Bundestag beschließt Kanzleipostfach für Rechtsanwaltsgesellschaften

Gem. § 59 l BRAO sind Rechtsanwaltsgesellschaften selbst prozess- und postulationsfähig. Ein eigenes besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA) hatten Rechtsanwaltsgesellschaften aber bisher nicht. Mit den sich hieraus ergebenden Ungereimtheiten musste sich sogar der BGH beschäftigen (–> hier). Nun hat der Gesetzgeber in dem am 10. Juni 2021 beschlossenen Gesetz zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe und sowohl im anwaltlichen Berufsrecht als auch im Prozessrecht Änderungen vorgenommen. Mittlerweile wurde das Gesetz verkündet.

Die wesentliche Neuregelung enthält der neue § 31b BRAO.

Gem. § 31b Abs. 1 BRAO richtet die BRAK für jede im Gesamtverzeichnis eingetragene Berufsausübungsgesellschaft ein beA empfangsbereit ein. Entgegen früherer Entwürfe wird für Rechtsanwaltsgesellschaften daher – genauso wie bei anderen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten verpflichtend. Gem. § 21 Absatz 1 Satz 2 RAVPV wird das Gesellschaftspostfach unverzüglich nach der Eintragung der Berufsausübungsgesellschaft eingerichtet.

Auf die BRAK kommt gem. § 31b Abs. 2 BRAO einmal mehr ordentlich Arbeit zu: Die Rechtsanwaltskammern übermitteln der BRAK zum Zweck der Einrichtung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs den Namen oder die Firma, die Rechtsform und eine zustellfähige Anschrift der Berufsausübungsgesellschaft sowie die Familiennamen und den oder die
Vornamen der vertretungsberechtigten Rechtsanwälte, die befugt
sind, für die Berufsausübungsgesellschaft Dokumente mit einer
nicht-qualifizierten elektronischen Signatur (gemeint ist die einfache Signatur wie bei allen anderen sicheren Übermittlungswegen) auf einem sicheren Übermittlungsweg zu versenden.

Dass das Gesellschaftspostfachs als sicherer Übermittlungsweg gem. § 130a Abs. 4 ZPO anerkannt wird, setzt voraus, dass sowohl die Postulationsfähigkeit als auch die Vertretungsbefugnis der für die Berufsausübungsgesellschaft handelnden Person für
den Empfänger feststellbar ist. Berufsausübungsgesellschaften werden als juristische Person oder rechtsfähige Vereinigung notwendigerweise durch natürliche Personen vertreten. Nach § 21 Absatz 4 RAVPV müssen diese
vertretungsberechtigten Rechtsanwälte gegenüber der BRAK benannt werden. Dies ist erforderlich, um sicherzustellen, dass die Versendung tatsächlich durch entsprechend befugte und postulationsfähige Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte erfolgt. Eine Übertragung auf andere Personen als die Benannten ist daher ausgeschlossen.  Erst hierdurch wird die Voraussetzung des sicheren Übermittlungswegs geschaffen, denn ein solcher setzt voraus, dass durch das Postfach sicher auf den Absender geschlossen werden kann. Außerdem muss bei der Übermittlung von Schriftstücken und Erklärungen an das Gericht sichergestellt werden, dass eine vertretungsberechtigte, postulationsbefugte Person handelt.

Auf die Gerichte kommt daher im gerichtlichen Posteingang wohl kein neuer Prüfungsaufwand zu. Bei der Nutzung des Gesellschaftspostfach dürfte es ausreichen, wenn der sichere Übermittlungsweg durch den Vertrauenswürdigen Herkunftsnachweis (VHN) nachgewiesen ist und der Schriftsatz die einfache Signatur eines/einer vertretungsberechtigten, postulationsfähigen Rechtsanwalts/Rechtsanwältin trägt.

Autor: Prof. Dr. Henning Müller

Direktor des Sozialgerichts