Eine Grundidee des eJustice-Gesetzes ist es, dass sich der elektronische Rechtsverkehr bis dato nicht durchgesetzt habe, weil die Anbringung der qualifizierten elektronischen Signatur aufwendig gewesen sei. Daher „erfand“ der Gesetzgeber die sicheren Übermittlungswege. Unter Verwendung von beA, beN, beBPo oder De-Mail sollte die qualifizierte Signatur verzichtbar sein – doch tatsächlich werden dennoch (zu Recht) gerade Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte weiter qualifiziert elektronisch signieren. Doch was passiert eigentlich, wenn die qualifizierte elektronische Signatur dennoch ungültig ist? Hierzu ist zunächst ein etwas technischer Blick auf den zugrundeliegenden Vorgang nötig.
1. Die Prüfung der Signatur durch den Richter
Die Prüfung der qualifizierten elektronischen Signatur ist für Richterinnen und Richter, die schon länger Posteingänge im elektronischen Rechtsverkehr erhalten eine gewisse Routine geworden. Zumeist, wird sie bei der fast überall noch führenden Papierakte einfach anhand des sog. Transfervermerks gem. § 298 ZPO „geprüft“. Er enthält das Ergebnis der bei Ausdruck des elektronischen Dokuments automatisch vorgenommenen Signaturprüfung. Dieses Ergebnis wird unterteilt in das Kriterium „qualifizierte Zertifikat“ (mit den möglichen Ergebnissen „ja“ oder „nein“) und das Kriterium „Integrität (mathematische Signaturprüfung)“ (mit den möglichen Ergebnissen „ja“/“nein“ und „gültig“/“ungültig“).
Der positive Transfervermerk (d.h. mit ausschließlichen Ergebnissen „ja“ bzw. „gültig“) ist dabei immer verlässlich und verweist auf ein beanstandungsfreie qualifizierte elektronische Signatur. Einzig die Abgrenzung der ab 1. Januar 2018 gem. § 4 Abs. 2 ERVV nicht mehr zulässigen Container-Signatur von den weiterhin erlaubten Signaturarten (detached oder PDF-Inline-Signatur) ist eine gewisse Herausforderung. Die negative Signaturprüfung bedarf zwar grundsätzlich einer weiteren Beachtung der ausführlichen sog. „Prüfprotokolle“, führt aber selten zu Schwierigkeiten. Richterinnen und Richter stehen für die vorzunehmenden Prüfungsschritte Anleitungen und „Checklisten“ zur Verfügung.2. Entbehrlichkeit der qualifizierten Signatur bei beA & Co
2. Entbehrlichkeit der qualifizierten Signatur bei beA & Co
Die Verwendung einer qualifizierten elektronischen Signatur ist entbehrlich, wenn der Versender einen sog. sicheren Übermittlungsweg nutzt. Die sicheren Übermittlungswege sind das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA), das besondere elektronische Notarspostfach (beN), das besondere elektronische Behördenpostfach (beBPo) oder die De-Mail. Auf die qualifizierte elektronische Signatur kann aber nur dann verzichtet werden, wenn die verantwortende Person (beim beA bspw. der Rechtsanwalt selbst) das Dokument persönlich versendet; d.h. sich (bspw.) der Rechtsanwalt selbst beim beA anmeldet, das Dokument hochlädt und die Sendefunktion betätigt. Nur dann wird ein sog. vertrauenswürdiger Herkunftsnachweis (VHN) mitübersandt. Dieses Datum ist mit einer fortgeschrittenen Signatur abgesichert und wird beim Empfänger – bspw. am Richterarbeitsplatz – wiederum auf dem Transfervermerk und dem Prüfprotokoll – dargestellt. Der Richter erhält eindeutig den Hinweis „Information zum Übermittlungsweg: Übermittlung aus einem besonderen elektronischen Anwaltspostfach„. Den Namen des Versenders kann er einem Prüfprotokoll entnehmen.
Selbstverständlich ist die qualifizierte elektronische Signatur aber nur entbehrlich – nicht ausgeschlossen. Es ist ohne Weiteres möglich, trotz der Nutzung des beA oder eines anderen sicheren Übermittlungswegs dennoch eine qualifizierte elektronische Signatur anzubringen. Häufig wird dies mit guten Gründen bei Fortbildungen gerade Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten auch empfohlen, denn qualifizierte elektronische Signaturen sind mehr als bloße elektronische Unterschriften; sie bieten eine Verschlüsselungs- und eine Authentifizierungsfunktion, die natürlich durch den besonderen Übermittlungsweg auch garantiert wird. Bei Nutzung der qualifizierten Signatur werden diese Funktionen aber zudem unmittelbar mit dem Dokument verknüpft. Darüber hinaus hat die Signatur einen Integritätsschutz – eine nachträgliche Manipulation ist für den Empfänger und bei Weiterleitung (bspw. an den Verfahrensgegner) erkennbar.
3. Ungültige Signatur und sicherer Übermittlungsweg
Eine zu beobachtende Rechtsfrage ergibt sich in folgendem hypothetischen Fall: Ist eine schriftformbedürftige Einsendung eigentlich wirksam, wenn das Dokument auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht wird – und folglich die qualifizierte Signatur eigentlich entbehrlich gewesen wäre -, aber dennoch (überobligatorisch) eine qualifizierte Signatur angebracht wird, die aber ungültig ist..
Eine Lösung wäre bspw. denkbar, in dem man die Funktionen der Signatur betrachtet: So bietet der sichere Übermittlungsweg zwar eine der Signatur vergleichbare Identifikationsfunktion, aber keinen Manipulationsschutz. Es ließe sich daher gut vertreten, die Einreichung als zulässig anzusehen, wenn die Ungültigkeit auf der fehlenden Authentifikation beruht (bspw. abgelaufenes oder gesperrtes Zertifikat), die Schriftform aber nicht als gewahrt anzusehen, wenn die Integrität zweifelhaft ist (bspw. weil das Dokument nach der Signatur nochmals verändert wurde). Gerade letzteres wird ja durch den sicheren Übermittlungsweg nicht verhindert.
Die Rechtsprechung hierzu muss gut beobachtet werden, denn Fälle werden bald auftreten, denn die „versehentliche Manipulation“ ist ein typischer „Anfängerfehler“ bei der erstmaligen Nutzung von qualifizierten elektronischen Signaturen (Bsp: Nach dem Signaturvorgang wird noch ein Kommafehler entdeckt und verbessert – trotz der inhaltlich völlig irrelevanten Verbesserung, ist die elektronische Signatur zerstört). Da die sicheren Übermittlungswege mit der Möglichkeit auf die qualifizierte Signatur zu verzichten aber erst am 1. Januar 2018 an den Start gehen, muss sich erst eine Rechtsprechung herausbilden.
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Ungültige Signatur und sicherer Übermittlungsweg – vielleicht ein Ansatz:
Erfolgt die Übermittlung unter Anmeldung mit einem Rechtsanwalt vorbehaltenen Zugangsdaten – also mit VHN – dürfte eine ungültige bzw. „zerstörte“, aber auch wegen Nutzung des sicheren Übermittlungswegs verzichtbare Signatur unbeachtlich und unschädlich sein. Interessant dürfte es erst werden, falls ein Rechtsanwalt geltend macht, die von ihm signierte Datei sei – von ihm unbemerkt – vor der Versendung von einer anderen Personen verändert worden. Vielleicht wird man – substantiieren Vortrag zum „Verschulden“ der eingewiesenen und immer zuverlässigen Fachkraft unterstellt – die Frage nach der Büroorganisation mit Blick auf die Datenhaltung und bestehende Zugriffsmöglichkeiten auf bereits signierte Dateien stellen müssen. Jedenfalls steht zu erwarten, dass es sich um seltene Ausnahmefälle handeln wird.
Erfolgt die Übermittlung nicht durch Beschäftigte eines Anwalts, so fehlt es an der notwendigen gültigen Signatur und die Übermittlung kann wohl nur als formunwirksam angesehen werden.