Die qualifizierte elektronische Signatur ersetzt in der elektronischen Dezernatsarbeit die Unterschrift des juristischen Bearbeiters. Natürlich sind daher Urteile und Beschlüsse, die vom Richter nicht mehr handschriftlich unterzeichnet werden sollen – sei es, weil die Gerichtsakte führend elektronisch geführt wird oder aufgrund einer hybriden Aktenführung – qualifiziert elektronisch zu signieren. Abseits dieser sehr eindeutigen Fälle ist jedoch fraglich, wann eine qualifizierte elektronische Signatur erforderlich ist und wann nicht und ob im Falle der hybriden Aktenführung die Papierakte stets einen Vermerk über die Signaturprüfung enthalten muss. Die Beantwortung dieser Frage hat keinen unbedeutenden Einfluss auf die richterliche Arbeitswirklichkeit, denn die Anbringung einer qualifizierten elektronischen Signatur ist für den Ersteller deutlich zeitaufwendiger als die bloße einfache Signatur. Gleiches gilt bei der Führung der Papierakte durch die Geschäftsstelle für den Ausdruck des Transfervermerks.
Für die „Übergangszeit“ bis zur Einführung führender elektronischer Gerichtsakten bei aber schon elektronischen Geschäftsprozessen „rund um eine führende Papierakte“ sind diese Fragen rechtlich näher zu beleuchten:
A. Was ist qualifiziert elektronisch zu signieren?
Nach allgemeiner Auffassung bedürfen richterliche Verfügungen im Sinne von Arbeitsanweisungen des Richters an die ausführende Geschäftsstelle grundsätzlich nur dann einer Unterschrift, wenn dies gesetzlich vorgeschrieben ist oder die Unterschrift deshalb erforderlich ist, weil die Verfügung in ihrem Inhalt oder ihrer Bedeutung einem Urteil oder Beschluss angenähert ist. Letzteres ist insbesondere der Fall, wenn die Verfügung aufgrund ihrer Komplexität oder der Intensität eines durch sie verursachten Grundrechtseingriffs einer besondere Kontrolle oder Dokumentation bedarf.
Mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen sind mithin neben Urteilen und Beschlüssen besonders herausgehobene Verfügungen. Welche dies sind kann sich angesichts der Verschiedenheit der Prozessordnungen in den Geschäftsbereichen deutlich unterscheiden. Maßstab dürfte letztlich die Schwere möglicher Konsequenzen für die Prozessbeteiligten und ihre Grundrechte sein; so ist es in der Sozial- und Verwaltungsgerichtsbarkeit gut vertretbar für die terminsbestimmende Verfügung auf eine qualifizierte elektronische Signatur zu verzichten, während in der ordentlichen Gerichtsbarkeit und der Arbeitsgerichtsbarkeit aufgrund der dort gegebenen Möglichkeit ein Versäumnisurteil zu erlassen, die möglichen Konsequenzen für Prozessgrundrechte so schwerwiegend sind, dass eine qualifizierte elektronische Signatur wohl notwendig ist.
Hierdurch dürfte in der richterlichen Dezernatsarbeit, insbesondere für die sehr häufigen sog. Schlichtverfügungen (bspw. „Doppel an Gegner“) eine qualifizierte elektronische Signatur des Richters entbehrlich sein. Dass hierdurch der Schutz der Integrität seiner elektronischen Verfügung nicht lückenlos gegeben ist, ist aufgrund der geringen Bedeutung der Verfügung hinnehmbar. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil das Ergebnis der Ausführung der Verfügung regelmäßig der Akte entnehmbar sein dürfte – bspw. durch sog. Leseabschriften, Abvermerke etc.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 329 Abs. 1 ZPO, der für „Verfügungen“ auf die Vorschriften, die für Urteile gelten, verweist. Die dort gemeinten „Verfügungen“ sind nicht die hier behandelten Arbeitsanweisungen an die Geschäftsstelle, sondern richterliche Entscheidungen unmittelbar gegenüber den Verfahrensbeteiligten mit entsprechend geringem Anwendungsbereich.
B. Erfordernis eines Transfervermerks in der Papierakte
Gem. § 298 Abs. 1 Satz 1 ZPO sind bei der Aktenführung in Papier von elektronischen Dokumenten Ausdrucke zu fertigen, um die Vollständigkeit der führenden Akte zu gewährleisten. Ausnahmen gelten nur im Falle der Unverhältnismäßigkeit.
§ 298 Abs. 3 ZPO schreibt vor, dass dieser Ausdruck einen Transfervermerk enthalten muss, wenn das elektronische Dokument qualifiziert elektronisch signiert war und nicht auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht wurde. Hierdurch wird die Gültigkeit der elektronischen Signatur im Zeitpunkt des Ausdrucks in der Papierakte sichtbar gemacht. Der Transfervermerk gem. § 298 Abs. 3 ZPO bezieht sich also zeitlich und inhaltlich stets auf einen bestimmten Druckvorgang („enthalten“).
Enthält das elektronische Dokument dagegen keine qualifizierte elektronische Signatur, weil es sich nicht um ein Urteil oder einen Beschluss handelt oder einem solchen „angenähert ist“ (vgl. A), genügt eine einfache „Leseabschrift“ in der Papierakte; d.h. ein Ausdruck ohne Transfervermerk, der nur schlicht den abgedruckten (maschinenschriftlichen) Namen des verfassenden Richters oder die ausgedruckte Wiedergabe seiner ggf. als Bild eingefügten zuvor eingescannten Unterschrift oder Paraphe enthält.
I. Anwendungsbereich des § 298 Abs. 3 ZPO
§ 298 Abs. 3 ZPO – das Erfordernis einen Transfervermerk für die Papierakte auszudrucken – bezieht sich nur auf eingereichte Dokumente i.S.d. § 130a ZPO, nicht auf selbst erstellte gerichtliche Dokumente gem. § 130b ZPO. Dies legt bereits der Wortlaut des § 298 Abs. 3 Satz 1 ZPO nahe („eingereicht“) und die Bezugnahme auf sichere Übermittlungswege gem. § 130a Abs. 4 ZPO. Systematisch ist diese einschränkende Lesart auch daraus ersichtlich, dass § 130b ZPO nur § 298a ZPO (also eingescannte Papierdokumente, die zu einer elektronischen Gerichtsakte genommen werden) in Bezug nimmt und gerade nicht § 298 ZPO.
Im Übrigen ist bei selbsterstellten elektronischen Dokumenten, die sich ja selbstverständlich vollständig im jederzeitigen Zugriff des Gerichts befinden, ein Transfervermerk auch nicht erforderlich, weil ebenso jederzeit eine unmittelbare technische Prüfung der qualifizierten elektronischen Signatur möglich ist. Ein ggf. veralteter Transfervermerk wäre zum Nachweis der Gültigkeit der qualifizierter elektronischen Signatur offenkundig schlechter geeignet. Unabhängig davon, ob ein Ausdruck für die Papierakte gefertigt wird, bleibt schließlich das qualifiziert elektronisch signierte elektronische Dokument das „Original“, das im Falle der Mutmaßung einer Manipulation zu prüfen wäre.
II. Transfervermerk bei selbsterstellten elektronischen Dokumenten des Gerichts in der Gerichtsakte
Erstellt das Gericht also selbst qualifiziert elektronisch signierte Dokumente gem. § 130b Satz 1 ZPO, die es durch Ausdruck zur Papierakte nehmen will oder muss (Urteile, Beschlüsse, elektronisch gefertigte Verfügungen mit qeS), so muss der Ausdruck keinen Transfervermerk enthalten.
Bis zur Einführung einer führenden elektronischen Gerichtsakte und der Ablösung der führenden Papiergerichtsakte entsteht dadurch letztlich eine Hybridakte, bestehende aus Originalpapiereinreichungen und selbst in Papier gefertigten Dokumenten und elektronischen Dokumenten. Die Signaturprüfung elektronischer Dokumente erfolgt idealerweise dann in elektronischer Form; eine gesetzliche Vorgabe für die Erstellung eines Transfervermerks oder die Aktenkundigkeit des (sicheren) Übermittlungswegs ergibt sich nur für eingereichte Dokumente, vgl. § 298 Abs. 2, 3 ZPO.
III. Transfervermerk für Übersendung qualifiziert elektronisch signierter Entscheidungen
Die Übermittlung oder förmliche Zustellung qualifiziert elektronisch signierter elektronischer Entscheidungen (Urteile, Beschlüsse) gem. § 130b Satz 1 ZPO erfolgt idealerweise im elektronischen Rechtsverkehr, vgl. § 169 Abs. 5 Nr. 1, § 174 Abs. 3 ZPO. In diesem Fall ist alleine aufgrund der Übermittlung kein (weiterer) Transfervermerk zu erzeugen – es fehlt ja bereits an einem den Medienbruch auslösenden Ausdruck. Die Gültigkeit der qualifizierten elektronischen Signatur lässt sich elektronisch überprüfen, weshalb das „Hilfskonstrukt“ Transfervermerk nicht nur nicht notwendig ist, sondern auch weniger rechtsschutzintensiv.
Soll die Übermittlung oder förmliche Zustellung qualifiziert elektronisch signierter elektronischer Entscheidungen (Urteile, Beschlüsse) gem. § 130b Satz 1 ZPO dagegen in Papierform erfolgen, muss je nach Prozessrecht eine papiergebundene Ausfertigung, Abschrift oder ein Auszug erstellt werden. Ein Transfervermerk ist auch in diesem Fall nicht zu erzeugen, weil kein Ausdruck des elektronischen „Originals“ des Urteil übersandt wird, sondern gerade nur eine Ausfertigung, Abschrift oder ein Auszug des Originals. Wie bereits in der reinen Papierbearbeitung üblich wird dieser ebensowenig zur Gerichtsakte genommen, wie bisher eine Kopie des versandten Dokuments.
IV. Transfervermerk für die Übermittlung von Dokumenten aufgrund qualifiziert elektronisch signierter richterlicher Verfügungen
Werden aufgrund elektronischer Verfügungen (im Sinne von Arbeitsanweisungen an die Geschäftsstelle) mit oder ohne qualifizierter elektronischer Signatur Dokumente durch die Geschäftsstelle erstellt, die den Verfahrensbeteiligten übermittelt werden, entstehen keine Besonderheiten. Insbesondere würde den Beteiligten auch bei Verfügungen mit qeS nicht ein Transfervermerk übermittelt, der sich auf die richterliche Verfügung bezieht, denn Gegenstand der Übermittlung oder Zustellung ist ja nicht die qualifiziert elektronisch signierte Verfügung selbst, sondern ein Schreiben der Geschäftsstelle, das diese „auf Anordnung“ erstellt hat.