Keine Panik: Der Nachweis des beA-Postausgangs aus Gerichtssicht

Die BRAK steht derzeit mit dem beA mal wieder im Fokus erheblicher Kritik. Hintergrund ist, dass die bisherige elektronische Signatur des exportierten Postausgangsnachweises ersatzlos entfallen ist. Erst zögerlich hatte die BRAK hierzu mitgeteilt, dass die Signatur ohnehin wertlos gewesen sei. Unter anderem sieht sie sich nun einer Online-Petition und teils empörter Kommentare in den sozialen Netzwerken ausgesetzt. Der Ärger auf Seiten der Rechtsanwaltschaft ist sicher verständlich, denn ein besseres technisches Verfahren wäre leicht denkbar. Panik ist andererseits wohl nicht angezeigt, denn unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung dürfte die ja weiterhin vorhandene export.html in praktisch allen Lebenslagen ausreichen.

Rechtlicher Hintergrund

§ 130a Abs. 5 Satz 1 ZPO bestimmt zur Feststellung der Fristwahrung, dass das elektronische Dokument im Gericht eingegangen ist, sobald es auf der für den Empfang bestimmten Einrichtung des Gerichts gespeichert ist.

Die Empfangseinrichtung des Gerichts ist für alle auf EGVP basierenden Übermittlungswege (EGVP, beA, beN und beBPo) der EGVP-Intermediär. Hierbei handelt es sich um einen nicht im jeweiligen Gericht befindlichen Server der EGVP-Infrastruktur, der sowohl Ablagepunkt für die Nachricht des Absenders als auch Abholpunkt für den Empfänger ist. Das für die Fristwahrung maßgebliche Datum lässt sich sowohl dem Transfervermerk, dem Prüfvermerk, als auch dem Prüfprotokoll „inspectionsheet.html“ entnehmen („Eingang auf dem Server“).

Der BGH hatte zwischenzeitlich mehrfach Gelegenheit klarzustellen, dass das elektronische Dokument beim Gericht eingegangen ist, sobald es auf dem für den Empfang bestimmten Server des Gerichts (genauer: in der vom Gericht genutzten Infrastruktur, denn der Server muss sich gerade nicht räumlich im Gericht befinden) gespeichert worden ist (BGH v. 14.05.2020 – X ZR 119/18; BGH v. 25.08.2020 – VI ZB 79/19). Daran anschließende gerichtsinterne Vorgänge spielen für den Eingangszeitpunkt dagegen keine Rolle (BGH v. 14.05.2020 – X ZR 119/18 Rn. 12; BGH v. 28.05.2020 – I ZR 214/19 Rn. 7; BGH v. 25.08.2020 – VI ZB 79/19 Rn. 7). Aus gerichtsinternen Versäumnissen dürfen für den Einreicher keine Verfahrensnachteile resultieren. Hierzu zählt insbesondere, wenn das Gericht nicht in der Lage ist oder schlicht versäumt, das elektronische Dokument vom Intermediär abzuholen oder für eine (noch) führende Papierakte auszudrucken (H. Müller in: jurisPK-ERV Band 2, 1. Aufl., § 130a ZPO (Stand: 04.10.2021), Rn. 135; siehe auch https://ervjustiz.de/bgh-fristwahrung-auch-mit-umlauten).

Der Nachweis des Eingangsdatums ist deshalb keine Information, die für ein Wiedereinsetzungsverfahren eine Rolle spielt, sondern dieses Datum zeigt, dass die Nachricht schon fristwahrend eingegangen ist – weshalb eine Wiedereinsetzung gar nicht erforderlich ist.

Hintergrund der aktuellen Diskussion

Die aus dem beA speicherbare „export.html“ enthält

  1. das Datum „Eingang auf dem Server“, das auch dem Eingangsdatum auf dem Transfervermerk/Prüfvermerk des Gerichts entspricht – also dem Eingangsdatum auf dem Intermediär. Es kann daher davongegangen werden, dass die „export.html“ anhand von Daten, die unmittlebar vom Intermediär stammen erzeugt wird. Sie enthält also den richtigen Zugangszeitpunkt.
  2. Die export.html enthält auch die Dateinamen sämtlicher Anhänge und die Dateigrößen; damit ist natürlich nicht der Inhalt des Anhangs nachgewiesen (vergleichbar mit dem Faxsendebericht oder dem Rückschein eines Einschreibens) – aber zumindest ein gewichtiges Indiz gesetzt.

Zudem enthält die export.html die OSCI-Nachrichten-ID – die eindeutig ist – und mit der sich die korrespondierende Nachricht durch das Gericht regelmäßig „aufspüren“ lässt (nach einem gewissen Zeitpunkt löschen die Gerichte zwar die Nachricht, aber für die üblichen Verfahrenslaufzeiten dürften die Sicherungszyklen ausreichen).

Nichts anderes als den Inhalt dieser „export.html“ haben alle anderen EGVP-Teilnehmer (bspw. die Behörden mit ihrem beBPo oder die Gerichte selbst).

Was tatsächlich nicht (nicht mehr?) vorhanden ist, ist dagegen eine elektronische Signatur, die verhindert, dass die export.html manipuliert wird. Mit so einer elektronischen Signatur wäre der Beweiswert natürlich sehr viel höher gewesen – insbesondere in die Form, die bisher auch beim beA angenommen worden ist (nämlich, wenn sich die elektronische Signatur auf den .zip-Container bezieht, der auch die Anlagen selbst enthält; denn dann wäre ja auch deren Inhalt „bewiesen“). Aber:

1. Eine solche (vorsätzliche) Manipulation müsste sich ein Organ der Rechtspflege erst einmal trauen – regelhaft anzunehmen dürfte sie ganz sicher nicht sein,

2. Die Manipulation wäre höchst gefährlich, denn sie würde vermutlich in vielen Fällen „auffliegen“, weil die tatsächlich versandte Nachricht mit hoher Wahrscheinlichkeit über die EGVP-Nachrichten-ID (OSCI-ID) auffindbar wäre.

Update – 8.10.2021

Soweit die Kritik an der „x_export.html“ darauf gestützt wird, dass die dort enthaltenen Informationen zum Dateinamen und zu der Dateigröße nicht unmittelbar vom Intermediär stammen, sondern nur aufgrund der OSCI-ID mit Daten des Absenders hierzu erzeugt werden, überzeugt die Kritik nicht. Dies ist logische Folge des gewünschten Datenschutzniveaus nach dem OSCI-Stand („Prinzip des doppelten Briefumschlags“). Da der Intermediär aufgrund der Ende-zu-Ende – Verschlüsselung ja gerade keine Informationen über den Inhalt der Nachricht erlangen kann, kann er diesen auch nicht bestätigen. Wollte man ein anderes Ziel erreichen, müsste entweder die Ende-zu-Ende – Verschlüsselung gebrochen werden oder die Eingangsbestätigung müsste weg vom Intermediär verlagert werden, hin zum Empfänger; da die inhaltliche Kenntnisnahme des Empfängers aber gerade deutlich später liegen kann (bspw. am Wochenende oder bei technischen Problemen „hinter“ dem Intermediär), wäre auch dies ein Rückschritt.

Fazit

Aus Gerichtssicht kann deshalb folgendes Zwischenfazit gezogen werden: Der Idealzustand (und als Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt ist es natürlich legitim einen solchen zu fordern, weshalb die gestartete Petition durchaus ihre Berechtigung hat) wäre, wenn – wie bisher – die .zip elektronisch signiert wäre, mit einer elektronischen Signatur, die mit gängigen Mitteln (bspw. SecSigner) zu prüfen wäre.

Aber auf der anderen Seite gibt es auch aktuell jedenfalls keinen rechtlichen Weltuntergang (sondern wohl vor allem ein Kommunikationsproblem). Dass das beA nicht mehr sicher einsetzbar ist, scheint daher eine zu weite Schlussfolgerung, weil die „export.html“ wenigstens ein so gutes Indiz ist, dass sie – mit der zu ihr ergangenen Rechtsprechung, bspw. des VGH Kassel – als Beweis des ersten Anscheins dienen dürfte:

https://ervjustiz.de/vgh-kassel-egvp-eingangsbestaetigung-ist-anscheinsbeweis-fuer-fristwahrung

Richtig – und wichtig im Hinblick auf die anwaltliche Sorgfaltspflicht – ist weiter, die automatisierte Eingangsbestätigung („export.html“) – aufzubewahren. Dies kann auch weiterhin jedenfalls unter einer gewissen Verbesserung des Beweiswerts dadurch geschehen, dass sie exportiert und ihre Integrität zeitnah mit einer elektronischen Signatur gesichert wird oder sie revisionssicher abgelegt wird. Eine zeitnahe integritätssichernde Ablage wird den indiziellen Wert der Datei jedenfalls nochmals erhöhen.

Weiterführende Links:

https://www.lto.de/recht/juristen/b/besonderes-elektronisches-anwaltspostfach-bea-sicherheitsluecke-zustellung-nachweis-signatur-brak-wiedereinsetzung/?fbclid=IwAR3jDpv71CY7B_VMGJ43U4NZXutuP0n2qDYTJ6LsdDhsFm_XDYPKsQlpyC0

https://www.bea-brak.de/xwiki/bin/view/BRAK/Nachricht%20exportieren/?fbclid=IwAR3D4ekj-CsP2Ow_lQsd0_TS6gztpZTZ14s8YHYXXhC6i7Qb-wSnh7-XYc8

BRAK bestätigt: beA nicht sicher einsetzbar

Autor: Prof. Dr. Henning Müller

Direktor des Sozialgerichts