Im Bundesland Sachsen führt als erstes Fachgericht am 16. März 2020 das Sozialgericht Chemnitz eine führende elektronische Gerichtsakte ein. Während andere Gerichte zunächst kleinteilig in einzelnen Spruchkörpern pilotiert, traut sich das Sozialgericht an die Umstellung des gesamten Gerichts auf die digitale Aktenbearbeitung. Das Sozialgericht Chemnitz hat bereits seit vielen Jahren Erfahrung mit vollständigen elektronischen Geschäftsprozessen basierend auf dem dort zum Einsatz kommenden Justizfachverfahren EUREKA-Fach, das auch in den meisten anderen Fachgerichten der Ländern verwendet wird.
Rechtsgrundlage
Die elektronische Aktenführung wird gem. § 65b Abs. 1 SGG durch Rechtsverordnung eingeführt. Der Einführungsstand im Land Sachsen ist dort in der Anlage 2 ersichtlich. Ohne die Rechtsverordnung würde die Einführung elektronischer Gerichtsakten kraft Gesetzes (erst) am 1. Januar 2026 erfolgen, § 65b Abs. 2 SGG.
Pressemitteilung
Folgende Pressemitteilung hat hierzu das Sächsische Landessozialgericht am 12. März 2020 veröffentlicht:
Als erste Fachgerichtsbarkeit im Freistaat Sachsen führen das Sozialgericht Chemnitz ab 16. März 2020 und das Sächsische Landessozialgericht ab 2. Juni 2020 die elektronische Gerichtsakte, kurz: E@kte, ein.
Nachdem bereits am Landgericht Dresden und am Amtsgericht in Dresden einzelne Abteilungen das rein elektronische Verfahren erproben, wird das Sozialgericht Chemnitz am kommenden Montag als komplettes Gericht alle neuen Verfahren vollständig ohne Papier führen. Die bereits anhängigen Verfahren werden ebenfalls auf elektronische Aktenführung umgestellt. Viele Dokumente sind ohnehin aufgrund der bisher verwendeten EDV schon in digitaler Form vorhanden.
Für die Rechtschutzsuchenden ändert sich dadurch allerdings nichts. Alle Anträge und Klagen können wie bisher schriftlich oder persönlich bei der Rechtsantragsstelle eingereicht werden. Die Papierdokumente werden gescannt und so in die elektronische Form übertragen. Eine Klageerhebung per E-Mail ist weiterhin nicht möglich, da es einer speziellen elektronischen Signatur bedarf, um wirksam auf elektronischem Weg Klage erheben zu können.
Die Sozialgerichtsbarkeit war von Anfang an mit vielen Mitarbeitern aus allen Bereichen am Projekt E@kte beteiligt, das die organisatorischen und technischen Voraussetzungen für die rechtsverbindliche elektronische Aktenführung schafft. Denn am 31. Dezember 2021 sollen in Sachsen alle ordentlichen Gerichte (mit Ausnahme der Strafabteilungen) sowie alle Finanz-, Arbeits-, Verwaltungs- und Sozialgerichte in der Lage sein, Verfahrensakten ausschließlich elektronisch zu führen.
Befürchtung und Hoffnungen der Richterschaft
Dass sich mit der Einführung einer elektronischen Akte Befürchtungen verbinden ist demgegenüber nicht zu leugnen. Die Hessische Sozialgerichtsbarkeit hat hierzu bereits vor Jahren eine Befragung der Richterinnen und Richter durchgeführt und folgende Ergebnisse ermittelt:
Fast gleichrangig basieren die Befürchtungen im Hinblick auf negative Auswirkungen der eAkte auf der Annahme, die eAkte führe zu einer Belastung der Gesundheit, vor allem der Augen, zu einer Verlangsamung der Arbeitsabläufe und zu weniger persönlichen Kontakten. Festzustellen ist, dass der Pessimismus hinsichtlich der eAkte vor allem bei jüngeren und älteren Richtern besonders signifikant ist, während in der mittleren Alterskohorte zwischen 44 und 54 tendenziell Optimismus vorherrscht. Interessanterweise betrifft dies vor allem die Befürchtung, einer Augenbelastung durch die elektronische Akte, die insbesondere von jüngeren Richtern bis 44 Jahre vorgebracht wird.
Nach den Vorteilen einer elektronischen Akte gefragt, ist auffallend, dass im Vordergrund die verbesserten Möglichkeiten der Telearbeit stehen. Als weitere Vorteile werden ein „schnellerer Zugriff“ und eine „erleichterte Bedienung“ genannt. Als wesentliches Plus durch die Telearbeit identifizieren Richterinnen und Richter die hierdurch entstehenden Verbesserungen bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Für die Einführung einer elektronischen Akte, ist für die Mehrzahl der Richterinnen und Richter aber eine verbesserte Hardware-Ausstattung unverzichtbar. Hierbei wird vor allem eine Forderung nach ergonomischer Arbeitsplatzausstattung erhoben. Auch weitergehende Schulungen werden als „unverzichtbar“ bezeichnet.
Die hier auszugsweise dargestellte Befragung wird im eJustice-Praxishandbuch weiter aufgeschlüsselt.