BVerwG: Entwurf bleibt Entwurf, trotz qeS

Wird bloß ein Entwurf übermittelt, wird die prozessuale Form hierdurch nicht gewahrt. Was allerdings Entwurf ist und was schon ein rechtsverbindlicher Schriftsatz, ist durch Auslegung und durch die Umstände zu ermitteln. Immerhin das BVerwG musste darüber entscheiden, ob eine qualifizierte elektronische Signatur genügt, um ein explizit und besonders großflächig als Entwurf gekennzeichnetes Dokument zur Formwahrung genügen zu lassen (BVerwG v. 21.12.2023 – 2 B 2.23).

Gegenstand der Entscheidung des BVerwG ist die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde, die auf allen Seiten in großer Schrift und deutlich erkennbar offenbar in Form eines „Wasserzeichens“ als „Entwurf“ gekennzeichnet war.

Ausgangspunkt der Betrachtung des BVerwG ist, dass die qualifizierte elektronische Signatur in ihren Rechtswirkungen an die Stelle einer eigenhändigen Unterschrift tritt. Die Nutzung einer qualifizierten elektronischen Signatur oder eines sicheren Übermittlungswegs i. S. v. § 55a Abs. 3 VwGO (= § 130a Abs. 3 ZPO) sichert die Identität des Urhebers und die Authentizität des Dokuments. Sie soll dem elektronischen Dokument insbesondere im Hinblick auf dessen „Flüchtigkeit“ und sonst spurenlos mögliche Manipulierbarkeit eine dem Papierdokument vergleichbare dauerhafte Fassung im Sinne einer „Perpetuierungsfunktion“ verleihen.

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei zwar auch anerkannt, dass die Unterschrift einem verfassten Schriftstück außerdem die Erkennbarkeit verleiht, als für den Rechtsverkehr bestimmt zu sein, um damit das Entwurfsstadium zu verlassen. Hinterlege der Prozessbevollmächtigte allerdings auf jeder Seite seines Schriftsatzes großflächig diagonal im Hintergrund des Fließtextes den Begriff „ENTWURF“, stehe auch in Ansehung der qualifizierten elektronischen Signatur nicht hinreichend sicher fest, dass er dem Gericht ein prozesserhebliches Schriftstück zuleiten wollte. Ein solches Wasserzeichen diene dazu, ein Dokument als vorläufig und noch nicht für den Rechtsverkehr freigegeben zu kennzeichnen. Das stehe im Gegensatz zu dem mit der Unterschrift grundsätzlich einhergehenden und zur Wahrung der Schriftform erforderlichen Bekenntnis zum Schriftsatz.

Auch Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gewährte das BVerwG nicht. Unabhängig davon, dass ein Wiedereinsetzungsantrag nicht gestellt worden, sei der Prozessbevollmächtigte nicht ohne Verschulden verhindert gewesen, die Frist für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde einzuhalten. Ein Rechtsanwalt habe für die rechtzeitige ordnungsgemäße Einreichung von Schriftsätzen Sorge zu tragen und Bedienungsfehler bei der elektronischen Übermittlung zu verantworten. Weder vorgetragen noch ersichtlich sei, weshalb der Prozessbevollmächtigte durch eine – auch in Ansehung der in wenigen Stunden ablaufenden Frist zumutbare – Prüfung die missverständliche Einreichung nicht hätte vermeiden können. Zwar dürften prozessuale Fristen bis zu ihrer Grenze ausgenutzt werden; dass ein Verfahrensbeteiligter bis zum letzten Tag der Frist abwartet, ehe er eine fristgebundene prozessrechtliche Erklärung abgebe, könne ihm daher nicht vorgeworfen werden. Schöpfe er allerdings die Begründungsfrist bis zum letzten Tag aus, habe er wegen des damit verbundenen Risikos aber erhöhte Sorgfalt aufzuwenden, um die Einhaltung der Frist sicherzustellen. Dies gelte nicht nur im Hinblick auf möglicherweise auftauchende Übertragungsprobleme, sondern auch für die Sicherstellung der Formerfordernisse, ohne die die Frist nicht gewahrt werden kann.

Zu einem großzügigeren Ergebnis kam das LVerfG SH (LVerfG 5/23). Auch dort war ein Schriftsatz mit „Entwurf“ überschrieben und qualifiziert elektronisch signiert gewesen. Hieran störte sich das LVerfG nicht:

Der Umstand, dass dieser Schriftsatz lediglich als „Entwurf“ gekennzeichnet war, führt nicht zur Unzulässigkeit des Antrags. Die Klarstellung der Antragstellerin, dass es sich bei der Kennzeichnung als „Entwurf“ um ein Versehen gehandelt habe, es tatsächlich aber die endgültige Fassung gewesen sei, erfolgte zwar erst nach Fristablauf. Aus den Gesamtumständen war aber bereits vor Eingang des klarstellenden Schriftsatzes erkennbar, dass es sich bei dem eingereichten Antrag um die vollständige, wissentlich und willentlich in den Rechtsverkehr gebrachte Antragsschrift handelte. Der Vertreter der Antragstellerin hatte den Schriftsatz signiert und über das besondere elektronische Anwaltspostfach eingereicht. Dem Antrag waren ferner die in Bezug genommenen Anlagen beigefügt, und es bestanden auch im Übrigen keine weiteren Anhaltspunkte dafür, dass es sich hierbei nur um eine Entwurfsfassung handelte.

Autor: Prof. Dr. Henning Müller

Direktor des Sozialgerichts