OVG Schleswig-Holstein: Einfache Bekanntgabe geht auch per EGVP

Förmliche Zustellungen im elektronischen Rechtsverkehr sind gem. § 174 Abs. 3 Satz 3 ZPO nur noch in sichere Übermittlungswege gem. § 130a Abs. 4 ZPO zulässig. In ein EGVP-Postfach dagegen sind förmliche Zustellungen „eigentlich“ nicht rechtmäßig; ein Verstoß hiergegen ist lediglich gem. § 189 ZPO heilbar. Für einfache Bekanntgaben dagegen gilt diese Einschränkung nicht – meint jedenfalls das OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 21. Januar 2020 – 4 O 4/20.

1. Entscheidung des OVG

Das OVG hatte einen unanfechtbaren Streitwertbeschluss an einen nicht anwaltlichen Vertretenen Kläger zuzustellen. Dies war auch in dessen EGVP-Postfach möglich, meint das OVG.

„Wie das von ihm selbst übersandte Prüfprotokoll zeigt, ist ihm der Beschluss durch Übermittlung an sein „EGVP-Bürgerpostfach“ noch am selben Tag zugegangen. Dabei konnte das Gericht denjenigen Übermittlungsweg wählen, den der Antragsteller durch Einlegung der Beschwerde selbst eröffnet hatte. Dies gilt auch für den Fall der Bekanntgabe des Beschlusses als elektronisches Dokument. Solange keine besondere Bekanntgabeform vorgeschrieben ist, ist deren Wahl grundsätzlich dem Ermessen des Gerichts überlassen (Cybulka/Kluckert in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Aufl. 2018, § 56 Rn. 10). Eine solche Spezialvorschrift war vorliegend nicht zu beachten; insbesondere hatte, da der Beschluss unanfechtbar ist, keine Zustellung nach § 56 Abs. 1 VwGO zu erfolgen. Der Wahl eines „sicheren Übermittlungsweges“ i.S.d. § 55a Abs. 4 VwGO (vgl. § 130a Abs. 4 ZPO) und der Einholung einer Zustimmung des Empfängers bedarf es ebenfalls nur, wenn die Bekanntgabe eines elektronischen Dokuments durch Zustellung erfolgen soll (vgl. § 56 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 174 Abs. 3 Satz 2 ZPO).“

2. Anmerkung zur Entscheidung

Die Entscheidung ist unter praktischen Gesichtspunkten zu begrüßen. Der Adressat der Übermittlung war dem Gericht bekannt – er nutzte das Postfach selbst, so dass kein Risiko für Fehlzustellungen bestand. Für sie spricht, dass auch eine förmliche Zustellung in der vom OVG geschilderten Konstellation letztlich wirksam gewesen wäre, weil der Zustellungsmangel durch Nichtnutzung des sicheren Übermittlungswegs gem. § 189 ZPO geheilt worden wäre.

Systematisch kann man die Entscheidung aber durchaus auch anders sehen. Dass der Gesetzgeber förmliche Zustellungen in EGVP-Postfächer nicht mehr vorsieht, hängt letztlich damit zusammen, dass der Postfachinhaber bei EGVP derzeit nicht gesondert identifiziert wird, sondern unter einem beliebigen Namen sein Postfach eröffnen kann. Ist der Übermittlungsweg deshalb nicht eingespielt, droht – anders als im vorliegenden Fall – das Risiko ein Übermittlung an die falsche Person. Dieser Gedanke der förmlichen Zustellung lässt sich nach seinem Sinn und Zweck auch auf die einfache Bekanntgabe übertragen – zumal es für sie an einer eigenen Rechtsgrundlage neben § 174 Abs. 3 ZPO fehlt.

Siehe weiterführend: „Sichere Übermittlungswege – unsicheres EGVP“

Autor: Prof. Dr. Henning Müller

Direktor des Sozialgerichts