Mein Justizpostfach – Gastbeitrag von RiLG Christoph Deubner

Am 13. Oktober 2023 hat der Bund seinen Dienst „Mein Justizpostfach“ gestartet. Dabei handelt es sich um einen elektronischen Postfach- und Versanddienst eines OZG-Nutzerkontos im Sinne von § 130a Abs. 4 Nr. 5 ZPO. Damit ist ein sicherer Übermittlungsweg im Sinne von § 130a Abs. 3 S. 1 ZPO gegeben, weswegen eine qualifizierte elektronische Signatur nicht nötig ist und am Ende der Schriftsätze eine maschinenschriftliche Wiedergabe des Namens ausreicht.

Das klingt erst einmal trocken, ist aber außerhalb von Bayern eine große Neuerung. Denn es handelt sich um ein mit einem beA vergleichbares elektronisches Postfach, nur eben für jedermann. Zudem ist es komplett kostenlos und hat auch keine Beschränkung der Nachrichtenzahl. Im Gegensatz zum ohnehin mehr tot als lebendigen De-Mail-System, bei dem die Kommunikation nur in eine Richtung, nämlich in die der Justiz möglich war, weil De-Mail-Konten aus dem EGVP-Netz nicht einzeln adressierbar sind, bekommt jeder Nutzer dieses Postfachs bei Anmeldung innerhalb von Sekunden eine Safe-ID und kann von der Justiz sowie anderen Teilnehmern angeschrieben werden. Auch ist die Größenbeschränkung mit 200 MB zehnmal so groß wie bei De-Mail.

Theoretisch sind auch Zustellungen an dieses Postfach möglich, nämlich über den bisher wohl kaum bis gar nicht genutzten (und daher von der Justiz erst einmal scheubetrachteten) § 173 Abs. 4 ZPO, der die elektronische Zustellung an Personen regelt, die keine Anwälte, Behörden oder Ähnliches sind. Nach dessen S. 4 gilt ein Dokument als zugestellt, wenn drei Tage seit dem vom EGVP-System automatisiert bestätigten Eingang beim Empfänger vergangen sind. Dieser Art der Zustellung muss man zwar nach S. 1 der Vorschrift für jedes einzelne Verfahren zustimmen, nach S. 2 wird die Zustimmung aber fingiert, sobald man sich über das Postfach bei der Justiz in einem Verfahren meldet.

Die Einrichtung ist aus Sicht eines IT-affinen Menschen wie mir sehr einfach und geht vor allem rasend schnell. An Hardware braucht man dazu nichts, was nicht jeder hat, nämlich einen „neuen“ Personalausweis im Scheckkartenformat und ein Smartphone. Ich persönlich kenne niemanden, der noch die alt Art von Ausweis hat und ein Smartphone nennt ohnehin jeder sein eigen. Dann muss man nur noch auf dem Smartphone die vom Bund herausgegebene App AusweisApp2 installieren und für den Personalausweis eine PIN setzen und zwar mithilfe der Transport-PIN, die in einem Schreiben zu finden ist, das schon länger jeder, der einen Personalausweis beantragt, automatisch bekommt. Dabei liest die AusweisApp2 mittels des heutzutage in jedem Smartphone eingebauten Nahfeldfunkgeräts (NFC) die notwendigen Daten von dem Ausweis.

Hat man die PIN gesetzt oder war sie das ohnehin bereits, muss man sich damit bei dem Grunddienst BundID registrieren und anmelden, wobei es sich um das eigentliche OZG-Portal handelt, erreichbar unter https://id.bund.de,. Ist man dort angemeldet, kann man sich wiederum bei „Mein Justizpostfach“ unter https://ebo.bund.de anmelden, das eine Art Unterdienst zu dem OZG-Portal darstellt (wobei die in der URL enthaltene Bezeichnung ebo irreführend ist, weil es sich nicht um ein eBO im Sinne von § 130a Abs. 4 Nr. 4 ZPO handelt, sondern um ein OZG-Nutzerkonto im Sinne von Nr. 5). Dort wird als zusätzlicher Sicherheitsmechanismus  noch eine Schlüsseldatei ähnlich dem Elsterzertifikat erstellt und ebenso wie dieses mit einem Passwort geschützt. Diese Datei dient aber nur dazu, empfangene und gesendete Nachrichten lesen zu können ist für den Versand nicht notwendig.

Das alles hört sich länger an, als es in Wirklichkeit dauert, wenn man sich ein wenig auskennt. Vor allem ist es tausendmal schneller als jedes PostIdent-Verfahren oder eine Videoidentifikation. Man kann es übrigens auch am PC erledigen, auf dem man dann die Desktopversion der AusweisApp2 installiert, die ein Smartphone mit installierter AusweisApp2 als Kartenlesegerät über ein gemeinsames WLAN nutzen kann. Natürlich kann man am PC dann auch andere Kartenlesegeräte nutzen. Im Übrigen hat selbst die renommierte Computerzeitschrift c’t eingestanden, dass von vielen eher fragwürdigen Digitialisierungsprojekten des Bundes die elektronische Identifikationsfunktion des Personalausweises ein ausgereiftes, sicheres und funktionierendes Produkt ist.

Hat man diese Schritte durchlaufen, kann man beginnen, mit der Justiz zu kommunizieren. Die Oberfläche ist sehr schlicht gehalten und das ist eher ein Vorteil. Man hat versucht, eine funktionierende Software, deren Grundfunktionen zuverlässig laufen, zu bauen und nicht – wie allzu oft in der Justiz – eine eierlegende Wollmichsau zu erschaffen versucht, die am Ende gar nichts richtig kann. Es sind alle EGVPs der Justiz erreichbar, also alle Gerichte. Darüber hinaus aber auch die Postfächer der Behörden (beBPo) und vor allem auch die Postfächer (beA) aller Anwälte, so dass man beispielsweise verschlüsselt und abgesichert auch Forderungsschreiben oder sonstige außergerichtliche Korrespondenz direkt an diese schicken kann. Es gibt eine Suchfunktion, über die man alle Gerichte, Behörden und Anwälte finden kann.

Ich habe den Dienst direkt am Freischaltungstag selbst ausprobiert, also all die oben dargestellten Schritte durchlaufen und in einem Rechtsstreit, in dem ich bisher mittels De-Mail kommuniziert und daher vom Gericht nur postalisch Nachrichten erhalten hatte, dem Gericht mitgeteilt, dass ich künftig über dieses Postfach angeschrieben werden will. Außerdem habe ich, um auf die Möglichkeit des § 173 Abs. 4 ZPO aufmerksam zu machen, ausdrücklich meine Zustimmung zu einer Zustellung über dieses elektronische Postfach gemäß § 173 Abs. 4 S. 1 ZPO erklärt, obwohl sie eigentlich – wie oben schon erläutert – gemäß S. 2 durch meine Nachricht selbst bereits fingiert war. Der Versand der Nachrichten klappte trotz der Tatsache, dass der Dienst ganz frisch gestartet war, reibungslos.

Das von mir solchermaßen elektronisch angeschriebene Gericht, dessen Geschäftsstelle sich sicherlich gefragt hat, was das für ein seltsames Postfach sein mag, hat kurze Zeit später erst einmal sehr pragmatisch eine Testnachricht mit der Bitte um Rückmeldung an mich geschrieben, um zu sehen, ob es auch wirklich funktioniert. Ich gehe davon aus, dass es kaum Privatpersonen gibt, die sich vor dem Freischaltungstag am 13.10.203 auf einem vergleichbaren Weg bei einem (Amts-)Gericht gemeldet haben. Das wäre vorher auch nur mit einem kostenpflichtigen, besser abschreckend überteuert zu nennenden elektronischen Bürger- und Organisationspostfach (eBO) möglich gewesen. Ich rief dann am folgenden Tag an, um Bescheid zu sagen, dass es funktioniert und genoss mein Early Adoptertum („Ach Sie sind dieser Herr Deubner“ und „So etwas habe ich jetzt das erste Mal“). Erwartungsgemäß wurde ich dann aber gleich darauf hingewiesen, dass Zustellungen sehr wohl weiter mit Zustellungsurkunde durchgeführt würden. Schließlich darf es mit der Digitalisierung nicht zu weit gehen. Ich konnte meine Gesprächspartnerin dann aber doch davon überzeugen, doch noch einmal über § 173 Abs. 4 ZPO nachzudenken, zumal man sich das Ausdrucken der Zustellungsurkunde und den entsprechenden postalischen Versand vollständig erspart. Aus der Praxis weiß ich auch, wie lange das mit einer Zustellungsurkunde mitunter dauert. Bei einem Vorgehen nach § 173 Abs. 4 ZPO muss man — wie oben bereits ausgeführt — nicht einmal auf ein EB warten, sondern hat seine Zustellung automatisch drei Tage später.

Mit diesem Postfach hat der Bund womöglich nicht nur eine sinnvolle Möglichkeit für Privatpersonen geschaffen, mit den Gerichten zu kommunizieren, sondern vielleicht auch endlich eine Lösung für unsere Sachverständigen, die sich die horrenden Kosten eines kommerziellen eBO oft nicht leisten wollen oder können und ohnehin oft schon so mit der Digitalisierung fremdeln, dass man sie nicht auch noch mit hohen Kosten erschrecken muss.

*** Update (Stand. 20.10.2023) aufgrund der nachfolgenden Social-Media-Diskussion (H. Müller) ***

  • Zu beachten ist, dass das MJP ggf. nicht (ohne externes Signaturprüfprogramm) zur Wahrung der Schriftform gem. § 36a Abs. 2 SGB I / § 3a Abs. 2 VwVfG geeignet ist.
  • Datenschutzrechtlich kritikwürdig ist, dass registrierte Nutzer mit vollem Namen und vollständiger Adresse im SAFE-Verzeichnis sichtbar sind.
  • Im derzeitigen Ausbaustand ist bidirektional zunächst nur die Kommunikation mit der Justiz möglich; nicht bspw. mit beA.

 

Zur Person des Autors:

Christoph Deubner war nach Studium in Greifswald und Bonn sowie Referendariat daselbst zunächst Staatsanwalt und (Straf-)Richter in Niedersachsen tätig. 2016 wechselte er nach Rheinland-Pfalz, wo er zunächst Familiensachen bearbeitet und bin schlussendlich dann zu seinem
Wunschgebiet Zivilsachen beim Landgericht in Mainz gekommen ist.

IT war schon seit meiner Kindheit sein Hobby, daher studierte er zunächst auch Informatik (nicht fertig) und auch noch in jüngerer Zeit verfolgt er das
ein oder andere Programmierprojekt. Da ist es wenig
verwunderlich, dass er sich für die IT-Infrastrukur der Justiz und den ERV interessiert.