BSG: Einfache Signatur muss identifizierbar sein.

Bei Nutzung eines sicheren Übermittlungswegs kann gem. § 130a Abs. 3 2. Var. ZPO auf eine qualifizierte elektronische Signatur verzichtet werden. Es genügt dann die einfache Signatur unter dem Schriftsatz, wenn die verantwortende Person den Schriftsatz selbst versendet. Die einfache Signatur ist nach allgemeiner Meinung der maschinenschriftliche Name oder die eingescannte Unterschrift. Das BSG (Beschluss vom 16. Februar 2022 – B 5 R 198/21 B – kostenpflichtig über juris) verschärft hier nun die Anforderung: Die eingescannte Unterschrift muss auch entzifferbar sein, um die Verantwortende Person identifizierbar zu machen.

Richtigerweise zieht das BSG für diese Auslegung den Sinn und Zweck der einfachen Signatur heran. Sie dient dazu, den auf dem Prüfvermerk, Transfervermerk oder dem Prüfprotokoll „inspection sheet“ Namen der absendenden Person (des Inhabers des sicheren Übermittlungswegs) mit dem Namen der Person zu vergleichen, die Verantwortung für den Schriftsatz unternimmt (und deshalb mit einfacher Signatur darunter steht).

Für die eingescannte Unterschrift folgert das BSG deshalb zu Recht, dass die eingescannte Unterschrift lesbar sein muss, um für sich auszureichen (d.h., ohne dass der maschinenschriftliche Name noch darunter steht).

(Noch) nicht geäußert hat sich das BSG dagegen zum maschinenschriftlich hinzugefügten Namen. Unter Zugrundlegung der o.g. Grundsätze müsste hier konsequenterweise davon ausgegangen werden, dass auch dieser die Identifikation der verantwortenden Person zulässt. Daraus ließe sich folgern, dass jedenfalls bei mehreren namensgleichen Personen auf dem Briefkopf („Kanzlei Müller, Müller & Müller„) auch der Vorname, ein akademischer Grad oder ein anderes Merkmal erforderlich ist.

Hintergrund

Eine einfache elektronische Signatur besteht gemäß Art. 3 Nr. 10 der eIDAS-Verordnung aus Daten in elektronischer Form, die anderen elektronischen Daten beigefügt oder logisch mit ihnen verbunden werden und die der Unterzeichner zum Unterzeichnen verwendet. Bei der durch bzw. mit einem Textverarbeitungsprogramm zum Abschluss des Schriftsatzes angebrachten Namenswiedergabe des Verfassers handelt es sich um solche Daten. Die einfache Signatur meint also die einfache Wiedergabe des Namens am Ende des Textes.

Die Literatur hat sich mit dem Begriff der einfachen Signatur bereits vielfach auseinandergesetzt; mangels eindeutiger gesetzlicher Regelung wurde aber Rechtsprechung hierzu dringend erwartet. Als erstes Bundesgericht hat nun das BAG (Beschluss vom 14. September 2020 – 5 AZB 23/20) die Anforderungen an eine einfache Signatur näher beschrieben. Der nahezu einhelligen Meinung in der Literatur folgend meint auch das BAG, dass ein einfacher maschinenschriftlicher Namenszug oder die eingescannte Unterschrift ausreichen.

  • Gegen die Rechtsprechung des BSG zur Entzifferbarkeit der Unterschrift spricht nicht, dass diese über Art. 3 Nr. 10 eIDAS-VO (Definition der einfachen Signatur) hinausginge. Zwar enthält nur Art. 26 eIDAS-VO für die fortgeschrittene Signatur das Erfordernis der Identifizierbarkeit als explizite Anforderung. Der Umkehrschluss, dass dies für die einfache Signatur nicht erforderlich wäre, ist aber nicht zwingend. Ferner verkennt diese Auffassung, dass die einfache Signatur in Abs. 3 den über die eIDAS-VO hinausgehenden Zweck hat, die Personenidentität zwischen verantwortender Person und Postfachinhaber überprüfbar zu machen; diese ist nur möglich, wenn die verantwortende Person aufgrund der einfachen Signatur identifizierbar ist.

 

Zu den Formvorschriften des elektronischen Rechtsverkehrs im Übrigen: -> hier.

Autor: Prof. Dr. Henning Müller

Direktor des Sozialgerichts