LG Lübeck: Mehrere Dokumente, aber keine Containersignatur

Die Regelung des § 4 Abs. 2 ERVV, die zum Ausschluss der sog. Containersignatur führt, ist sprachlich misslungen und führt daher immer wieder zu Missverständnissen und entsprechender Rechtsprechung. Mit einem Missverständnis hat das LG Lübeck (Beschluss v. 14.7.2021 – 7 T 293/21 – kostenpflichtig bei Juris abrufbar) nun richtigerweise aufgeräumt: Fasst ein Einsender mehrere gescannte Papierdokumente in einer PDF-Datei zusammen, ist die qualifizierte elektronische Signatur dieser PDF-Datei keine ausgeschlossene Containersignatur im Sinne des § 4 Abs. 2 ERVV.

Sachverhalt

Die Gläubigerin reichte bei der Gerichtsvollzieherin einen Zwangsvollstreckungsauftrag elektronisch ein. In einer einzigen PDF-Datei, die mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen war, waren der Zwangsvollstreckungsauftrag, der Titel nebst Zustellbescheinigung in Abschrift sowie Kostenbelege enthalten.
Die Gerichtsvollzieherin hat mit Schreiben vom 11.08.2020 die Zusammenfassung mehrerer Papierdokumente in einem elektronischen Dokument für nicht zulässig gehalten. Es seien jeweils einzelne elektronische Dokumente einzureichen. Diese ergebe sich aus der analog anzuwendenden Regelung des § 4 Abs. 2 ERVV über den Ausschluss der sogenannten Container-Signatur.

Die Erinnerung der Gläubigerin hat das Amtsgericht zurückgewiesen. Die Anlagen seien separat zu übersenden; einer elektronischen Signatur bedürften die Anlage-Dokumente allerdings nicht. Die Regelung des § 4 Abs. 2 ERVV sei auf den von der Gläubigerin gewählten Übertragungsweg anzuwenden. Denn die Zusammenfassung einzelner Dokumente in einer PDF-Datei sei nicht anders zu bewerten als die Übersendung der Dateien in einem ZIP-Container. Nach § 4 Abs. 2 ERVV könne eine Zusammenfassung in einem Dokument nur dann erfolgen, wenn es sich etwa um Anlagen zu einem Schriftsatz handele, nicht aber, wenn wie hier einzelne Dokumente, deren Authentizität und Integrität einzeln zu bewerten seien. Nachdem es sich bei den übersandten Dokumenten um solche handele, die zwingende Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung belegen sollen, müsse ein Einsichtnehmender zwingend in die Lage versetzt sein, selbständig die Authentizität und Integrität eben dieser Dokumente prüfen zu können. Eine solche Prüfung könne nicht erfolgen, wenn keine getrennte elektronische Signatur erfolge.

Hiergegen hat sich die Gläubigerin mit ihrer sofortigen Beschwerde an das LG Lübeck gewandt.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Das LG Lübeck hat der Beschwerde zu recht stattgegeben.

Gemäß dem im Gesetzgebungsverfahren zur ERVV (vgl. BR-Drucksache 645/17, S. 15 ff.) ausdrücklich erklärten Willen des Gesetzgebers sollte mit der Neuregelung die nach der bis dahin geltenden Rechtslage zulässige Möglichkeit, mehrere elektronische Dokumente mit einer Container-Signatur zu versehen, ausgeschlossen werden. Sinn und Zweck ist, dass eine Überprüfung der Authentizität und Integrität der elektronischen Dokumente im weiteren Verfahren vor allem für den Prozessgegner oder andere Verfahrensbeteiligte regelmäßig nicht mehr möglich, weil nach der Trennung der elektronischen Dokumente die „Container-Signatur“ nicht mehr überprüft werden kann .

Eine solche Trennung der elektronischen Dokumente mit Verlust der Signatur kann vorliegend aber überhaupt nicht erfolgen, weil eben nur ein einziges zusammenhängendes Dokument erschaffen wurde. Dieses Dokument ist durch die qualifizierte Signatur mit einem nach Eingang bei Gericht unveränderbaren Inhalt einer bestimmten verantwortenden Person zuzuordnen.

Die Praxis, wie sie die Gläubigerin mit ihrem Zwangsvollstreckungsauftrag vorgenommen hat, hat übrigens auch der Bundestag nicht für unzulässig gehalten (vgl. BT-Drucksache 19/15167, S. 29; zweifelnd hingegen BRAK, Stellungnahme Nr. 15/2019, S. 9).

Da jedoch durch gerade diese Praxis die Anlagen dann aufwändig beim Gericht (oder auch beim Gerichtsvollzieher) abgetrennt werden müssen, um sie einzeln elektronisch erfassen zu können (vgl. BT-Drucksache 19/15167, S. 29), hat der Bundestag zur verfahrensmäßig Erleichterung Abhilfe in der Form geschaffen, dass Anlagen, die Schriftsätzen beigefügt sind, überhaupt keiner qualifizierten elektronischen Signatur mehr bedürfen (vgl. den seit dem 01.01.2020 geltenden § 130a Abs. 2 S. 2 ZPO).

Insofern meint auch das LG Lübeck, dass es hilfreich wäre, wenn die Gläubigerin dazu übergehen würde, den Zwangsvollstreckungsauftrag sowie die Anlagen in getrennten elektronischen Dokumenten einzureichen, wobei lediglich das Dokument, das den Zwangsvollstreckungsauftrag enthält, einer qualifizierten Signatur bedarf.

 

Autor: Prof. Dr. Henning Müller

Direktor des Sozialgerichts