Nicht verwirren lassen: Auch Computerfax ist kein elektronischer Rechtsverkehr

Digitalfax („Digifax“) bzw. Computerfax haben längst die klassischen Telefaxgeräte – vielleicht noch museumsreif mit Thermopapier – abgelöst. Im Grunde handelt es sich um eine Technik aus dem Zeitalter vor der Verbreitung des Internets. Im Büro- und Behördenalltag – erst recht in den deutschen Gerichten – ist das Telefax aber oft noch Mittel der Wahl, wo elektronischer Rechtsverkehr (noch) nicht zur Verfügung steht, Briefpost aber einfach zu lange braucht.

Nun darf sich der Rechtsanwender durch die Begriffe „digital“ oder „Computer“ nicht verwirren lassen. Ein im Faxprotokoll übersandtes Schriftstück wird auch unter Verwendung moderner Endgeräte gerade nicht im elektronischen Rechtsverkehr versandt. § 130a ZPO greift also nicht. Nach der weit überwiegenden Meinung ist auch ein Computerfax ein schriftliches Dokument.

Bereits seit den 1990er Jahren allgemein anerkannt und durch das Formvorschriftenanpassungsgesetz[1] seit 2001 Gesetz geworden ist, dass ein verschriftlichtes Rechtsschutzgesuch, das mittels Telefax dem Gericht zugeleitet wird und dort ausgedruckt wird, die Schriftform wahrt.[2] Die eigenhändige Unterschrift auf dem Original des Schriftstücks werde zwar aufgrund der Faxübertragung auf dem Ausdruck im Gericht „nur“ abgebildet, sie sei aber dennoch als solche erkennbar und erfülle die ihr zukommende Identifikations- und Nachweisfunktion.[3]

Der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes bestätigte dies später auch für das sog. „Computerfax“[4]: Bestimmende Schriftsätze können danach formwirksam durch elektronische Übertragung einer Textdatei mit eingescannter Unterschrift auf das Fax des Gerichts übermittelt werden, soweit der Zweck der Schriftform auf diese Weise gewährleistet wird. Der Senat hat es sogar als ausreichend erachtet, dass nur ein Hinweis angebracht ist, daß der benannte Urheber wegen der gewählten Übertragungsform nicht unterzeichnen kann (letzteres ist die Keimzelle der Floskel „Dieses Schreiben ist maschinell erstellt und ohne Unterschrift gültig“). [5]

Unter § 130a ZPO fällt das Telefax also gerade nicht, sondern es „gilt“ als schriftliches Dokument – unabhängig davon, mit welchen technischen Mitteln (klassisches Fax oder Digital-/Computerfax) das Gericht die Faxsendung empfängt. Dies ist auch folgerichtig, denn als letztlich analoge Technologie übermittelt das Telefax keine Dateien und wäre deshalb nicht in der Lage qualifizierte elektronische Signaturen zu übertragen. Hieran ändert sich auch dann nichts, wenn die Faxinformation über eine digitale „Telefonleitung“ (bspw. VOIP) übermittelt wird.

Mit dem Justizkommunikationsgesetz hat der Gesetzgeber keine gesonderte Regelung zur Computerfaxübermittlung eingefügt, obschon sich in dieser Novelle sicher die Gelegenheit hierzu ergeben hätte. Diese gesetzgeberische Zurückhaltung nährte erneute Zweifel hinsichtlich der Schriftformwahrung durch Computerfax.[6] Die neu geschaffenen hohen Anforderungen an schriftformwahrende elektronische Dokumente dienen schließlich gerade der Gewährleistung der vom GmS-OGB  hervorgehobenen Authentizität und Integrität.[7] Höchstrichterlich hat sich hiermit aber der BFH bereits beschäftigt und in seiner Entscheidung die frühere Linie der Bundesgerichte zum Computerfax bestätigt:[8]

„[…] Per Telefax übersandte Bescheide sind erst mit ihrem Ausdruck durch das – auf automatischen Ausdruck eingestellte – Empfangsgerät wirksam „schriftlich erlassen“. […] Hat das Empfangsgerät nach dem unwiderleglichen Vortrag des Adressaten den Bescheid nicht ausgedruckt, gehen die sich daraus ergebenden Zweifel an der wirksamen Bekanntgabe zu Lasten der Finanzbehörde. […]

Es ist deshalb nicht davon auszugehen, dass eine Rechtsprechungsänderung bevor steht. Tatsächlich hinterfragen Gerichte die Telefaxübermittlung in der praktischen Anwendung – im Gegensatz zur Kommunikation im elektronischen Rechtsverkehr, mit ihren komplexen Formvorschriften – nicht. Einzige bislang ersichtliche Ausnahme ist eine Entscheidung des Amtsgerichts Hünfeld zur Nutzung von Digifax in Ordnungswidrigkeitenverfahren in Kombination mit dem Einsatz einer elektronischen Akte beim Telefaxempfänger (AG Hünfeld Beschluss vom 04.07.2013 – 34 Js – OWi 4447/13):

Ist das Verfahren beim Empfang von Telefaxsendungen so gestaltet, dass die empfangenen Übermittlungen nicht in jedem Fall ausgedruckt werden, so wahrt die Übermittlung per Telefax die Schriftform nicht, es gelten vielmehr die Bestimmungen für die Einreichung elektronischer Dokumente. Bei der gegenwärtig vom Regierungspräsidium Kassel praktizierten Verfahrensweise („Digitalfax“) kann dort ein Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid nicht formwirksam per Telefax eingelegt werden. Gegebenenfalls kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden.

Nicht nur ist der amtsgerichtlichen Rechtsprechung bereits das Landgericht Fulda (Beschluss vom 8. Mai 2013 – 2 Qs 10/13) als Beschwerdegericht entgegengetreten, auch im Übrigen hat die Entscheidung des Amtsgerichts Hünfeld vor allem Widerspruch geerntet (Skrobotz, in: jurisPR-ITR 20/2013 Anm. 6; lawblog – Wann ist ein Fax ein Fax?). Tatsächlich verkennt das Amtsgericht Hünfeld vor allem den Grundsatz, dass die Formwirksamkeit nicht von einem – letztlich unvorhersehbaren – Verhalten des Empfängers abhängig sein kann. Schließlich führt der Schluss der Amtsgerichts, es müsse sich bei Digitalfaxen um elektronische Dokumente handeln, auch zu einer sinnlosen Rechtsfolge; weil qualifizierte elektronische Signatur (jedenfalls sinnvoll) nicht per Telefax übertragbar sind, wäre die Formwahrung unter Anwendung der hier abgelehnten Rechtsprechung im Ergebnis nie denkbar.

Für Richterinnen und Richter ist die Konsequenz jedenfalls so lange noch Papierakten geführt werden denkbar einfach: Fax ist Fax. Transfervermerk und Prüfprotkolle sind nur im elektronischen Rechtsverkehr zu überprüfen – und das ist etwas anderes als die Telefaxkommunikation.

Ändert sich etwas mit elektronischen Gerichtsakten?

Auch bei Einführung elektronischer Gerichtsakten, ist es aber ausgeschlossen, dass Telefaxe nach den Regelungen über den elektronischen Rechtsverkehr behandelt werden – selbst, wenn es sich beim Absender um ein Compuerfax handelt (und folglich dann weder beim Absender noch beim Empfänger eine Verkörperung durch Ausdruck vorläge). Zwar bricht damit der dogmatische Begründungsansatz der bisherigen Rechtsprechung zum Telefax weg, der ja auf die Verkörperung zur Gleichstellung mit der konventionellen Schriftform abstellt. Andererseits ist es dennoch nicht denkbar, dass das Computerfax mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen wird, weshalb die Regelung des § 130a ZPO erst recht nicht passt. Auch ein elektronisches Empfangsbekenntnis (eEB) ist nicht „telefaxfähig“. Viel spricht deshalb dafür, dass ein Fax auch dann noch ein Fax bleibt, wenn eine eAkte geführt wird.

Aus Nachweisgründen wird das Gericht aber gut daran tun, wenigstens die empfangene „Telefaxdatei“ unangetastet zu lassen. Splitten Gerichte, die Digitalfaxe einsehen bisher Telefaxe (bspw. wenn sie zu verschiedenen Verfahren in einer Telefaxsendung eingehen oder wenn sie einen Schriftsatz und eine PKH-Erklärung umfassen), sollten die Gerichte mit eAkte die „Telefaxdatei“ grundsätzlich wie ein empfangenes und elektronisch signiertes Dokument behandeln (schon weil die Rechtsfolge identisch ist). Wenn aus Praktikabilitäts-Gründen ein Splitten unbedingt erforderlich ist, muss jedenfalls das ungesplittete Original aufbewahrt werden. Andernfalls käme es zu Inkonsistenzen, bspw. wenn das Telefax-Sende- bzw. Empfangsprotokoll eine Sendung mit 10 Seiten anzeigt und nach dem Splitten nur noch weniger Seiten Aktenbestandteil sind.

Sicherlich ideal wäre natürlich – und insoweit besteht Einigkeit auch mit dem Amtsgericht Hünfeld – eine Klarstellung durch den Gesetzgeber. Noch besser wäre, wenn der Schwung des elektronischen Rechtsverkehrs irgendwie genügt, um Faxgeräte (und -server) endlich aus den Gerichten zu verbannen.


[1] BGBl I 2001, 1542.

[2] BVerfG, Beschl. v. 1.8.1996 – 1 BvR 121/95 –, NJW 1996, 2857; BGH, Beschl. v. 20.9.1993 – II ZB; 10/93 –, NJW 1993, 3141; BGH, Beschl. v. 8.10.1997 – XII ZB 124/97 –, NJW 1998, 762; Müller, eJustice-Praxishandbuch, 3. Aufl., 2018, S. 85..

[3] Jaritz, in: Roos/Wahrendorf, SGG, 1. Aufl., 2014, § 90 Rn. 36.

[4] BGH, Vorlagebeschl. v. 29.9.1998 – XI ZR 367/97 –, NJW 1998, 3649.

[5] GmS-OGB, Beschl. v. 5.2.2000 – Gms-OGB 1/98; bestätigt durch: BVerfG, Beschl. v. 4.7.2002 – 2 BvR 2168/00 –, NJW 2002, 3534; hinsichtlich der Gültigkeit durch Hinweis herzlichen Dank für den Tipp an Herrn VRiVG Specht.

[6] Jaritz, in: Roos/Wahrendorf, SGG, 1. Aufl., 2014, § 90 Rn. 39.

[7] BT-Drs. 15/4067, S. 24.

[8] BFH, Urteil vom 18. März 2014 – VIII R 9/10.

Autor: Prof. Dr. Henning Müller

Direktor des Sozialgerichts