BGH zum Auseinanderfallen von qeS und einfacher Signatur

Zu Fällen in denen die einfache Signatur und die qualifizierte elektronische Signatur sich auf unterschiedliche Personen bezogen, hatten sich zuvor schon das BAG und das BayObLG positioniert – und waren unterschiedlicher Meinung. Nun hat auch der BGH (v. 28.2.2024 – IX ZB 30/23) hierzu entschieden. Dahinter steckt die dogmatische Frage, ob die alternativen Formen des § 130a Abs. 3 ZPO gleichberechtigt nebeneinander stehen. Der BGH hat sich auf die Seite des BAG geschlagen.

Sachverhalt

Die dem Berufungsgericht elektronisch übermittelte Berufungsbegründung schloss am Ende mit dem maschinenschriftlich eingefügten Namen des (beklagten) Rechtsanwalts ab. Der Schriftsatz war aber zudem mit der qualifizierten elektronischen Signatur eines anderen – aber ebenfalls der Sozietät des Beklagten angehörenden Rechtsanwalts – versehen und auch über dessen besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA) an das Gericht übermittelt worden. Hintergrund ist offenbar ein Vertretungsfall.

Das Berufungsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner Rechtsbeschwerde zum BGH.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Der BGH zieht zunächst eine Parallele zur Rechtsprechung zu der Anbringung der Unterschrift in der Papierform:

„Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs war die eigenhändige Unterschrift des Rechtsanwalts Wirksamkeitsvoraussetzung für einen bestimmenden Schriftsatz, wie etwa für eine Berufungsbegründungsschrift gemäß § 520 Abs. 5, § 130 Nr. 6 ZPO. Damit sollte die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Prozesshandlung ermöglicht und dessen unbedingter Wille zum Ausdruck gebracht werden, den Schriftsatz zu verantworten und bei Gericht einzureichen. Für den Anwaltsprozess bedeutete dies allerdings nicht, dass der Schriftsatz notwendig von dem bevollmächtigten Rechtsanwalt selbst verfasst werden musste. Maßgeblich war vielmehr allein, dass der bevollmächtigte Rechtsanwalt den gegebenenfalls von einem anderen formulierten Schriftsatz nach eigenverantwortlicher Prüfung genehmigte und unterschrieb (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Juni 2005 – V ZB 45/04, NJW 2005, 2709; vom 14. März 2017 – XI ZB 16/16, WM 2017, 831 Rn.10; jeweils mwN). Nach dieser Rechtsprechung verstand es sich zudem für einen unterzeichnenden Rechtsanwalt im Zweifel von selbst, mit seiner Unterschrift zugleich auch eine entsprechende Verantwortung für den bestimmenden Schriftsatz zu übernehmen (vgl. BGH, Urteil vom 31. März 2003 – II ZR 192/02, NJW 2003, 2028; Beschluss vom 14. März 2017, aaO mwN). Schließlich bedurfte es nach dieser Rechtsprechung bei Unterzeichnung eines mit dem maschinenschriftlichen Namen seines Verfassers abschließenden Schriftsatzes durch einen anderen von der Partei bevollmächtigten Rechtsanwalt auch nicht eines klarstellenden Zusatzes, wie etwa der Verwendung des Worts „für“. Denn bereits dem Umstand der Unterzeichnung des Schriftsatzes durch einen anderen Rechtsanwalt an sich lässt sich entnehmen, dass er an Stelle des Verfassers die Unterschrift leisten und damit als weiterer Hauptbevollmächtigter oder Unterbevollmächtigter der Partei auftreten wollte (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Juli 2012 – III ZB 70/11, NJW-RR 2012, 1142 Rn. 11; vom 14. März 2017, aaO).“

Für den elektronischen Rechtsverkehr gelte nichts anderes. Die qualifizierte elektronische Signatur entspreche der Unterschrift des Rechtsanwalts (BGH, Beschluss vom 8. März 2022 – VI ZB 78/21, NJW 2022, 1964 Rn. 11; vom 18. April 2023 – VI ZB 36/22, ZIP 2023, 1502 Rn. 16). Der Rechtsanwalt, der das zuvor von einem anderen verfasste elektronische Dokument, das auch mit dessen Namen und Berufsbezeichnung abschließt, qualifiziert elektronisch signiere, bringe wie mit seiner eigenhändigen Unterschrift ohne weitere Voraussetzungen im Zweifel seinen unbedingten Willen zum Ausdruck, mit seiner qualifizierten elektronischen Signatur auch eine entsprechende Verantwortung für einen bestimmenden Schriftsatz zu übernehmen und dessen Inhalt zu verantworten und den Mandanten als weiterer Hauptbevollmächtigter oder zumindest als Unterbevollmächtigter in Wahrnehmung des Mandats zu vertreten (vgl. BGH, Beschluss vom 14. März 2017 – XI ZB 16/16, WM 2017, 831 Rn. 10).

Auch insoweit bedürfe es daher keines klarstellenden Zusatzes eines Vertretungsverhältnisses, insbesondere nicht der Verwendung des Worts „für“.

Praktische Bedeutung

Für den Vertretungsfall vereinfacht der BGH damit letztlich die Überlegungen. Wie auch bisher von der überwiegenden Meinung empfohlen, sollte im Vertretungsfall grundsätzlich mit qualifizierter elektronischer Signatur gearbeitet werden.

Der BGH stellt überdies klar, dass bei Anbringung einer qualifizierten elektronischen Signatur kein weiterer Hinweis auf die Vertretungssituation erforderlich ist. Die Form des § 130a Abs. 3 S. 1 1. Var. ZPO genügt also stets auch für sich alleine.

Aus gerichtlicher Sicht sollte dennoch ein klarstellender Hinweis, welcher Berufsträger den Prozess führt, angebracht werden. Andernfalls ist nicht sichergestellt, dass das Gericht (auch) weitere Schriftsätze an den Vertreter schickt, aus dessen beA der Schriftsatz (vertretungsweise) übermittelt wurde. Idealerweise sollte deshalb im Schriftsatz klargestellt werden, wer der Adressat aller weiterer gerichtlicher Korrespondenz ist (vgl. auch § 130 Nr. 1a ZPO).

Dogmatischer Hintergrund

Hinsichtlich der elektronischen Übermittlungswege differenziert das Gesetz in § 130a Abs. 3 ZPO seit dem 1.1.2018 zwischen „sicheren Übermittlungswegen“ und anderen zugelassenen elektronischen Übermittlungswegen mit Auswirkungen darauf, ob eine qualifizierte elektronische Signatur erforderlich ist oder eine so genannte einfache Signatur ausreicht. „Sichere Übermittlungswege“ sind solche, die aufgrund technischer Verfahren die Feststellung der Identität des Absenders und damit die Authentizität der Nachricht absichern. Eigentlich also zwei unterschiedliche Formvorschriften, die nebeneinander stehen. Das BayObLG (v. 19.01.2023 – 207 StRR 2/23) ist hier aber anderer Meinung; es verlangt jedenfalls, dass eine einfache Signatur und eine gleichzeitig angebrachte qualifizierte elektronische Signatur übereinstimmen müssen.

Die Formvoraussetzungen im elektronischen Rechtsverkehr sind gesetzlich in § 130 a ZPO geregelt.  Abs. 3  nennt die elektronischen Unterzeichnungsformen „zugelassener Übermittlungsweg und qualifizierte elektronische Signatur“ (Absatz 3 Alt. 1) oder „sicherer Übermittlungsweg und einfache Signatur“ (Absatz 3 Alt. 2) gleichrangig nebeneinander. Ein Konkurrenzverhältnis ist im Gesetz nicht vorgesehen.

Mit Beschluss vom 24. Oktober 2019 – 8 AZN 589/19 hatte sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) zur Formwirksamkeit eines Schriftsatzes zu äußern, in dem einfache Signatur und qualifizierte Signatur nebeneinander angebracht waren – aber unterschiedliche Personen auswiesen. Das Gericht gab zugunsten des Einreichers der qualifizierten elektronischen Signatur den Vorrang. Der Beschwerdeschriftsatz wurde über das beA des Rechtsanwalts A beim BAG eingereicht. Er trug die einfache Signatur (maschinenschriftlicher Name) des Rechtsanwalts B (also nicht die einfache Signatur des Postfachinhabers) und die qualifizierte elektronische Signatur von Rechtsanwalt A. Das BAG hielt dieses Vorgehen für formwirksam.

Das BayObLG (v. 19.01.2023 – 207 StRR 2/23) relativiert – im Gegensatz zum BAG  – das gleichberechtigte Nebeneinander von qualifizierter elektronischer Signatur und Übermittlung auf einem sicheren Übermittlungsweg. Es meint, die „Unterzeichnung“ des Schriftsatzes mit einfacher Signatur stelle die Verantwortungsübernahme dar. Da die qualifizierte elektronische Signatur aber von der verantwortenden Person stamme müsse, sei eine elektronische Einreichung ungültig, wenn einfache Signatur und qeS auseinanderfielen und kein sicherer Übermittlungsweg genutzt würde.

Die Entscheidung des BayObLG überzeugt indes nicht, denn die Verantwortungsübernahme kann durchaus auch in der qeS gesehen werden. Das BayObLG übersieht, dass die Anbringung einer qeS sehr viel aufwendiger ist, als die Hinzufügung der einfachen Signatur. Es liegt deshalb näher in der qeS mindestens ebenfalls eine Verantwortungsübernahme zu erkennen.

Siehe ferner auf ervjustiz.de:

Autor: Prof. Dr. Henning Müller

Direktor des Sozialgerichts