Ab 1.1.2018 ERV nur noch mit texterkannter PDF?

Mit der Neufassung des § 130a ZPO und der zum 1. Januar 2018 in Kraft tretenden bundesweiten ERV-Rechtverordnung wird es voraussichtlich zu verschärften Formanforderungen für elektronisch eingereichte Schriftsätze kommen. Brisant daran ist, dass sich diese Formvoraussetzungen nicht nur auf (bestimmende) Schriftsätze beziehen, sondern auch auf ihre Anlagen und weitere bei Gericht eingehende Dokumente, wie bspw. Sachverständigengutachten.

Gem. § 130a Abs. 1 Satz 1 ZPO in der bis zum 31. Dezember 2017 gültigen Fassung bezogen sich die dort definierten besonderen Anforderungen an Dateitypen oder die Notwendigkeit einer qualifizierten elektronischen Signatur nur auf Dokumente, für die „die Schriftform vorgesehen ist“. Dies ist vor allem also bei bestimmenden Schriftsätzen der Fall -, im Übrigen (also bspw. bei Anlagen zu Schriftsätzen, bei Sachverständigengutachten etc.) aber nicht.

130a Abs. 1 – 3 ZPO in der ab 1. Januar 2018 gültigen Fassung verschärft diese Voraussetzungen. Ab diesem Zeitpunkt „müssen“ (explizit genannt) Anlagen, Gutachten etc. von der verantwortenden Person selbst qualifiziert elektronisch signiert werden, sofern sie nicht auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden, und sich hinsichtlich des Dateityps an die Vorgaben der dann bundesweiten ERV-RVO halten. Nach dem derzeitigen Entwurfsstand der Rechtsverordnung wären dann nur noch texterkannte PDF-Dateien zulässig – angedacht ist derzeit maximal eine Übergangsvorschrift und die gleichzeitige Einreichung von TIFF-Dateien, falls die PDF-Datei zu einer Qualitätseinbuße führt.

Inwieweit sich diese „strenge Gesetzeslage“ auf die gerichtliche Praxis auswirkt bleibt abzuwarten. So sind durchaus Fälle denkbar, in denen Anlagen zu Schriftsätzen weder sinnvoll als PDF-Datei noch als TIFF-Datei darstellbar sind; zu denken ist hier bspw. an privatrechtliche Verträge, die als Word-Datei abgefasst und qualifiziert elektronisch signiert worden sind, oder Röntgen- oder MRT-Bilder, die üblicherweise im Format DICOM (Digital Imaging and Communications in Medicine) ausgegeben und möglicherweise so auch übersandt werden sollen, um sie an einen Sachverständigen weiterzureichen. Es ist auch im Hinblick auf die effiziente Rechtsschutzgewährung nicht anzunehmen, dass dem Gesetz- bzw. Verordnungsgeber daran gelegen war, ein solches, sinnvolles Vorgehen zu beschränken.

Da § 130a ZPO über keine explizite Sanktion bei Verstößen verfügt und der Amtsermittlungsgrundsatz jedenfalls in den öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeiten es im Übrigen als undenkbar erscheinen lässt, dass der Richter einen Schriftsatz bloß deshalb ignorieren dürfte, weil er möglicherweise nicht texterkannt ist, ist nicht auszuschließen, dass die neue Rechtslage nur geringe praktische Auswirkungen hat. Andererseits ist es gerade aus der Perspektive eines Rechtsanwalts grundsätzlich schon aus Haftungsgründen zweckmäßig, sich an explizite normative Anforderungen zu halten. Sicherheitshalber ist deshalb zu empfehlen, jedenfalls auch eine texterkannte PDF-Datei mitzuübersenden. Die entsprechenden technischen Voraussetzungen hierfür sollten Rechtsanwälte und Behörde schnellstmöglich schaffen.

 

Autor: Prof. Dr. Henning Müller

Direktor des Sozialgerichts