Verfassungsbeschwerde gegen beA bleibt erfolglos

Mit heute veröffentlichtem Beschluss (1 BvR 2233/17) hat das Bundesverfassungsgericht eine Verfassungsbeschwerde gegen die gesetzliche Grundlage des besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) nicht zur Entscheidung angenommen. Mit seiner Verfassungsbeschwerde und dem damit verbundenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat sich sich der beschwerdeführende Rechtsanwalt insbesondere gegen die ab dem 1. Januar 2018 bestehende sog. passive Nutzungspflicht gewandt. Das BVerfG sah die Verfassungsbeschwerde bereits als unzulässig an, da sie den Begründungsanforderungen nicht genügt habe.

Der Bundestag hatte am 23. März 2017 das Gesetz zur Umsetzung der Berufsanerkennungsrichtlinie und zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe beschlossen. Darin wurde § 31a Abs. 6 BRAO wie folgt gefasst:

(6) Der Inhaber des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs ist verpflichtet, die für dessen Nutzung erforderlichen technischen Einrichtungen vorzuhalten sowie Zustellungen und den Zugang von Mitteilungen über das besondere elektronische Anwaltspostfach zur Kenntnis zu nehmen.

Das BVerfG sieht hierin insbesondere keinen Verstoß gegen die Berufsausübungsfreiheit. Für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung genügt nämlich vernünftige Erwägungen des Allgemeinwohls. Diese erkennt das BVerfG für die angegriffenen Regelungen in der Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs, der Schaffung einer rechtssicheren und schnellen Kommunikation mit den Gerichten sowie einer Kostenreduktion bezüglich Porto- und Druckkosten. Anhaltspunkte dafür, dass es sich insoweit nicht um spezifische berufsbezogene Gemeinwohlgründe handeln könnte, würden nicht aufgezeigt.

Hintergrund: Der initiative elektronische Rechtsverkehr

174 Abs. 3 ZPO erlaubt die elektronische Übermittlung an Personen, an die gegen Empfangsbekenntnis zugestellt werden darf (§ 174 Abs. 1 ZPO) Sie ist daher auch zulässig und wirksam, wenn diese Personen zwar über ein den Anforderungen entsprechendes elektronisches Postfach verfügen, gegenüber dem Gericht aber tatsächlich gar keine elektronische Kommunikation betreiben – und eigentlich auch nicht betreiben wollen (sog. initiativer elektronischer Rechtsverkehr).

Gleiches gilt für andere Verfahrensbeteiligte (bspw. auch natürliche Personen), wenn sie der Übermittlung elektronischer Dokumente ausdrücklich zugestimmt haben. Dies geschah früher als notwendiger Zwischenschritt bei der Installation des kostenlosen EGVP-„Bürgerclients“, ist aber nun nicht mehr bei allen marktverfügbaren Clients sichergestellt. Ein konkludentes Einverständnis zum elektronischen Empfang wird aber jedenfalls darin zu sehen sein, dass vorbehaltlos rechtserhebliche Nachrichten aus einem EGVP-Client versandt werden.

Grundsätzlich würden die gleichen Regelungen auch für das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) gelten, mit der Besonderheit, dass alle Rechtsanwälte aufgrund ihrer Zulassung, kraft Gesetzes – also nicht willensgetragen wie bei EGVP -, ein persönliches elektronisches Postfach erhalten. Zwar müssen sich die Rechtsanwälte individuell für das Postfach freischalten, das Postfach ist aber – unabhängig von dieser Freischaltung – faktisch durch die Gerichte adressierbar und im Adressbuch auffindbar; lediglich normativ wird die Nutzung im „initiativen elektronischen Rechtsverkehr“ also die „passive Nutzungspflicht“ des beA bis 1. Januar 2018 ausgeschlossen, § 31 RAVPV. Die Rechtsverordnung hat damit den zuvor vor den Anwaltsgerichten ausgetragenen Streit zwischen einzelnen Anwälten und der Bundesrechtsanwaltskammer gelöst bzw. zumindest entschärft.

Nach der Verordnungsbegründung kann das Einverständnis zum Empfang von Nachrichten über das beA explizit erklärt werden. Es ist dann nicht auf einzelne Verfahren oder Gerichte beschränkbar, sondern öffnet den Empfangskanal „beA“ vollständig und für jedermann im Rechtsverkehr. Das Einverständnis kann aber auch konkludent erklärt werden, bspw. durch Einreichung rechtserheblicher Schriftsätze über das beA.

Nicht als Einverständnis gilt hingegen das Versenden bloßer Testnachrichten aus dem beA, denn das Jahr 2017 soll nach dem Willen des Verordnungsgebers explizit von den Rechtsanwälten zu Testzwecken genutzt werden können.

Autor: Prof. Dr. Henning Müller

Direktor des Sozialgerichts

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