ERVV als Einbahnstraße: Die Rechtsverordnung bestimmt das Dateiformat nur im (gerichtlichen) Posteingang

Der gerichtliche elektronische Postausgang beruht auf § 174 Abs. 3 ZPO. Anders als § 130a ZPO regelt diese Vorschrift keine Details zur Übermittlung, insbesondere wird das Dateiformat nicht bestimmt – auch die Verordnungsermächtigung des § 130a Abs. 2 ZPO bezieht sich nicht auf den gerichtlichen Postausgang. Die Folge ist, dass es – jedenfalls keine einfach-gesetzlichen – Beschränkungen gibt, nach denen sich das Gericht bei Zustellungen hinsichtlich des Dateiformats richten müsste.

Eine Beschränkung der Dateiformate analog § 130a Abs. 1 ZPO ist für das Gericht als Versender nicht vorgesehen. Der Empfänger gerichtlichen Zustellungen kann – anders als das Gericht nach der ERVV unter Umständen – auch nicht verlangen, dass bestimmte „Komfortmerkmale“ mitgeliefert werden – bspw. ein strukturierter Datensatz im xJustiz-Format oder eine Texterkennung. Eine Ausnahme bildet § 174 Abs. 4 ZPO, der für das elektronische Empfangsbekenntnis (eEB) ein strukturiertes maschinenlesbares Format vorschreibt.

Lediglich das Grundrecht auf Gewährung rechtlichen Gehörs und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit schränken die fast unbegrenzt erscheinenden Versendemöglichkeiten des Gerichts ein. So müssen auch auf Empfängerseite keine Viewer für exotische Dateiformate bereitgehalten werden.[1] Diese auf den ersten Blick ungerecht wirkende Privilegierung des Gerichts ist aber folgerichtig; das Gericht wird nämlich eingehende Dokumente des Gegners nicht vor dem Versenden formatwandeln. Im Falle qualifiziert elektronisch signierter Dokument ist dies schon technisch ausgeschlossen, weil sonst der Empfänger an einer eigenen Signaturprüfung gehindert wäre. Auch ansonsten wäre es aber prozessual kaum vertretbar, wenn das Gericht weitergeleitete Dokumente durch eine Formatwandlung verändern würde, bestünde doch die Gefahr, dass dadurch auch der Inhalt verfälscht werden könnte.[2] In der Praxis ist dies jedoch regelmäßig kein Problem, hat sich doch das Format PDF/A längst durchgesetzt. Ohnehin wird es ab 1. Januar 2018 bald Pflicht nach der bundesweiten ERVV.

Unabhängig von der fehlenden Verpflichtung zur Verwendung von xJustiz oder einer Texterkennung durch das Gericht, sollte sich natürlich schon aus intrinsischen Motiven auch die Justiz verpflichtet fühlen, bestmögliche Qualität im elektronischen Rechtsverkehr zu liefern. Dies schafft nicht nur Akzeptanz bei den „Kunden“ der Gerichte, sondern verhilft dem elektronischen Rechtsverkehr insgesamt zum Durchbruch – auch dort wo er (noch) nicht verpflichtend ist. Im Übrigen stellen weder die Erzeugung strukturierte Datensätze noch eine zweckmäßige Texterkennung für ein modernes Justizfachverfahren eine unlösbare technische Herausforderung dar. Es sollte der eigene Anspruch der Gerichte sein, insoweit „zu liefern“.

[1] Siehe eJustice-Praxishandbuch S. 8, 47, 211.

[2] Müller, ASR 2013, 252, 253.

Autor: Prof. Dr. Henning Müller

Direktor des Sozialgerichts

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