BSG zur Container-Signatur: Sie ist unzulässig, Wiedereinsetzung denkbar!

Unter dem Aktenzeichen B 12 KR 26/18 B (Entscheidung um Volltext) hat das Bundessozialgericht in erfreulicher Klarheit gleich zu mehreren sehr praxisrelevanten und aktuellen Problemen des elektronischen Rechtsverkehrs nach Ausfall des beA Stellung bezogen. Es hält die Containersignatur für unzulässig. Eine Wiedereinsetzung ist grundsätzlich denkbar, allerdings handelt es sich nicht um einen Fall des § 65a Abs. 6 SGG (entspricht: § 130a Abs. 6 ZPO).

Mit Presseerklärung vom 9. Mai 2018 hat das Bundessozialgericht über ein Verfahren informiert, in dem es zu entscheiden hatte, welche Rechtsfolgen es hat, wenn ein schriftformbedürftiges und fristgebundenes Dokument mit der Containersignatur anstelle einer in der ERVV zugelassenen Signatur versehen ist.

Zur Containersignatur heißt es in der Presseerklärung:

Elektronische Dokumente, die über das EGVP eingehen und nicht mit einer auf das jeweilige Einzeldokument bezogenen qualifizierten elektronischen Signatur (qeS) versehen, sondern mittels einer den Nachrichtencontainer beziehungsweise weitere Container umfassenden Container-Signatur übermittelt worden sind, genügen seit dem 1. Januar 2018 nicht den Anforderungen nach § 65a Absatz 2 Satz 2, Absatz 3 Sozialgerichtsgesetz in Verbindung mit § 4 Absatz 2 ERVV.

Dem BSG war die Brisanz dieser Fragestellung bewusst. Dies zeigt sich bereits in der Presseerklärung:

Diese in der Praxis weitgehend unbeachtet gebliebene Rechtsänderung zu Jahresbeginn führt zusammen mit dem Umstand, dass der verbreitete EGVP-Client derzeit bei gewohnter Nutzung eine (unzulässige) Container-Signatur anbringt und das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) als Alternative derzeit nicht zur Verfügung steht, zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit und Rechtsschutzlücke. Da Rechtsmittel und Rechtsmittelbegründungen fristgebunden sind, droht deren Verwerfung als unzulässig, wenn sie bei elektronischer Übersendung nicht den Anforderungen entsprechend übermittelt wurden.

Im Ergebnis erteilt das BSG der Rechtsprechung des Brandenburgischen OLG eine Absage, in der eine verfassungskonforme, teleologische Reduktion des § 4 Abs. 2 ERVV dahingehend vorgenommen wurde, die Containersignatur solange als zulässig zu betrachten, wie sich hieraus keine negativen Folgen für die Überprüfbarkeit ihrer Wirksamkeit ergeben – mithin bis zur Einführung führender elektronischer Gerichtsakten. Das BSG bleibt mit seiner Rechtsprechung dagegen nahe am Wortlaut und am Willen des Verordnungsgebers, der in der Verordnungsbegründung sehr eindeutig zum Ausdruck gekommen ist.

Gleichzeitig will das BSG aber mit den prozessual verfügbaren Mitteln „helfen“, wenn die Formunwirksamkeit nicht schuldhaft verursacht worden ist. In der Presserklärung heißt es:

Unter Umständen ist ihm zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Es handelt sich dabei ausweislich der Presserklärung um die Anwendung allgemeiner Wiedereinsetzungsregeln. Explizit nicht angewendet hat das BSG § 65a Abs. 6 SGG (entspricht: § 130a Abs. 6 ZPO). Danach gilt, dass – wenn das übersandte Dokument nicht zur Bearbeitung im Gericht geeignet ist – das Gericht dies unverzüglich dem Einsender mitzuteilen hat und der Einsender dann nochmals – unverzüglich, unter Beachtung der technischen Rahmenbedingungen – rückwirkend fristwahrend einreichen darf. Dieser privilegierte (weil nicht an Unverschulden gebundene) Wiedereinsetzungstatbestand sei auf die Verwendung einer Containersignatur gerade nicht anwendbar:

Die in § 65a Absatz 6 Sozialgerichtsgesetz vorgesehene Möglichkeit der Heilung hilft in diesen Fällen grundsätzlich nicht weiter, weil die container-signierten elektronischen Dokumente regelmäßig „zur Bearbeitung geeignet“ sind.

Das BSG legt den Begriff der „Bearbeitbarkeit“ daher einschränkend und am Wortlaut orientiert aus. Das BSG vertritt damit die auch hier favorisierte Rechtsauffassung.

Für die richterliche Praxis ergibt sich damit allerdings die Notwendigkeit, bereits sehr früh im Verfahren die Formwirksamkeit der Einreichung zu überprüfen, um entsprechend der gerichtlichen Hinwirkungspflicht zu genügen.


Die Entscheidung ist im Volltext hier abrufbar.

Autor: Prof. Dr. Henning Müller

Direktor des Sozialgerichts