Gem. 130d S. 1 ZPO sind vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln – die sog. aktive Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs. Deutsche Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte erfüllen diese Pflicht regelmäßig unter Nutzung ihres besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA). Doch was gilt für Rechtsanwälte aus dem Ausland? Damit hatte sich nun der BGH (v. 15.5.2025 – IX ZB 1/24) zu beschäftigen.
Auch ein dienstleistender europäischer Rechtsanwalt hat im Grundsatz vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument zu übermitteln, also die aktive Nutzungspflicht einzuhalten.
Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 EuRAG habe der dienstleistende europäische Rechtsanwalt im Zusammenhang mit der Vertretung oder Verteidigung eines Mandanten im Bereich der Rechtspflege oder vor Behörden die Stellung eines Rechtsanwalts, insbesondere dessen Rechte und Pflichten, soweit diese nicht die Zugehörigkeit zu einer Rechtsanwaltskammer sowie die Kanzlei betreffen. Die Vorschrift stellt den dienstleistenden europäischen Rechtsanwalt mit dem in Deutschland niedergelassenen Anwalt im Hinblick auf dessen Rechte und Pflichten gleich.
Die Gleichstellung bewirke, dass der dienstleistende europäische Rechtsanwalt im Grundsatz ebenso wie der in Deutschland niedergelassene der Nutzungspflicht des § 130d Satz 1 ZPO unterliegt. § 130d ZPO soll für Rechtsanwälte und andere vertretungsberechtigte Personen, soweit ihnen ein spezieller, sicherer Übermittlungsweg zu den Gerichten zur Verfügung steht, die Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr mit Gerichten verpflichtend machen (vgl. BT-Drucks. 17/2634 S. 20). Eine von der Nutzungspflicht entbindende Ausnahmevorschrift enthalten die Regelungen des Gesetzes über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland nicht. § 27a Abs. 1 Satz 1 EuRAG sieht vielmehr vor, dass der dienstleistende europäische Rechtsanwalt die Einrichtung eines besonderen elektronischen Anwaltspostfachs beantragen kann. Hintergrund dieser Regelung ist, dass der Gesetzgeber im Blick auf die am 1. Januar 2018 eingetretene passive Nutzungspflicht alle im Zivilprozess auftretenden Anwälte, somit auch dienstleistende europäische Rechtsanwälte, für verpflichtet hielt, einen sicheren Übermittlungsweg für die Zustellung elektronischer Dokumente zu eröffnen (vgl. BT-Drucks. 18/9521, S. 156). Deshalb sollte auch für dienstleistende europäische Rechtsanwälte die Möglichkeit geschaffen werden, ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach eingerichtet zu bekommen (vgl. BT-Drucks. 18/9521, aaO).
Was für die passive Nutzungspflicht gilt, findet nach Auffassung des BGH im Grundsatz Anwendung auch auf die aktive Nutzungspflicht. Die im Allgemeinen von den Art. 56 ff AEUV und im Besonderen durch die Richtlinie des Rates 77/249/EWG vom 22. März 1977 zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs der Rechtsanwälte (ABl. EG L 78, S. 17) geschützte Dienstleistungsfreiheit steht dem nicht entgegen. Dem europäischen Rechtsanwalt muss lediglich ermöglicht werden, unter den für die in Deutschland niedergelassenen Rechtsanwälte geltenden Bedingungen tätig zu werden (vgl. Art. 57 Abs. 3 AEUV; Art. 4 Abs. 1 der RL 77/249/EWG; EuGH, Urteil vom 18. Mai 2017 – C-99/16, NJW 2017, 3285 Rn. 24 f). Deshalb setzen sich Sinn und Zweck der aktiven Nutzungspflicht – die Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs durch Vermeidung erheblicher Druck- und Scanaufwände bei Gerichten und bei Rechtsanwälten (vgl. BT-Drucks. 17/12634, S. 27) – auch im Blick auf die Tätigkeit des dienstleistenden europäischen Rechtsanwalts durch.
Problematisch ist freilich, dass eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt ohne deutsche Zulassung nicht bereits ohne Weiteres über ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA) verfügt. Er hat lediglich über § 27a EuRAG die Möglichkeit ein beA einzurichten. Hierfür ist die Bundesrechtsanwaltskammer zuständig. Die wenigsten Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte ohne deutsche Zulassung dürften hiervon Gebrauch gemacht haben. Der BGH thematisiert dies nicht.
Der Richtigkeit der Entscheidung steht dies aber nicht entgegen. Die aktive Nutzungspflicht der Rechtsanwaltschaft kann auch ohne beA unter Nutzung anderer elektronischer Übermittlungswege erfüllt werden. Aufgrund des Abschaltens des De-Mail-Gateways durch die Justiz, ist die De-Mail keine Option mehr. In Betracht als elektronischer Übermittlungsweg aus dem Ausland kommt aber noch das elektronische Bürger- und Organisationenpostfach (eBO). Dieses Postfach lässt sich auch ohne Sitz in Deutschland verwenden. Ferner in Betracht kommt das „Mein Justizpostfach“ (MJP), denn dieses setzt zwar grundsätzlich einen deutschen Personalausweis oder einen elektronischen Aufenthaltstitel als Identifikationsmittel voraus. Auch eine EU-Identität kommt aber zur Identifikation in Betracht.