Keine Anwendbarkeit des § 8 ERVV auf das beBPo von Justizbehörden

Gem. § 6 Abs. 3 ERVV steht das EGVP eines Gerichts, einer Staatsanwaltschaft, einer Amtsanwaltschaft, einer Justizvollzugsanstalt oder einer Jugendarrestanstalt einem beBPo gleich, soweit diese Stelle Aufgaben einer Behörde wahrnimmt. Dass § 7 ERVV keine Anwendung findet, ist explizit bestimmt. Aber was ist eigentlich mit den weiteren Pflichten der Behörden bei der beBPo-Nutzung, insbesondere mit den Zugangsbeschränkungen gem. § 8 ERVV.

Die Gerichte nehmen § 6 Abs. 3 ERVV in der Praxis entspannt. Das EGVP der Gerichte wird im Alltag fast ausschließlich zum Zwecke der Kommunikation in den dort anhängigen Verfahren genutzt. Da die Behördentätigkeit der Gerichtsverwaltung einen deutlich geringeren Umfang der gerichtlichen Tätigkeit einnimmt, liegt auf der diesbezüglichen Organisation auch nicht der Fokus.

Betrachtet man aber § 6 Abs. 3 ERVV genauer, spricht der Wortlaut dafür, dass auch § 8 ERVV anwendbar sein müsste. Danach muss (im Falle der Gerichte besser „müsste“) der Postfachinhaber (also das Gericht vertreten durch die Gerichtsleitung) die Zugangsberechtigten Personen bestimmen und den Zugang zum Postfach absichern, § 8 Abs. 1 – 3, 5 ERVV. Insbesondere wären die Zugangsberechtigten Personen zu dokumentieren, § 8 Abs. 4 ERVV.

Bei näherer Betrachtung passt § 8 ERVV aber schlicht nicht zum gerichtlichen EGVP. Dies zeigt bereits § 8 Abs. 1 ERVV, der die gerichtliche Praxis nicht abbildet. Der Zugang zum EGVP der Gerichte ist nicht personengebunden, sondern ergibt sich durch die jeweilige Funktion innerhalb der gerichtlichen Organisation und den sich daraus ergebenden Berechtigungskonzepten.

Dieses Verständnis ergibt sich auch aus der Verordnungsbegründung zu § 6 Abs. 3 ERVV (BT-Drucksache 19/28399, S. 50). Die neue Vorschrift sollte nämlich nur der Klarstellung dienen. § 6 Abs. 3 ERVV sollte also keine neuen Anforderungen an die Gerichte und Staatsanwaltschaften stellen, sondern nur den bis dahin bestehenden Zustand in den Gerichten, Staatsanwaltschaften etc. in der Verordnung abbilden.

Gerichte, Staatsanwaltschaften und sonstige Justizbehörden müssen daher auch in Zukunft nicht den strengen Pflichtenkatalog des § 8 ERVV erfüllen. Entsprechend genau müssen andererseits Justizbehörden darauf achten, wie der Zugriff auf ihr EGVP erfolgt; nutzt es ein Nichtberechtigter, dürfte dieser jedenfalls mit Anscheinsvollmacht handeln.

 

Autor: Prof. Dr. Henning Müller

Direktor des Sozialgerichts