BGH zur Sorgfaltspflicht bei der Postausgangskontrolle

Bei zunehmender aktiven Nutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) hatten mittlerweile mehrere Gerichte Gelegenheit sich hinsichtlich der anwaltlichen Sorgfaltspflichten hinsichtlich der Postausgangskontrolle zu positionieren. Als zentrales Kontrollmittel kristallisiert sich die Eingangsbestätigung gem. § 130a Abs. 5 S. 2 ZPO heraus. Nachdem in einer kontrovers diskutierten Entscheidung das LAG Schleswig-Holstein vorgelegt hatte („Screenshot-Entscheidung“), konnte nun der BGH (Beschluss vom 11. Mai 2021 – VIII ZB 9/20) ebenfalls die Eingangsbestätigung in den Fokus rücken, aber auch die Rahmenbedingungen für die Kanzleiorganisation nennen.

Sachverhalt

Zur Begründung eines Antrags auf Wiedereinsetzung hat die Klägerin – unter Beifügung verschiedener Auszüge aus dem Protokoll des beA ihrer Prozessbevollmächtigten – ausgeführt, die bei letzterer seit vier Jahren beschäftigte Rechtsanwaltsfachangestellte habe die Berufungsbegründung fristgerecht per beA an das Berufungsgericht versandt. An diesem Tag seien vier weitere Übermittlungen erfolgt, die ohne Beanstandung geblieben seien. Ihre Prozessbevollmächtigte nutze das beA seit mehreren Monaten täglich, ohne dass es bei der Übersendung von bisher 170 Nachrichten zu Beanstandungen gekommen sei. Für das Büropersonal gebe es die Arbeitsanweisung, dass eine Frist aus dem Fristenkalender „erst nach Überprüfung der Erledigung und Anweisung durch die“ Prozessbevollmächtigte der Klägerin gestrichen werden dürfe. Beim Versand von Nachrichten über das beA erfolge eine Überprüfung „insbesondere hinsichtlich Versand und Fehlermeldungen“. Diese Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall erfüllt worden. Fehler seien hierbei nicht zu erkennen gewesen.

Das Berufungsgericht hat daraufhin eine dienstliche Stellungnahme der Berufungseingangsgeschäftsstelle eingeholt. Darin hat die zuständige Mitarbeiterin dieser Geschäftsstelle erklärt, sie habe gemeinsam mit einer Mitarbeiterin des I. Fachzentrums das Programm der elektronischen Akte („eAkte“) nach der Berufungsbegründung durchsucht.

Für das angebliche Übersendungsdatum sei jedes eingegangene Datenpaket überprüft worden. Ein Eingang aus der Kanzlei der  Prozessbevollmächtigten der Klägerin habe nicht aufgefunden werden können.

Ohne der Klägerin diese dienstliche Stellungnahme zur Kenntnis zu geben, hat das Berufungsgericht danach die automatisierte Bestätigung über den Zeitpunkt des Eingangs der Berufungsbegründung (§ 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO) bei der Prozessbevollmächtigten der Klägerin angefordert. In dem von dieser sodann übersandten Übermittlungsprotokoll befindet sich unter dem Abschnitt „Zusammenfassung Prüfprotokoll“, Unterpunkt „Meldungstext“, die Angabe: „Die Nachricht konnte nicht an den Intermediär des Empfängers übermittelt werden.“ und unter dem Unterpunkt „Übermittlungsstatus“ außerdem die Angabe:
Fehlerhaft„.

Das Berufungsgericht hat daraufhin den Antrag der Klägerin auf Wieder-einsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen.

Tragende Entscheidungsgründe

Der BGH geht zunächst davon aus, dass die Rechtsfrage, wann der Zugang eines elektronischen Dokuments bei Gericht erfolgt, höchstrichterlich geklärt ist: Entscheidend sei das Datum des Eingangs auf dem Intermediäre. Dies hatte der BGH bereits am 14. Mai 2020 – X ZR 119/18 entschieden.

Hinsichtlich der Sorgfaltspflichten geht der BGH den gleichen Weg wie die nahezu einhellige Auffassung in Literatur und Rechtsprechung (die der BGH auch sehr umfassend zitiert) und stellt auf die Pflicht ab, die Eingangsbestätigung gem. § 130a Abs. 5 S. 2 ZPO zu kontrollieren. Die Eingangsbestätigung solle dem Absender unmittelbar und ohne weiteres Eingreifen eines Justizbediensteten Gewissheit darüber verschaffen, ob die Übermittlung an das Gericht erfolgreich war oder ob weitere Bemühungen zur erfolgreichen Übermittlung des elektronischen Dokuments erforderlich sind. Habe der Rechtsanwalt eine Eingangsbestätigung nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO erhalten, bestehe Sicherheit darüber, dass der Sendevorgang erfolgreich war. Bleibe sie dagegen aus, müsse dies den Rechtsanwalt zur Überprüfung und gegebenenfalls erneuten Übermittlung veranlassen.

Zur Kanzleiorganisation macht der BGH folgende Vorgaben: Ein Rechtsanwalt müsse, wenn er fristwahrende Schriftsätze über das beA an das Gericht versendet, in seiner Kanzlei das zuständige Personal dahingehend anweisen, dass stets der Erhalt der automatisierten Eingangsbestätigung nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO zu kontrollieren sei. Er habe zudem diesbezüglich zumindest stichprobenweise Überprüfungen durchzuführen.

Autor: Prof. Dr. Henning Müller

Direktor des Sozialgerichts