Bundesweite Rechtsverordnung über den elektronischen Rechtsverkehr (ERVV) ist verabschiedet.

Die bundesweite Rechtsverordnung über den elektronischen Rechtsverkehr (ERV-RVO) ist verabschiedet. Damit sind die rechtlichen Voraussetzungen für die Neuordnung des elektronischen Zustellungsrechts ab dem 1. Januar 2018 geschaffen. Die für ZPO und die fachgerichtlichen Prozessordnungen einheitliche Rechtsverordnung beinhaltet insbesondere Regelungen zum Dateiformat, zur sog. „Container-Signatur“ und zum besonderen elektronischen Behördenpostfach (beBPo).

Dateitypen

Gem. § 2 Abs. 1 ERV-RVO sind künftig grundsätzlich nur noch texterkannte („durchsuchbare„) PDF-Dateien zulässig. Nach der Übergangsvorschrift des § 2 Abs. 1 Satz 4 ERV-RVO kann bis 30. Juni 2019 noch auf die Texterkennung verzichtet werden. Ferner kann gem. § 2 Abs. 1 Satz 2 ERV-RVO gleichzeitig auch eine TIFF-Datei mitübersandt werden, falls die Umwandlung eines Bildes in eine PDF-Datei zu einer Qualitätseinbuße führt. Ab dem 1. Januar 2018 „müssen“ (explizit in § 130a Abs. 1 ZPO genannt) nicht nur formbedürftige Schriftsätze, sondern auch Anlagen, Gutachten etc. von der verantwortenden Person selbst qualifiziert elektronisch signiert werden, sofern sie nicht auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden, und sich hinsichtlich des Dateityps an die Vorgaben der dann bundesweiten ERV-RVO halten. Es gilt daher nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht mehr – wie bisher -, dass sich die Formanforderungen nur auf schriftformbedürftige Schriftsätze beziehen. Inwieweit sich diese „strenge Gesetzeslage“ auf die gerichtliche Praxis auswirkt bleibt abzuwarten.

Auf beigezogene Verwaltungsakten von Behörden in öffentlich-rechtlichen Gerichtsverfahren vor den Verwaltungs-, Sozial- oder Finanzgerichten beziehen sich die Regelung der ERV-RVO dagegen nicht. Die dortigen Regelungen zur Beiziehung der Akten sind gegenüber den Regelungen zum elektronischen Rechtsverkehr in den jeweiligen Verfahrensordnungen lex specialis.

Container-Signatur

Gem. § 4 Abs. 2 ERV-RVO dürfen mehrere elektronische Dokumente nicht mit einer gemeinsamen qualifizierten elektronischen Signatur übermittelt werden. Nach der Verordnungsbegründung wollte der Verordnungsgeber mit dieser Regelung die sog. Container-Signatur ausschließen, weil sie sowohl hinsichtlich des eigenen Prüfungsrechts des Verfahrensgegners, als auch im Hinblick auf die sichere Dateiablage bei führenden elektronischen Akten zu rechtlichen und tatsächlichen Problemen führt. [1] Der Sinn und Zweck der Regelung ist zu begrüßen, auch wenn der Wortlaut nicht eindeutig ist. Insbesondere bei einer Signatur mit dem EGVP-Classic-Client ist es so, dass – auch dann, wenn eigentlich nur eine Datei (als Anlage) übersandt wird – eine damit angebrachte Containersignatur faktisch stets mehrere Elemente umfasst (bspw. die „EGVP-Nachricht“), die stets mitversandt werden.

Besonderes elektronisches Behördenpostfach (beBPo)

In ihren §§ 6 ff. ERV-RVO regelt die neue Rechtsverordnung die Details zum besonderen elektronischen Behördenpostfach (beBPo). Dieser neue sichere Übermittlungsweg beruht auf der bewährten EGVP-Infrastruktur. Neben der De-Mail stellt das beBPo eine Möglichkeit für Behörden dar, ihrer Verpflichtung zur Schaffung eines sicheren Übermittlungswegs bis zum 1. Januar 2018 nachzukommen. In der Rechtsverordnung finden sich die hierzu konstitutiv notwendigen Regelungen zum Identifizierungsverfahren und zu den Zugriffsvoraussetzungen.

Für das Identifizierungsverfahren bestimmen die obersten Behörden des Bundes oder der Länder öffentlich-rechtlichen Stellen zur Prüfung der Identität der Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts und bestätigen dies in einem sicheren elektronischen Verzeichnis, § 7 Abs. 1 ERV-RVO. Hierdurch erhalten die geprüften Behörden die „EGVP-Rolle“ eines beBPos.

Um die Funktion des beBPo als sicheren Übermittlungsweg zu sichern, regelt § 8 Abs. 1 ERV-RVO Beschränkungen des Zugriffs auf das Postfach. Der Postfachinhaber bestimmt die natürlichen Personen, die Zugang zum beBPo erhalten sollen, und stellt ihnen ein Zertifikat und das Zertifikats-Passwort zur Verfügung. Gem. Abs. 2 darf der Zugang zum beBPo ausschließlich mithilfe des Zertifikats und des Zertifikats-Passworts des Postfachinhabers erfolgen. Die Zugangsberechtigten dürfen das Zertifikat nicht an Unbefugte weitergeben und haben das Zertifikats-Passwort geheim zu halten. Abs. 4 bestimmt, dass der Postfachinhaber zu dokumentieren hat, wer zugangsberechtigt ist, wann das Zertifikat und das Zertifikats-Passwort zur Verfügung gestellt wurden und wann die Zugangsberechtigung aufgehoben wurde. Er stellt zugleich sicher, dass der Zugang zu seinem besonderen elektronischen Behördenpostfach nur den von ihm bestimmten Zugangsberechtigten möglich ist.


 

[1] Siehe zum Thema Containersignatur „eJustice-Praxishandbuch“, 2. Auflage, S. 93 ff.

Autor: Prof. Dr. Henning Müller

Direktor des Sozialgerichts