Das Landgericht Landshut war eines der ersten Gerichte in Deutschland mit führenden elektronischen Akten. Klar ist, dass bei so einem Pilotprojekt auch einmal etwas schief läuft: Hier die Niederschrift über eine Urteilsverkündung. Dieser fehlte die qualifizierte elektronische Signatur. Die Folge nach über fünf Monaten: Ein Nichturteil – und damit ein (noch) nicht abgeschlossenes erstinstanzliches Verfahren.
Mit Urteil vom 27. Juni 2018 – 15 U 1640/17 Rae – hatte sich das OLG München mit folgendem Sachverhalt zu beschäftigen: In der mündlichen Verhandlung hatte das Landgericht Landshut in einem Verfahren, in dem die rechtlich verbindliche Gerichtsakte elektronisch geführt wurde, Termin zur Verkündung einer Entscheidung bestimmt, der auf einen späteren Sitzungstag verlegt worden ist. Das beim Ausdruck der elektronischen Akte befindliche Verkündungsprotokoll über die in dem späteren Termin erfolgte Verkündung des Endurteils durch den Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen wies keine Signatur auf. Das klageabweisende Urteil war in einer Fassung ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe und in vollständiger Form vom Vorsitzenden signiert worden. Es wurde den Prozessbevollmächtigten der Klägerin und den Prozessbevollmächtigten der Beklagten zugestellt.
Die Besonderheit des Falls sah das OLG München darin, dass das Protokoll, durch das allein die Beachtung der für die Verkündung vorgeschriebenen Förmlichkeiten bewiesen werden kann, zu keinem Zeitpunkt mit der qualifizierten elektronischen Signatur (§ 130b ZPO) versehen wurde. Mangels Protokollierung fehle es damit an einer wirksamen Verkündung des Urteils.
Die erforderliche Signatur sei auch nicht innerhalb der Fünf-Monats-Frist des § 517 ZPO nachgeholt.
Die Protokollierung der Verkündung der Entscheidung i.V.m. der nach § 160 Abs. 3 Nr. 6 ZPO vorgeschriebenen Aufnahme der Entscheidungsformel in das Protokoll – sei es direkt oder als Anlage zum Protokoll (§ 160 Abs. 5 ZPO) – erbringe Beweis dafür, dass die Entscheidung auch in diesem Sinne ordnungsgemäß, d.h. auf der Grundlage einer schriftlich fixierten Entscheidungsformel verkündet worden sei. Aus Gründen der Rechtssicherheit halte es der Bundesgerichtshof für unverzichtbar, dass innerhalb der Fünf-Monats-Frist ein beweiskräftiges Protokoll über die Verkündung einer Entscheidung auf der Grundlage einer schriftlich fixierten Entscheidungsformel erstellt werde. Denn allein durch das Protokoll könne bewiesen werden, dass und mit welchem Inhalt eine Entscheidung verkündet worden sei. Vom Zeitpunkt der Verkündung hänge wiederum der Beginn der Rechtsmittelfrist ab, falls die Entscheidung – wie hier – erst nach Ablauf der Fünf-Monats-Frist zugestellt worden sei.
Im vorliegenden Fall konnte das OLG auch nicht anderweitig feststellen, ob eine Verkündung des Urteils tatsächlich erfolgt sei. Knapp führt das OLG aus, seine entsprechende Anfrage sei unbeantwortet geblieben.
Das Landgericht habe das Verfahren im ersten Rechtszug damit noch nicht zum Abschluss gebracht. Die Folge: Es muss nun entweder – wenn es die Entscheidung für richtig hält – das Urteil neu verkünden oder aber neu verhandeln und entscheiden. Für den letzteren Fall gibt das OLG auch noch als Wink mit dem Zaunpfahl eine Segelverfügung für eine notwendige Beweisaufnahme mit.
Die tatsächlichen Hintergründe des Sachverhalts bleiben leider im Dunkeln; insbesondere, ob es sich um ein Versehen des Landgerichts gehandelt hatte – der sich im Rahmen eines Piloten verzeihlich ist – oder, ob hier beim LG oder beim OLG etwas übersehen wurde (evtl. auch schlicht § 130b Satz 2 ZPO, der auch den (ersetzenden) Scan einer konventionellen Unterschrift zugelassen hätte). Irritierend ist auch, dass das LG sich offensichtlich auf die Nachfrage des OLG zur Verkündung nicht geäußert hatte.