BGH zur Containersignatur: Sie ist unzulässig, Wiedereinsetzung schwierig

Nachdem sich bereits das BSG und das BAG umfassend mit der Formwahrung mittels Containersignatur beschäftigen mussten und als Marschroute dargelegt hatten, dass die Containersignatur seit dem 1. Januar 2018 durch die Einführung des § 4 Abs. 2 ERVV unzulässig ist, eine Wiedereinsetzung nach allgemeinen Regeln aber denkbar ist, stand eine Positionierung des BGH noch aus. Diese war deshalb spannend, weil der BGH bislang in ständiger Rechtsprechung die Containersignatur als zulässig angesehen hatte. Mit einem Beschluss vom 15. Mai 2019 (XII ZB 573/18) hat sich der BGH nun in einigen Bereich klar positioniert: Insbesondere hält auch er die Containersignatur für unzulässig. Die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erkennt auch der BGH an, deutet aber an, dass dies kein Selbstläufer ist.

1. Zum Sachverhalt

Der Prozessbevollmächtigte des beim Landgericht unterlegenen Beklagten hat am letzten Tag der Berufungsfrist um 11.36 Uhr die Berufungseinlegung mittels EGVP an das OLG übermittelt und eine qualifizierte elektronische Containersignatur angebracht. Der signierte Nachrichtencontainer beinhaltete die Inhaltsdaten „nachricht.xml, nachricht.xsl, visitenkarte.xml, visitenkarte.xsl, herstellerinformation.xml“ und zwei Anhängen jeweils im PDF-Format, bei denen es sich um den Berufungsschriftsatz sowie einen Scan des angefochtenen Urteils handelte. Nach Ablauf der Berufungsfrist hat das OLG Bedenken bezüglich der Zulässigkeit der Containersignatur geäußert.  In einem weiteren – neuen – Schriftsatz hat der Beklagtenvertreter sodann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und nochmals Berufung eingelegt.

2. Unzulässigkeit der Containersignatur

Hinsichtlich der Unzulässigkeit der Containersignatur schwenkt der BGH klar auf die Linie der überwiegenden Rechtsprechung und Literatur ein.

Den bisherigen Meinungsstand fasst er mit großer Vollständigkeit wie folgt zusammen:

Teilweise wird vertreten, die Vorschrift sei einschränkend auszulegen. Bei verfassungskonformem Verständnis erfasse sie nicht mehrere elektronische Dokumente, die sämtlich ein Verfahren betreffen und bei nicht elektronisch geführten Akten mit dem Ergebnis der Signaturprüfung auf Papier ausgedruckt werden (vgl. OLG Branden-burg NJW 2018, 1482, 1483 ff.; LSG Niedersachsen-Bremen Zwischenurteil vom 10. Oktober 2018 L 2 R 117/18 juris Rn. 30 ff.; Spitz jurisPR-ITR 21/2018 Anm. 6). Demgegenüber versteht die überwiegende Meinung in Recht-sprechung und Literatur die Regelung als generelles Verbot der Container-Signatur (vgl. BSG Beschlüsse vom 20. März 2019 B 1 KR 7/18 B juris Rn. 5 f. und NJW 2018, 2222 Rn. 4 ff.; BVerwG NVwZ 2018, 1880 Rn. 6 ff.; BAG NJW 2018, 2978 Rn. 5 ff.; OLG Frankfurt NJW-RR 2018, 1456 f.; Hess-LAG Urteil vom 18. Oktober 2018 11 Sa 70/18 juris Rn. 23; Bacher MDR 2019, 1, 6; Plum NJW 2018, 2224; Müller NVwZ 2018, 1882 f. und NJW 2018, 2979 f.; BeckOK ZPO/von Selle [Stand: 1. März 2019] § 130 a Rn. 15; Mu-sielak/Voit/Stadler ZPO 16. Aufl. § 130 a Rn. 5; Saenger/Kießling ZPO 8. Aufl. § 130 a Rn. 18; Thomas/Putzo/ Seiler ZPO 40. Aufl. § 130 a Rn. 3; Zöller/Greger ZPO 32. Aufl. § 130 a Rn. 8). Die letztgenannte Auffassung ist zutreffend.

Dem mit der Regelung verfolgten Ziel der Rechtsklarheit und Rechts-sicherheit (vgl. BSG Beschluss vom 20. März 2019 B 1 KR 7/18 B juris Rn. 6) würde es widersprechen, bei einer Aktenführung (auch) in Papierform entgegen dem Wortlaut der Norm eine mehrere elektronische Dokumente umfassende Container-Signatur ausreichen zu lassen.

Die frühere Rechtsprechung des BGH, die Containersignatur sei zulässig, weil sie hinsichtlich des Schutzes von Integrität und Authentizität genauso wirksam sei, wie andere Arten der qualifizierten elektronischen Signatur, ist damit explizit aufgrund des neuen gesetzlichen Regelung aufgeben.

Gleichzeitig erteilt der BGH der einschränkten Auffassung insbesondere des OLG Brandenburgs eine klare Absage.

3. Wiedereinsetzung ist kein Selbstläufer

Die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Fehlern in der Rechtsanwendung des § 130a ZPO und der ERVV erhält durch die Entscheidung des BGH weitere Leitplanken – aber auch ein wenig mehr Unsicherheit:

a. Verschulden

Den Rechtsirrtum zur Unzulässigkeit der Containersignatur hat der einreichende Rechtsanwalt grundsätzlich zu vertreten:

Von einem Rechtsanwalt ist zu verlangen, dass er sich anhand einschlägiger Fachliteratur über den aktuellen Stand der Rechtsprechung informiert. Dazu besteht umso mehr Veranlassung, wenn es sich um ei-ne vor kurzem geänderte Gesetzeslage handelt, die ein erhöhtes Maß an Aufmerksamkeit verlangt.

Unvermeidbar sei der Rechtsirrtum zudem nicht gewesen. In der einschlägigen Fachliteratur sei auf die Unzulässigkeit der Containersignatur ausführlich und gerade auch mit Bezug auf das anwaltliche Haftungsrisiko eingegangen worden.

b. Hinweis- und Fürsorgepflicht

Durch die Einreichung der Berufung erst am letzten Tag der Frist, habe der Prozessbevollmächtigte dem Gericht zudem die Möglichkeit genommen, rechtzeitig auf den Fehler hinzuweisen. Ein Verstoß gegen die Fürsorgepflichten – entsprechend der Rechtsprechung von BSG und das BAG – der das anwaltliche Verschulden überwiegen könnte, scheidet damit nach Auffassung des BGH aus:

Da die Berufung am letzten Tag der Berufungsfrist eingelegt wurde, wäre die Fristversäumnis auch dann eingetreten, wenn das Oberlandesgericht den Formfehler im gewöhnlichen Ge-schäftsgang bemerkt und auf ihn hingewiesen hätte.

c. „Heilung“ gem. § 130a Abs. 6 ZPO

Die Eingangsfiktion des § 130a Abs. 6 ZPO wendet der BGH nicht an. Und lässt vielsagend offen, welchen Anwendungsbereich die Vorschrift seines Erachtens habe („Dabei kann dahinstehen, ob diese Bestimmung bei einem Verstoß gegen § 4 Abs. 2 ERVV einschlägig ist (dies verneinend et-wa BSG Beschluss vom 20. März 2019 B 1 KR 7/18 B juris Rn. 7 f.; BAG NJW 2018, 2978 Rn. 8 ff.)„).

Der BGH verweist hier nämlich auf eine neue Anforderung dieser Vorschrift:

Denn die Beklagte hat das die Berufungseinlegung beinhaltende elektronische Dokument nicht mit einer qeS nachgereicht, son-dern in ihrem Wiedereinsetzungsantrag und mithin durch ein neues Dokument erklärt, Berufung einzulegen. Hierfür gilt die Zugangsfiktion des § 130 a Abs. 6 Satz 2 ZPO nicht, weil die Vorschrift eng auszulegen ist (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Mai 2019 XII ZB 8/19 zur Veröffentlichung vorgesehen).

 

Autor: Prof. Dr. Henning Müller

Direktor des Sozialgerichts