Transkription der strafgerichtlichen Hauptverhandlung: Die Basis ist vorhanden

Der Vermittlungsausschuss muss über die Dokumentation der Hauptverhandlung entscheiden. Die Basis für eine erfolgreiche Transkription ist vorhanden. Das belegen Praxistests in Brandenburg zur Vernehmung und sie stimmen optimistisch, berichtet Gastautor OStA Matthias Kegel in seinem Blogbeitrag.

Das Gesetz über die Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung steckt im Vermittlungsausschuss fest. Ein Grund hierfür ist die Unsicherheit über die Funktionsweise der Transkriptionssoftware. Teilweise wird ein irrsinniger Arbeitsaufwand erwartet (Franzen, LTO). Darüber hinaus herrscht Unklarheit, wie hoch die Fehlerquote ist, welcher Aufwand die Korrektur verursacht, wie ausfallsicher das System ist und wie schnell transkribiert werden kann. All diese Fragen sind berechtigt. Das Problem: Viele kennen eine Transkriptionssoftware nur oberflächlich. Es gibt zudem gegenwärtig keine Lösung, die alle Anforderungen umsetzen kann, die im Bundesrat vorgetragen wurden. Viele Kritiker des Gesetzentwurfs werden jetzt erleichtert aufatmen.

Bislang fehlten Vorgaben der Justiz an eine Transkriptionssoftware

An dieser Stelle möchte ich meine Erfahrungen in die Diskussion einbringen, die ich aufgrund einer Testreihe mit einer Offline-Transkriptionssoftware bei der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg und den daraus resultierenden zahlreichen Gesprächen und Workshops mit der staatsanwaltschaftlichen und polizeilichen Praxis gewinnen konnte.

Das Projekt sollte Erkenntnisse dazu erbringen, wie hoch die Erkennungsrate in audio(visuellen) Aufzeichnungen von Vernehmungen ist und ob die Transkriptionssoftware schon so praxistauglich ist, dass auf eine manuelle Transkription verzichtet werden kann.

Zu Beginn waren wir im Projekt von der rechtlichen und praktischen Ausgangslage überrascht: Es fehlen einheitliche und verbindliche Vorgaben für ein Transkriptionssystem im Strafverfahren, die festlegen, was in welchem Umfang transkribiert wird (Buckow, ZIS 2012, 551 (552)). Weder der Gesetzgeber noch die Literatur äußern sich hierzu. Es fehlen auch Vorgaben dazu, ob und in welchen Fällen nach dem einfachen oder erweiterten Transkriptionssystem transkribiert werden soll. Bei dem einfachen Transkriptionssystem liegt der Schwerpunkt darin, was gesagt wurde. Hierzu wird das Gesagte leicht geglättet, damit die Vernehmung gut lesbar ist. Bei der erweiterten Transkription wird das Gesagte mit allen sprachlichen Unebenheiten schriftlich wiedergegeben, damit in bestimmten Fällen eine genaue Sprachanalyse durchgeführt werden kann.

Wenn jedoch die Softwarefirmen den Bedarf der Strafjustiz nicht genau kennen, können sie der Justiz auch keine maßgeschneiderte Lösung anbieten.

Ergebnisse der Transkriptionstests

Lag die Fehlerquote der Transkription vor drei Jahren zum Abschluss der Expertinnen- und Expertengruppe zur Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung noch bei 10 bis 20 %, haben wir eine Fehlerquote von 1,5 % bei guten Aufnahmebedingungen ermittelt. Beeindruckt waren wir von der genauen Transkription bei der Zeichensetzung. So wurden z. B. Nebensätze in Kommas eingeschlossen und Fragesätze mit einem Fragezeichen versehen. Die Software transkribierte auch Wortwiederholungen je nach Intension anders; wurde das zweite Wort nur als Gedankenbrücke zum nächsten Satz gesprochen, wurde es nur einmal transkribiert. Dagegen erfolgte eine doppelte Transkription, wenn die Wortwiederholung der rhetorischen Verstärkung diente.

Die Fehlerquote dürfte sich allein durch eine selbstlernende Datenbank mit manueller Unterstützung weit unter 1 % senken lassen. Hilfreich wäre es, wenn die Transkriptionssoftware in den Fällen die Wörter als Sprungmarke markieren würden, in denen sie die Wörter nicht sicher erkennt. Dann könnte die Person, die die automatische Transkription überprüft, diese Stellen gezielt anspringen, mit der Aufzeichnung vergleichen und ggf. korrigieren. Mit der Korrektur würde automatisch eine Datenbankkorrektur erfolgen, so dass beim nächsten Mal das Wort fehlerfrei transkribiert wird. Eine weitere erhebliche Optimierung wäre möglich, wenn die Firmen die Korrekturen einzelner Nutzer allen Nutzern der Software im Rahmen eines Datenbank-Updates zur Verfügung stellten.

Sofern nach dem einfachen Transkriptionssystem transkribiert wird, sollten Füllwörter, zögerliche Aussagen, Pausen und Wortabbrüche z. B. durch Sonderzeichen gekennzeichnet werden. In Verbindung mit der Zeitangabe zu den Textpassagen kann sich dann der Nutzer bei Bedarf unkompliziert die Stelle in der Aufzeichnung anhören.

Bei Vernehmungen von Verfahrensbeteiligten mit erkennbaren grammatikalischen Schwächen soll die grammatikalische Sprachglättung ausschaltbar sein. So würde man bereits aus dem Vernehmungsprotokoll wertvolle Rückschlüsse ziehen können.

Aus der staatsanwaltschaftlichen Praxis wurde für Vernehmungen von Kindern und Personen mit geistigen Beeinträchtigungen im Deliktsfeld der Sexualstraftaten eine Transkription nach dem erweiterten Transkriptionssystem gefordert. Zugleich sollte der Verfahrensbearbeiter (nachträglich) auswählen können, ob die gesamte Vernehmung oder nur relevante Teile erweitert transkribiert werden sollen.

Für die Transkription von Dialekten werden externe Datenbanken genutzt. Hier haben wir ordentliche Ergebnisse festgestellt. Wenn der Bedarf für automatisierte Transkriptionen steigt, dürfte das ein hoher Anreiz für die Hersteller sein, die Qualität zu verbessern.

Die polizeiliche Praxis zeigte sich auch an der Transkription von Fremdsprachen interessiert, weil die getestete Software direkt in die deutsche Sprache transkribierte. Damit würde zwar ein Dolmetscher nicht entbehrlich werden. Allerdings könnte der Druck erhöht werden, korrekt und nicht bewusst fehlerhaft zu übersetzen, weil man die Übersetzung mit der automatischen Transkription weitgehend vergleichen kann. Grundsätzlich stellt sich aber die Frage, ob überhaupt übersetzt transkribiert oder neben der Übersetzung auch die Fremdsprache selbst transkribiert werden sollte. Auch hier werden externe Datenbanken verwendet, bei denen in nächster Zeit eine deutlich höhere Leistungsfähigkeit zu erwarten ist.

Pilotprojekt in Brandenburg bei polizeilichen Vernehmungen geplant

In Brandenburg soll nun die automatische Transkription von polizeilichen audio(visuellen) Vernehmungen im Rahmen eines Pilotprojekts getestet werden. Dabei erhoffen wir uns neben einer Entlastung der Polizeibeamten, die die Vernehmung allein durchführen und protokollieren, insbesondere eine höhere Belastbarkeit der Vernehmungsprotokolle.

Eine Projektgruppe von Polizei und Staatsanwaltschaft soll das Projekt eng begleiten und auswerten. Aus den dabei gewonnenen Erkenntnisse dürften sich dann wieder neue Anforderungen an die Transkriptionssoftware ergeben.

Nur durch ein gemeinsames Projekt lassen sich die Problemstellungen lösen

Nun galt der Schwerpunkt der hiesigen Testreihe den polizeilichen Vernehmungen. Aber auch diese Erfahrungen mit der automatisierten Transkription und die daraus gewonnenen Ergebnisse können für die Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung genutzt werden.

Die Testreihe stellt unter Beweis, dass die Softwarelösungen eine gute Basis für die Transkription der strafgerichtlichen Hauptverhandlung sind. Die Leistungsfähigkeit wird sich in nächster Zeit deutlich erhöhen. Mein Optimismus speist sich aus der enormen Entwicklung der Transkription in den letzten drei Jahren. Ebenso wird sich die zu erwartende Entwicklung der Künstlichen Intelligenz (KI) positiv auswirken. KI wird bereits heute bei der Transkription genutzt.

Hinsichtlich der vielen Problemstellungen bei der Transkription der Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung könnte ein Lösungsansatz sein, die Umsetzung als ein gemeinsames Projekt der Justiz mit den Firmen anzugehen. Zunächst sollten die vielfältigen Anforderungen definiert und in ausgewählten Pilotgerichten praktische Erfahrungen gesammelt werden. Dabei sind die Schwächen der Transkriptionssoftware zu evaluieren und die Anforderungen zu präzisieren.

M.E. können nur auf diese Weise die zahlreichen Fragen, Problemstellungen und Unsicherheiten beim Einsatz von Transkriptionssoftware zur Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung gut gelöst werden.

Der Autor ist Oberstaatsanwalt und IT-Dezernent bei der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg. Er gib seine persönliche Meinung wieder.

 

Autor: Prof. Dr. Henning Müller

Direktor des Sozialgerichts