicht gesperrt wurde) kann trotz gelber Signaturnadel von einer gültigen Signatur ausgegangen werden. Das gilt insbesondere, wenn es sich bei der Signatur um eine solche handelt, die man selbst mit seiner eigenen Signaturkarte ausgeführt hat und bei der man daher davon ausgehen kann, dass das Zertifikat zwischenzeitlich nicht gesperrt worden ist, weil ein Missbrauch auszuschließen ist. Es ist Rücksprache mit dem Entscheider zu halten.“
Hieraus folgert die Kammer, dass eine „ungeprüfte Signatur“ jedenfalls dann eine qualifizierte elektronische Signatur sei, wenn die signierenden Unterzeichnenden wie hier mit der eigenen auch im sonstigen Tagesgeschäft regelmäßig ohne Probleme eingesetzten Signaturkarte signiert hätten und ein Missbrauch ausgeschlossen werden könne. Dies gelte umso mehr für einstweilige Verfügungen, bei deren Abwicklung regelmäßig Eile durch das Gericht geboten sei, was auch in der oben zitierten Dienstanweisung Anklang findet. Vorliegend sei neben der notwendigen Authentizität auch die Integrität des Beschlusses gegeben, weil das Dokument nach der Signatur aller drei Kammermitglieder nicht geändert worden sei. Andernfalls wären die Signaturnadeln im System als grau hinterlegt gewesen.
Da somit drei wirksame qualifizierte elektronische Signaturen vorlägen, bestehe weder an der formellen Wirksamkeit der Beschlussverfügung, noch an der Wirksamkeit der Zustellung der beglaubigten Abschrift der Ausfertigung dieses Beschlusses jegliche Zweifel. Dies gelte im Übrigen auch vor dem Hintergrund, dass hier im Vergleich zur Papieraktenführung kein Grund ersichtlich sei, wieso der Beschluss oder die Zustellung unwirksam sein sollten. Denn es handelt sich vorliegend weder um einen Fall der Nichtunterzeichnung, noch um einen Fall ähnlich der Unterzeichnung mit einer Paraphe, die in der Vergangenheit ggf. zu Problemen bei der Wirksamkeit geführt hätten. Auch enthielten Ausfertigungen von Beschlussverfügungen aus Papierakten regelmäßig überhaupt keine Unterschriften, sodass auch insoweit nicht nachvollziehbar sei, wieso die hier beigefügte Signaturübersicht jedweden Einfluss auf die wirksame Vollziehung der einstweiligen Verfügung haben sollte.
Anmerkung
Im Ergebnis ist die Entscheidung sicher richtig. Die Begründung überzeugt aber nicht. Für die Wirksamkeit der qualifizierten elektronischen Signatur kommt es in Zweifelfällen ausschließlich auf das einwandfreie Ergebnis ihrer technischen Prüfung mit einem hierfür vorgesehenen Programm (Signatursoftware) an.
Abzulehnen ist deshalb eine Rechtsprechung, die auf einen bloßen Aufdruck oder Ausdruck/Speicherung auf dem signierten Dokument oder einem Transfer- oder Prüfvermerk entscheidend abstellt, ohne
technisch die Signatur zu prüfen. Noch problematischer ist, wenn – wie durch das LG Köln – sogar anderweitige Umstände indiziell hinzugezogen werden (frühere problemlose Verwendung oder die Erinnerung der Kammermitglieder an den Signaturvorgang). Alles andere als die technische Signaturprüfung ist schlicht irrelevant, denn die technische Prüfung ist leicht durchzuführen (sofern selbstredend die hierfür erforderliche Software verfügbar ist) und erlaubt, die Sicherungsmöglichkeiten durch eine qualifizierte elektronische Signatur auch tatsächlich zu nutzen.Letztlich ebenfalls keine hinreichende Signaturprüfung im o.g. Sinne ist es deshalb sich nur auf die Farben einer Signaturanzeige („Signaturnadel“) im eAkten-System zu verlassen. Es kann zwar davon ausgegangen werden, dass dieser Anzeige eine technische Prüfung zugrunde liegt, aber wichtig ist, „dahinter“ zu schauen, wenn sich ein Zweifelsfall ergibt. Diesen Blick erlaubt regelmäßig nur eine Signatursoftware selbst.