Papier durch Gerichte nicht (mehr) bearbeitbar

Seit dem 1.1.2022 gilt für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie für Behörden die aktive Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs, § 130d ZPO. Aber was passiert eigentlich, wenn sich ein aktiv nutzungspflichtiger Einreicher nicht an die Pflicht hält. Dann ist die prozessuale Form nicht gewarnt, stellt zu Recht das VG Frankfurt/Oder (v. 19.1.2022 – 10 L 10/22.A – kostenpflichtig bei Juris abrufbar). Insbesondere gibt es kaum Heilungsmöglichkeiten.

Geht im elektronischen Rechtsverkehr etwas schief, bietet das Prozessrecht diverse, teils sehr großzügige Heilungs- oder Wiedereinsetzungsmöglichkeiten.

–> Eine Übersicht: hier.

Verstößt ein Einreicher aber gegen die aktive Nutzungspflicht im elektronischen Rechtsverkehr kann er/sie nur noch auf einen rechtzeitigen gerichtlichen Hinweis innerhalb einer noch laufenden Frist hoffen.

§ 130a Abs. 6 ZPO greift jedenfalls nicht. Die Einreichung in Papier ist kein Fall „fehlender Bearbeitbarkeit“. Hierzu führt das VG Frankfurt/Oder aus:

Es liegt zuletzt kein Fall des § 55a Abs. 6 VwGO vor. Hiernach ist, wenn ein elektronisches Dokument für das Gericht zur Bearbeitung nicht geeignet ist, dies dem Absender unter Hinweis auf die Unwirksamkeit des Eingangs unverzüglich mitzuteilen (Satz 1) und gilt das Dokument als zum Zeitpunkt der früheren Einreichung eingegangen, sofern der Absender es unverzüglich in einer für das Gericht zur Bearbeitung geeigneten Form nachreicht und glaubhaft macht, dass es mit dem zuerst eingereichten Dokument inhaltlich übereinstimmt (Satz 2). Denn weder das Fax noch gar der Originalschriftsatz vom 10. Januar 2022 stellen in diesem Sinne elektronische Dokumente dar, die – lediglich – nicht zur Bearbeitung geeignet sind, etwa weil sie weder qualifiziert elektronisch signiert noch auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht worden (vgl. von Albedyll a.a.O. § 55a Rn. 13) oder beschädigt, ohne Offenbarung kennwortgeschützt oder virenverseucht sind (Müller, in Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 3 Stand 10. Dezember 2021, § 55a VwGO Rn. 168).
(VG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 19. Januar 2022 – 10 L 10/22.A –, Rn. 9, juris)“.

Auch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt regelmäßig nicht in Betracht. Es dürfte kaum vorstellbar sein, dass die Missachtung der aktiven Nutzungspflicht nicht schuldhaft erfolgt.

 

Autor: Prof. Dr. Henning Müller

Direktor des Sozialgerichts