Sicherer Übermittlungsweg oder qeS – das ist doch nicht so schwer

Seit dem 1.1.2018 gilt § 130a ZPO in der aktuellen Fassung, am 1.1.2022 steht die aktive Nutzungspflicht vor Tür. Die Systematik ist eigentlich gar nicht so schwierig und man sollte meinen, dass der elektronische Rechtsverkehr mittlerweile Routine ist. Dass das noch nicht überall so ist, zeigen zwei Beschlüsse des Amtsgerichts (22 M 1594/21 – 20210723 Beschluss AG) und des Landgerichts Bonn (4 T 256/21 – 20210825 Beschluss LG) zu einem De-Mail – Eingang.

Rechtsgrundlagen

Gem. § 130a ZPO gibt es zwei Möglichkeiten, schriftformwahrend elektronische Dokumente bei einem Gericht einzureichen:

  • § 130a Abs. 3 1. Var. ZPO: Auf einem zugelassenen sicheren Übermittlungsweg gem. § 4 Abs. 1 ERVV und mit qualifizierter elektronischer Signatur oder
  • § 130a Abs. 3 2. Var. ZPO: Auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 130a Abs. 4 ZPO mit einfacher Signatur durch die verantwortende Person selbst – aber gerade nicht zwingend auch mit einer qualifizierten elektronischen Signatur.

§ 130a Abs. 3 2. Var. ZPO war von dem Gesetzgeber des eJustice-Gesetzes deshalb eingeführt worden, weil er die qualifizierte elektronische Signatur als zu sperrig ansah und meinte, sie sei ein Hemmschuh für die Digitalisierung der Justizkommunikation.

Entscheidungen des Amtsgerichts und des Landgerichts Bonn

Diese Neuregelung in § 130a Abs. 3 ZPO, die zum 1.1.2018 in Kraft getreten ist, ist allerdings bei dem Amtsgericht und auch bei dessen Beschwerdeinstanz, dem Landgericht Bonn, nicht vollständig angekommen.

Beide Beschlüsse hatten einen sicher noch zutreffenden Ausgangspunkt genommen. Das Amtsgericht wollte eine einfache E-Mail als Erinnerung gem. § 766 ZPO nicht annehmen (20210714 Beschluss AG). Zwar ist in § 766 ZPO eine besondere Form nicht vorgesehen, allerdings ist dennoch gut vertretbar eine verfahrensbezogene E-Mail gar nicht anzunehmen. Hierfür spricht nicht nur, dass eine einfache E-Mail kein zugelassener Übermittlungsweg zur Justiz gem. § 4 Abs. 1 ERVV ist, sondern auch, dass einfache E-Mails letztlich ein Datenschutz- und IT-Sicherheitsrisiko für die Gerichte darstellen. Richtigerweise hat das Gericht den Einsender hierauf auch hingewiesen.

Eher nicht mehr mit der gesetzlichen Regelung in Einklang zu bringen sind aber die darauf folgenden Entscheidungen. Der Erinnerungsführer hat nun nämlich auf eine De-Mail-Übermittlung umgestellt und deshalb nun nicht nur einen zugelassenen Übermittlungsweg gem. § 4 Abs. 1 ERVV gewählt, sondern vor allem einen sicheren Übermittlungsweg gem. § 130a Abs. 4 ZPO. Richtigerweise hat das Gericht zwar diesen Eingang an sich akzeptiert – der Übermittlungsweg war ja zugelassen. Die hieran gestellten Anforderungen waren aber entgegen § 130a Abs. 3 ZPO überhöht. Es hätte nämlich gem. § 130a Abs. 3 2. Var. ZPO die einfache Signatur – der maschinenschriftliche Name oder die eingescannte Unterschrift – unter dem Schriftsatz genügt.

Kein Problem, kann passieren – dafür gibt es eine Beschwerdeinstanz. Aber auch am Landgericht Bonn war § 130a Abs. 3 ZPO in der aktuellen Fassung offenbar noch nicht hinreichend bekannt, denn auch das Beschwerdegericht verlangte über § 130a Abs. 3 2. Var. ZPO hinaus eine qualifizierte elektronische Signatur. Zum Beleg dieser Rechtsauffassung zieht das Landgericht Bonn immerhin zwar den Bundesgerichtshof heran; hier allerdings einen Beschluss vom 8.6.2015 – IX ZB 52/14 -, der natürlich noch zur alten Rechtslage ergangen ist.

Fazit

Die aktive Nutzungspflicht steht vor der Tür. Es wird Zeit den Habersack zu aktualisieren und sich mit den Regelungen zum elektronischen Rechtsverkehr vertraut zu machen – hier zum einen mit den Regelungen, die bereits seit 1.1.2018 gelten, aber auch mit den Neuregelungen aufgrund des ERV-Ausbau – Gesetz, die wohl zum 1.1.2022 in Kraft treten.

Kuriosität der Bonner Entscheidungen: Die Richter hätten nur ihre eigene Rechtsbehelfsbelehrungen richtig lesen müssen, dann hätte das Verfahren wohl anders ausgehen müssen.

Autor: Prof. Dr. Henning Müller

Direktor des Sozialgerichts