Alles PDF, oder was? Behörden bestimmen das Dateiformat ihrer eAkte selbst!

Die Vorlage der Verwaltungsakten erfolgt nicht lediglich in Form einer Anlage zu einem (vorbereitenden) Schriftsatz. Es handelt sich vielmehr um einen dem Beweisrecht zuzuordnen prozessualen Vorgang, der Teil der Amtsermittlungspflicht des Vorsitzenden bzw. des Berichterstatters ist, wie die systematische Stellung der Regelungen zeigt. Mögliche Dateiformate vorzulegender elektronischer Verwaltungsakten sind daher nicht auf die zulässigen Formate der ERV-Rechtsverordnung beschränkt.

130a ZPO (bzw. § 65a SGG, § 55a VwGO etc.) ist auf die Vorlage der Verwaltungsakte ebensowenig direkt anwendbar, wie die Rechtsverordnung über den elektronischen Rechtsverkehr. [1] Dem Gericht ist es daher de lege lata grundsätzlich verwehrt (auch, wenn es dem Gericht evtl. im Ergebnis nicht zusagt), ein Dateiformat für die elektronische Verwaltungsakte vorzugeben. Dies gilt – leider – auch für das in der (bundesweiten) ERV-Rechsverordnung zum 1. Januar 2018 vorgesehenen Anforderung, dass Dokumente texterkannt zur Verfügung zu stellen sind.

Entsprechend des Rechtsgedankens des § 130a Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 1 ZPO wird jedoch zu verlangen sein, dass das Format für das Gericht mit verhältnismäßigen Mitteln lesbar sein muss. Hiervon kann die Behörde insbesondere dann ausgehen, wenn sie in ein Format, das nach der ERV-Rechtsverordnung zugelassen ist, exportiert bzw. konvertiert oder wenn gängige Standardformate der Bürokommunikation verwandt werden. Ist dies nicht der Fall, hat das Gericht die Behörde entsprechend § 130a Abs. 6 ZPO n.F. hierüber unverzüglich zu unterrichten.

Nicht verlangt werden kann aber, dass das Gericht spezielle Anzeigesoftware für atypische Dateiformate bereit hält (bspw. für MRT-Dateien oder Baupläne). Dies ist auch bereits deshalb ausgeschlossen, weil die Verwaltungsakte zur Wahrung des Rechts auf rechtliches Gehör auf Anforderung auch dem Prozessgegner zur Einsicht zugänglich gemacht werden muss, was im elektronischen Rechtsverkehr wiederum regelmäßig durch elektronische Übersendung derselben geschieht. Unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten kann aber auch vom Prozessgegner nicht verlangt werden, hierfür eigens besondere Software zu beschaffen.

In besonderen Konstellationen kann es sich als zweckmäßig erweisen, dass die Behörde dem Gericht die Verwaltungsakte „vorlegt“, in dem sie dem Gericht die Möglichkeit gibt, sich auf die eigenen Server – und damit auch letztlich auf das eigene Fachverfahren – „aufzuschalten“. Dies ist insbesondere dann denkbar, wenn es sich bei der Behörde um einen Prozessbeteiligten mit einer besonderen Vielzahl von Verfahren handelt und die Verwaltungsakte einer anderweitigen Darstellung kaum zugänglich erscheint; bspw. weil sie schwerpunktmäßig aus Daten und nur zu geringen Anteilen aus Dokumenten besteht. Unabhängig von den sich hieraus ergebenden technischen Schwierigkeiten bei der Etablierung eines entsprechenden Zugangs, stellen sich mindestens auch zwei rechtliche Probleme: Einerseits muss das Gericht einen ungehinderten, wohl sogar ständigen Zugang zu den behördlichen Systemen erhalten, der wohl auch keiner oder jedenfalls einer nicht ohne Weiteres auslesbaren Protokollierung unterliegt, was wiederum eine Herausforderung für die IT-Sicherheit der Behörde darstellen dürfte. Andererseits muss die Behörde (letztendlich auch das Gericht) gewährleisten, dass auch der Prozessgegner eine Akteneinsichtsmöglichkeit erhält, die seinem Anspruch auf rechtliches Gehör genügt. Vor diesem Problem steht die Behörde aber gem. § 25 SGB X, § 29 VwVfG ohnehin, sobald sie elektronische Akten führt. Schließlich muss sichergestellt sein, dass das Gericht bei dieser „lebenden“ Akte, einen Akteninhalt zugrunde legen kann der dem Streitgegenstand entspricht; zumindest muss das Gericht über Aktualisierung und Veränderungen in der Aktenhistorie informiert sein bzw. sich informieren können.

In der Praxis spielt dieses theoretische Problem aber perspektivisch keine Rolle. Als Export-Format hat sich PDF etabliert, zumeist in Form einer (großen) PDF-Datei, in der sämtliche Dokumente und Daten zusammengefasst sind, seltener, wenn auch für die Weiterverarbeitung günstiger, in Form einzelner PDF-Dokumente. Jedenfalls für die Gerichte, die das in den öffentlichen-rechtlichen Gerichtsbarkeiten gängige Gerichtsfachverfahren EUREKA-Fach einsetzen, sind damit alle weiteren Fragen der „Lesbarmachung“ gelöst, weil sich mit dem darin integrierten sog. „Aktenviewer“ die Verwaltungsakte durchsuchbar, strukturierbar und mit Annotationen versehbar an jedem Arbeitsplatz, also auch beim Richter, darstellen lässt, unabhängig davon, in welchem der oben dargestellten Formate sie eingereicht wird.

[1] Müller, eJustice-Praxishandbuch, 2. Aufl. 2017, S. 203

Autor: Prof. Dr. Henning Müller

Direktor des Sozialgerichts

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