Ich im Strafrecht werden zunehmend elektronische Akten bei Gerichten und Staatsanwaltschaft geführt. Jedenfalls teilweise gilt auch hier gem. § 32d StPO die aktive Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs. § 32a StPO enthält eine weitgehend dem § 130a ZPO entsprechende Regelung. § 32b StPO normiert die Erstellung elektronischer Dokumente durch die Gerichte und Staatsanwaltschaft. Ein Regelungsdickicht, in dem sich das LG Zwickau (v. 11.12.2024 – 5 NBs 243 Js 6851/24 jug – kostenpflichtig über beck-online) etwas verheddert hat. Es meint, die Berufung der StA bedürfe stets einer qualifizierten elektronischen Signatur (qeS).
Sachverhalt
Die Staatsanwaltschaft Zwickau erhob in dem als elektronische Akte (E-Akte) geführten Strafverfahren am 6. Juni 2024 gegen den Angeklagten beim Amtsgericht Zwickau, Jugendschöffengericht, Anklage wegen Brandstiftung. Die zuständige Staatsanwältin signierte – wie im gesamten Landgerichtsbezirk Zwickau seit Pilotierung der E-Akte üblich – die Anklageschrift nicht qualifiziert elektronisch, obwohl ihr die technischen Möglichkeiten (Signaturgerät und Signaturkarte) zur Verfügung standen. Die Speicherung des Dokuments, dem an seinem Ende der Name und die Dienstbezeichnung der Staatsanwältin beigefügt sind, erfolgte in der E-Akte mit Wirkung zum 6. Juni 2024.
Am 8. August 2024 verurteilte das Jugendschöffengericht den Angeklagten wegen Brandstiftung unter Einbeziehung weiterer Urteile zu einer Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren und drei Monaten.
Mit elektronischem Dokument vom 9. August 2024 legte die Staatsanwaltschaft Zwickau Berufung gegen das Urteil ein und beschränkte diese auf den Rechtsfolgenausspruch. Die das Rechtsmittel verantwortende Staatsanwältin, deren Name und Dienstbezeichnung am Ende der Berufungsschrift auf dem Schriftstück erkennbar sind, signierte das Dokument nicht qualifiziert elektronisch. Das Schriftstück wurde am 12. August 2024 in der E-Akte gespeichert.
Tragende Entscheidungsgründe
Das LG Zwickau hält die Berufung für unzulässig. Gem. § 314 Abs. 1 StPO bedürfte die Berufung der Schriftform. Diese sei hier nicht gewahrt, weil die Berufungsschrift nicht qualifiziert elektronisch signiert sei. Als Rechtsgrundlage zieht des LG Zwickau § 32b Abs. 1 StPO heran. § 32a StPO, der auch die Einreichung über einen sicheren Übermittlungsweg ohne qeS erlaube, gelte nur für Rechtsanwälte:
„Ausgehend davon, dass anders als bei der Papieraktenführung eindeutig zuordenbare Zeichen, welche eine handschriftliche Unterzeichnung ersetzen können, nicht zur Verfügung stehen und der Gesetzgeber in § 32b StPO für Strafverfolgungsbehörden im Gegensatz zur für Rechtsanwälte geltenden Regelung in § 32a StPO keine alternative Nachvollziehbarkeit durch Übermittlung über einen sicheren Übermittlungsweg vorgesehen hat, verbleibt – nach derzeitigem Stand der Programmierung des zur Bearbeitung der E-Akte genutzten Programms VIS-Justiz – die qualifizierte elektronische Signatur als einziges Zeichen, anhand dessen mit ausreichender Rechtssicherheit beurteilt werden kann, ob es sich bei einem Schreiben nicht um einen bloßen Entwurf handelt und ob dieses Schreiben mit Wissen und Willen der verantwortlichen Person entäußert wurde. Eine entsprechende Rechtssicherheit aber ist bei Dokumenten, die für das Strafverfahren maßgebliche Bedeutung haben, unabdingbar. Daher sind jedenfalls Rechtsmittel, welche erhebliche Auswirkungen auf das Verfahren – nicht zuletzt auf die Rechtskraft – besitzen, qualifiziert elektronisch zu signieren, wenn die Urheberschaft des Schriftstücks anhand des elektronischen Dokuments selbst nicht zweifelsfrei geklärt werden kann.“
Anmerkung
Die Entscheidung des LG Zwickau überzeugt nicht. Im Gegensatz zur Rechtsauffassung gilt § 32a StPO nicht nur für Rechtsanwälte.
Richtigerweise lassen sich § 32a StPO und § 32b StPO in anderer Weise systematisch differenzieren. § 32a StPO regelt die elektronische Übermittlung von Dokumenten. § 32b StPO dagegen die Erstellung elektronischer Dokumente bei der aktenführenden Behörde.
Aktenführende Behörde ist aber, wenn bereits ein gerichtliches Strafverfahren läuft, nicht mehr die StA, sondern (nur noch) das Gericht. Entsprechend kann § 32b StPO hier nicht die passende Rechtsgrundlage für Formanforderungen an einen Schriftsatz der StA sein. Richtigerweise regelt deshalb ausschließlich § 32a StPO die Form. Diese ist aber gem. § 32a Abs. 3, 4 StPO durch die StA gewahrt worden – durch die Nutzung eines sicheren Übermittlungswegs (in diesem Fall wohl das EGVP der StA, § 6 Abs. 3 ERVV) war die qeS verzichtbar; es genügte die einfache Signatur.