LAG Schleswig-Holstein: Korrekte beA-Bedienung mit Screenshot nachzuweisen

Es wurde mal wieder spät am letzten Abend der Rechtsmittelfrist im Fall des LAG Schleswig-Holstein v. 8.4.2021 – 1 Sa 358/20. Ende vom Lied war, dass der Einreicher seine Berufungsbegründung nicht mehr rechtzeitig per beA in das Gericht brachte. Nun beantragte er Wiedereinsetzung in die Rechtsmittelfrist. Doch das LAG konnte er nicht von einem technischen Defekt überzeugen. Das LAG hielt eine Fehlbedienung für wahrscheinlicher.

Hintergrund

Gem. § 233 S. 1 ZPO ist einer Partei auf ihren Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn sie ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten. Dem Verschulden der Partei steht gemäß § 85 Abs. 2 ZPO das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten gleich. Gemäß § 236 Abs. 2 S. 1 ZPO muss der Wiedereinsetzungsantrag die Angabe der die Wiedereinsetzung  begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragstellung
oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Hierzu gehört eine aus sich heraus verständliche geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe, aus der sich ergibt, auf welchen konkreten Umständen das Fristversäumnis beruht, und auf welche Weise und durch wessen
Verschulden es zur Versäumung der Frist gekommen ist. Misslingt die Glaubhaftmachung, bleibt also die Möglichkeit offen, dass die Fristversäumung verschuldet war, ist der Antrag zurückzuweisen. Sprechen die Umstände für ein Vertreterverschulden, steht bereits die nicht ausschließbare Möglichkeit des Verschuldens der Gewährung der Wiedereinsetzung entgegen. Nach ständiger Rechtsprechung des hat ein Anwalt, der eine Rechtsmittelbegründungsfrist bis zum letzten Tag ausschöpft, wegen des damit erfahrungsgemäß verbundenen Risikos erhöhte Sorgfalt aufzuwenden, um die Einhaltung der Frist sicherzustellen.

Die Rechtsprechung hat sich in der Vergangenheit wiederholt mit den Anforderungen an die Darlegungslast und an die hinreichende Glaubhaftmachung des Sachverhalts in Fällen befasst, in denen der fristgerechte Versand einer Rechtsmittel(begründungs)schrift aufgrund „technischer Probleme“ scheiterte. So bedarf nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs ein auf einen vorübergehenden „Computerdefekt“ oder „Computer-Absturz“ gestützter Wiedereinsetzungsantrag näherer  Darlegungen zur Art des Defekts und seiner Behebung. Ein einen
Bedienungsfehler ausschließendes, auf einem technischen Defekt beruhendes Spontanversagen eines Faxgeräts ist nicht hinreichend glaubhaft gemacht, wenn vor und nach dem erfolglosen Versuch der
Übermittlung eines Schriftsatzes erfolgreiche Übermittlungen an die jeweiligen Empfänger stattgefunden haben, ohne dass zwischenzeitlich eine technische Wartung oder Reparatur erfolgt ist. Ein Rechtsanwalt, der einen fristgebundenen Schriftsatz am letzten Tag der Frist per Fax einreichen will, muss sicherstellen, dass die Faxnummer des Empfängers
zuverlässig festgestellt ist und ohne Schwierigkeiten darauf  zurückgegriffen werden kann. Will der Rechtsanwalt den Begründungsschriftsatz erst kurz vor Ablauf der Frist per Telefax übermitteln, muss er besonders darauf achten, dass bei der Übermittlung keine Fehler passieren (BGH vom 02.08.2006
– XII ZB 84/06).

Tragende Entscheidungsgründe

Dem LAG genügte der Vortrag des Einreichers hier nicht zu Glaubhaftmachung.

Hierzu meint das LAG, es seien (auch) objektive Angaben zu den Eingaben in das Programm erforderlich. Hierzu hätte bspw. ein Screenshot vorgelegt werden können, der durch Anzeigen der Bildschirmoberfläche die Eingaben des Prozessbevollmächtigten und die Reaktion der Software belegt hätte.

Auch eine sonstige Auswertung von „Metadaten des Programms“ – besser wohl einer Fehler-Log-Datei – in der fraglichen Zeit seien tauglich, um das technische Problem glaubhaft zu machen.

Aus Sicht des Gerichts war deshalb ein Bedienfehler überwiegend  wahrscheinlich. Hierfür spreche, dass letztlich 0:23 Uhr ein Versand möglich gewesen sei. Ob Systemeinstellungen geändert oder sonstige Maßnahmen ergriffen wurden, um den Fehler zu beheben, habe der Einreicher nicht vorgetragen. Es sei aber unwahrscheinlich, dass eine Software sich ohne weiteres Zutun „von selbst repariert“. Dass möglicherweise eine Störung in der Infrastruktur vorlag, thematisiert das Gericht nicht – es wurde allerdings wohl auch nicht vorgetragen.

Daneben komme auch ein Organisationsverschulden des  Prozessbevollmächtigten in Betracht, weil er nicht rechtzeitig Vorsorge getroffen hat, dass der Versand an das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein auch an jenem Tag gewährleistet war. Er hätte sich um das ordnungsgemäße Funktionieren des Versands per beA und insbesondere die Adressfindung rechtzeitig kümmern müssen.

Ob ein weiteres Verschulden nicht auch darin liege, dass der  Prozessbevollmächtigte nicht über eine eigene „Zugangskarte“ zum beA-Webclient verfügte, sondern sich insoweit vollständig auf seine Kanzlei-Software verlassen habe, ließ das LAG dahinstehen.

Praxistipp

Neben der Dokumentation von Technikproblemen in der vom LAG beschriebenen Form (Screenshots, Log-Dateien, genaue Beschreibung von Fehlermeldungen), empfiehlt es sich zum Nachweis von Ausfällen der Infrastruktur den EGVP-Newsletter zu abonnieren (https://egvp.justiz.de/meldungen/newsletter/index.php).

Autor: Prof. Dr. Henning Müller

Direktor des Sozialgerichts