OLG Koblenz: Auch Juristen könn(t)en Containersignaturen erkennen.

Nachdem sich BSG, BAG und schließlich auch der BGH zum Ausschluss der sog. Containersignatur zur Formwahrung im elektronischen Rechtsverkehr geäußert hatten, schien das Thema erledigt; zumal es ja letztlich vor allem ein Reflex des Ausfalls des beA war.  Nun hatte sich aber das OLG Koblenz (Beschluss vom 18. Juni 2019 – 9 UF 244/19) mit der Containersignatur zu beschäftigen – und fand angesichts der Argumentation des Verfahrensbevollmächtigten deutliche Worte.

Ausgangspunkt

Als Marschroute für die Lösung der „Containersignatur-Fälle“ hatten die Bundesgerichte ausgegeben, dass die Containersignatur seit dem 1. Januar 2018 durch die Einführung des § 4 Abs. 2 ERVV unzulässig ist, eine Wiedereinsetzung nach allgemeinen Regeln aber denkbar ist.

Die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Fehlern in der Rechtsanwendung des § 130a ZPO und der ERVV setzt freilich voraus, dass der Voraussetzungen gegeben sind – insbesondere also fehlendes Verschulden des Antragstellers:

Den Rechtsirrtum zur Unzulässigkeit der Containersignatur hat auch nach der Rechtsprechung der Bundesgerichte der einreichende Rechtsanwalt grundsätzlich zu vertreten:

Von einem Rechtsanwalt ist zu verlangen, dass er sich anhand einschlägiger Fachliteratur über den aktuellen Stand der Rechtsprechung informiert. Dazu besteht umso mehr Veranlassung, wenn es sich um ei-ne vor kurzem geänderte Gesetzeslage handelt, die ein erhöhtes Maß an Aufmerksamkeit verlangt.

(Zitat BGH a.a.O.)

Unvermeidbar ist der Rechtsirrtum nach dem BGH nicht, denn in der einschlägigen Fachliteratur sei auf die Unzulässigkeit der Containersignatur ausführlich und gerade auch mit Bezug auf das anwaltliche Haftungsrisiko eingegangen worden.

Entscheidung des OLG Koblenz

Im Fall des OLG Koblenz trug nun der Verfahrensbevollmächtigte zur Containersignatur, die er mittels Governikus Communicator (also EGVP, nicht beA) erzeugt hatte vor:

er habe Rechtswissenschaften und nicht IT-Technologie studiert

Der Senat sah sich, ob dieser Argumentation, genötigt, auch die eigene Qualifikation darzulegen – auch die Mitglieder des Senats seien nämlich Juristen:

Gleichwohl verlangt das Gesetz von ihnen, im Rahmen einer Prüfung der Zulässigkeit von Verfahrenshandlungen Container- und Einzelsignaturen zu erkennen, voneinander abzugrenzen und diese juristisch einzuordnen. Dann ist es aber auch von einem Verfahrensbevollmächtigten zu erwarten, dass er Container- und Einzelsignaturen zu erkennen, voneinander abzugrenzen und diese juristisch einzuordnen, mithin sich von einer ordnungsgemäßen und den einschlägigen Formvorschriften entsprechenden Signatur in jedem Einzelfall zu überzeugen, vermag.

Dies alles gelte – so der Senat – im Übrigen umso mehr, als das Erkennen verschiedener Signaturformen – wie dem Senat aus eigener Anschauung bekannt ist – keinesfalls Kenntnisse erfordert, zu deren Erwerb ein Informatikstudium erforderlich ist. Der Besuch entsprechender Fortbildungsveranstaltungen reicht insoweit ebenso aus wie auch nur die Lektüre sich an den technischen Laien richtender erläuternder Literatur.

Fazit

Das sehr kurze Fazit lautet also: Wenn sich der Gesetzgeber – wie hier sogar aus guten Gründen – dazu entscheidet, die prozessualen Formvorschriften mit (auch) technischen Voraussetzungen zu belegen, ist es am Juristen, sich über diese Voraussetzungen zu informieren und sie – im Sinne einer sicheren Anwendbarkeit – zu verstehen. Notfalls muss sich der Jurist entsprechend fortbilden. Eigentlich also eine Selbstverständlichkeit, auch in einer komplexer werdenden, digitaleren Lebenswirklichkeit.

Autor: Prof. Dr. Henning Müller

Direktor des Sozialgerichts