Telefax, weil der ERV zu langsam?

Um eine rechtzeitige Kenntnisnahme zu gewährleisten, kann einem Beteiligten deshalb in eilbedürftigen Fällen die Einreichung auf anderem Weg – hier: Telefax – aufgegeben werden, meint das OLG Karlsruhe (v. 28. Januar 2025 – 2 Orbs 320 SsBs 725/24).

Bei der Einreichung eines Dokuments im elektronischen Rechtsverkehr könne zwischen dem Eingang des Dokuments bei der Einrichtung gemäß § 32a Abs. 5 Satz 1 StPO (= § 130a Abs. 5 Satz 1 ZPO)- hier: Intermediär der baden-württembergischen Justiz – und dem Eingang bei dem eigentlichen Empfänger – hier: Amtsgericht – eine nicht näher bestimmbare Zeitspanne liegen. Um eine rechtzeitige Kenntnisnahme zu gewährleisten, könne einem Beteiligten deshalb in eilbedürftigen Fällen die Einreichung auf anderem Weg – hier: Telefax – aufgegeben werden.

Auszug aus dem Sachverhalt

Mit Schriftsatz vom 23.5.2024 monierte der Verteidiger, dass über seine Anträge auf Terminverlegung und Akteneinsicht noch nicht entschieden worden sei, woraufhin ihm am 24.5.2024 mitgeteilt wurde, dass diese Anträge nicht vorlägen. Am 26.5.2024 lehnte der Betroffene die zuständige Richterin, Richterin am Amtsgericht A., wegen Besorgnis der Befangenheit ab, die er aus der Nichtbescheidung der gestellten Anträge ableitete. Dabei wurde unter Vorlage des Übertragungsprotokolls – erstmals – vorgetragen, dass die Anträge in einem Schriftsatz vom 12.5.2024 enthalten gewesen seien, der dem Amtsgericht am 13.5.2024 mittels beA übermittelt worden sei. Die dienstliche Stellungnahme von Richterin am Amtsgericht A. vom 27.5.2024, in dem diese nochmals betonte, dass ihr der Schriftsatz vom 12.5.2024 nicht vorliege, wurde auf Anordnung von Richterin am Amtsgericht B. am 27.5.2024 um 12:35 Uhr der Kanzlei des Verteidigers per Telefax mit dem Zusatz „Bitte um sofortige Vorlage, notfalls an den Vertreter“ übermittelt. Gleichzeitig wurde die Möglichkeit zur Stellungnahme „per Fax“ bis 14:30 Uhr am selben Tag gegeben, „um vor dem morgen anberaumten Hauptverhandlungstermin entscheiden zu können“. In einem Aktenvermerk ist festgehalten, dass bis 14:36 Uhr keine Stellungnahme einging. Daraufhin erging der von Richterin am Amtsgericht B. gefasste Beschluss vom 27.5.2024, mit dem die Ablehnung von Richterin am Amtsgericht A. wegen Besorgnis der Befangenheit als unbegründet zurückgewiesen wurde.

Auszug aus den Gründen

Der Senat hatte beim IuK-Fachzentrum Justiz, das in der baden-württembergischen Justiz federführend mit Fragen des elektronischen Rechtsverkehrs betraut ist, eine Auskunft eingeholt, aus der sich ergab, dass das Amtsgericht Heidelberg erst mit dem in einem Transfervermerk bezeichneten späteren Zeitpunkt Kenntnis vom Eingang des das weitere Ablehnungsgesuch enthaltenden Schriftsatzes nehmen und auf diesen zugreifen konnte. Zudem sei zu berücksichtigen, dass in der Verfügung vom 27.5.2024, mit der die Frist zur Stellungnahme zur dienstlichen Erklärung von Richterin am Amtsgericht A. bestimmt worden war, ausdrücklich die Einreichung einer etwaigen Stellungnahme mittels Telefax erbeten worden war. Nach alledem ist davon auszugehen, dass die Unkenntnis von Richterin am Amtsgericht B. von dem gegen sie gerichteten Ablehnungsgesuch nicht auf Pflichtwidrigkeit beruhte, als sie – als nach dem Geschäftsverteilungsplan originär zuständige Richterin – über das Ablehnungsgesuch gegen Richterin am Amtsgericht A. entschied.

Fall der Ersatzeinreichung?

Wie auch § 130d ZPO, sieht § 32d StPO die grundsätzliche Pflicht zur elektronischen Einreichung vor. Nur ausnahmsweise kommt eine Ersatzeinreichung „nach den allgemeinen Vorschriften“ – also wie hier auch mittels Telefax – in Betracht, wenn die elektronische Übermittlung „vorübergehend nicht möglich ist“.

Die elektronische Übermittlung ist sicher auch dann in diesem Sinne „unmöglich“, wenn sie nicht rechtzeitig eingehen würde. Diese Voraussetzung der Ersatzeinreichung ist deshalb erfüllt.

Allerdings gibt der Sachverhalt keinen Hinweis darauf, dass es sich insoweit nur um einen „vorübergehenden“ Zustand handeln würde. Vielmehr deutet der Senat auch in seinem amtlichen Leitsatz an, dass es eine generelle Situation sein dürfte, dass eine schnelle elektronische Weiterleitung vom Intermediär (auf den es gem. § 32a Abs. 5 S. 1 StPO / § 130a Abs. 5 S. 1 ZPO ankommt) an das Empfängergericht nicht sichergestellt ist. Damit ist eine Ersatzeinreichung gerade nicht zulässig.

Das Ergebnis wäre deshalb, dass die Verfügung, mit der eine Telefaxeinreichung erbeten wird, einer gesetzlichen Grundlage entbehrt. Demgegenüber hat sich der per beA einreichende Rechtsanwalt rechtskonform verhalten. Welche Rechtsfolge sich hieraus ergibt diskutiert das OLG Karlsruhe leider nicht. Je knapper die zeitlichen Umstände sind, um so brisanter wird diese Rechtsfrage aber.

Sicher am besten wäre es, wenn die Netze und Infrastrukturkomponenten der Justiz so ertüchtigt wären, dass sich diese Frage nicht stellt. Auch, dass der Transfervermerk offenbar nicht das maßgebliche Eingangsdatum auf dem Intermediär darstellt wirft Fragen auf und kann jedenfalls irritieren. Ohnehin hätte im Jahr 2024 der Transfervermerk längst durch den Prüfvermerk abgelöst sein müssen. Fraglich ist deshalb, ob der Sachverhalt hier technisch bereits vollständig beleuchtet war.

Autor: Prof. Dr. Henning Müller

Direktor des Sozialgerichts