BFH: Aktive Nutzungspflicht für Steuerberater bestand seit 1.1.2023

Wahrscheinlich eine bittere Entscheidung für einige Steuerberaterinnen und Steuerberater hat der BFH am 28.4.2023 (XI B 101/22) getroffen. Die aktive Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs gem. § 52d FGO mit dem besonderen elektronischen Steuerberaterpostfach (beSt) bestand für sie bereits zum 1.1.2023. In der Rechtsprechung und Literatur war dies bisher umstritten, weil die Registrierungsbriefe teilweise deutlich später versandt wurden.

Bisheriger Meinungsstand

Das beSt ist der sichere Übermittlungsweg für die Steuerberaterinnen und Steuerberater des elektronischen Rechtsverkehrs mit der Justiz gem. Absatz 4 Nr. 2 der jeweiligen Vorschrift über den elektronischen Rechtsverkehr. Für die Kommunikation mit dem Finanzamt wird dagegen weiter Elster verwendet.

Inkrafttretenszeitpunkt des Gesetzes mit dem das beSt eingeführt wurde, war der 1.8.2022. Gem. § 157e StBerG sind die neuen Regelungen zur Steuerberaterplattform allerdings erst ab 31.12.2022 anwendbar. Die aktive Nutzungspflicht konnte deshalb frühestens am 01.01.2023 eintreten, sportlich, denn letztlich bereits ohne „Übergangsfrist“ unmittelbar mit der Bereitstellung des beSt.

Ob die passive und aktive Nutzungspflicht des beSt kraft Gesetzes ab dem 01.01.2023 (so Pohl, Stbg 2022, 426; siehe auch hier) bestand oder aber erst mit Zustellung des Registrierungsbriefs (so Mehnert/Kalina-Kerschbaum, DStR 2022, 2573), war allerdings bislang umstritten.

Das unbedingte Bestehen der aktiven Nutzungspflicht ab dem 01.01.2023 nahm u.a. das FG Niedersachsen (v. 20.03.2023 – 7 K 183/22) an. Nicht überzeugen könne die von der BStBK vertretenen Auffassung, dass die aktive Nutzungspflicht erst mit Erhalt des Registrierungsbriefs gilt (vgl. bspw. FAQ der BStBK, abrufbar unter: https://www.bstbk.de/downloads/bstbk/steuerrecht-und-rechnungslegung/fachinfos/BStBK_FAQ_StB-Plattform.pdf, letzter Abruf: 5.5.2023; Äußerung des Präsidenten der BStBK Prof. Dr. Schwab im BStBK Report Januar 2023, abrufbar unter: https://www.bstbk.de/downloads/bstbk/presse-und-kommunikation/publikationen/bstbk-report/BStBK_Pub_BStBK-Report_202301.pdf, letzter Abruf: 5.5.2023).

Diese Einschätzung werde – so das FG -, soweit ersichtlich, an keiner Stelle begründet. Zudem stelle sich die Frage, weshalb der ggf. nicht oder nur schwer nachweisbare Erhalt des Registrierungsbriefs und nicht die Erstregistrierung beim beSt als dokumentierter Mitwirkungsakt der Postfachinhaberin oder des Postfachinhabers rechtsgestaltende Wirkung entfalten sollte (Pohl, Stbg, 2022, 426).

Diese Ansicht werde, soweit ersichtlich, nur in einer Stelle in der Literatur geteilt (Mehnert/Kalina-Kerschbaum, DStR 2022, 2573). Eine Begründung für diese Auffassung lasse sich dem Aufsatz ebenfalls nicht entnehmen. Es werde lediglich darauf hingewiesen, dass es aufgrund der großen Anzahl der Berufsträger technisch nicht möglich sei, jedem Berechtigten gleichzeitig ein beSt zur Verfügung zu stellen. Der Gesetzgeber hat jedoch die erforderliche technische Umsetzung bereits in § 157e StBerG berücksichtigt und eine entsprechende Schonfrist vorgesehen. Etwaige Organisationsmängel der BStBK vermögen es aber nicht, den gesetzlich vorgesehenen Zeitpunkt zu suspendieren.

Entscheidung des BFH

In seiner aktuellen Entscheidung erwägt der BFH nicht einmal die o.g. Mindermeinung. Für die in § 62 Abs. 2 Satz 1 FGO genannten Steuerberater stehe seit dem 01.01.2023 ein sicherer Übermittlungsweg i.S. des § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO zur Verfügung; denn seit dem 01.01.2023 (§ 157e StBerG) richte die Bundessteuerberaterkammer über die Steuerberaterplattform für jeden Steuerberater ein besonderes elektronisches Steuerberaterpostfach empfangsbereit ein (§ 86d Abs. 1 Satz 1 StBerG). Steuerberater seien mit der Einrichtung des Postfachs, spätestens aber ab diesem Zeitpunkt, nach § 52d Satz 2 FGO nutzungspflichtig (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2022, 1057, Rz 9; s.a. Brandis in Tipke/Kruse, § 52d FGO Rz 1; Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 52d FGO Rz 15; Rauch, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2022, 949, 951; Peters, juris PraxisReport Steuerrecht 45/2022 Anm. 2; Pohl, Die Steuerberatung 2022, 426, 429).

Auch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht zu gewähren. Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, sei ihm gemäß § 56 Abs. 1 FGO auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Hier sei nicht glaubhaft gemacht, dass die Fristversäumnis schuldlos erfolgt sei, denn der Steuerberater habe nicht  dargelegt, weshalb er nicht von der Möglichkeit der Nutzung der „fast lane“ Gebrauch gemacht hat.

Dass die Möglichkeit der Nutzung der „fast lane“ für Berufsträger, die aktiv in die finanzgerichtliche Kommunikation eingebunden seien, bestehe, sei dem Steuerberater aufgrund eines Schreibens seiner Steuerberaterkammer bekannt gewesen. Weshalb der Steuerberater trotzdem kein Verschulden daran treffen soll, die „fast lane“ nicht genutzt zu haben, um eine frühere Registrierung und Implementierung in die Kanzleisoftware zu ermöglichen, begründe er nicht.

Steuerberaterinnen und Steuerberater können deshalb im Nachhinein wohl auch nichts mehr nachholen. Jedenfalls für die Zukunft ist nun Eile bei der Registrierung geboten. 

 

Autor: Prof. Dr. Henning Müller

Direktor des Sozialgerichts