VG Dresden verlangt Fax mit qualifizierter Signatur

Dem Begriff des elektronischen Dokuments kommt eine sehr breite umfassende Bedeutung zu […]. Er erfasst jegliche Erscheinungsform der elektronischen Bearbeitung bei der Verwendung von Texten/ Dokumenten, sei es deren Herstellung oder sei es deren Übermittlung an das Gericht als Erklärungsempfänger„, meint das VG Dresden in einem Urteil vom 2. Oktober 2018 – 2 K 302/18. Und subsumiert deshalb auch an das Gericht übermittelte Telefaxe unter den in § 55a VwGO (entspricht § 130a ZPO) verwendeten Begriff, mit der Folge, dass zur Formwahrung eine qualifizierte elektronische Signatur erforderlich wäre. Diese Einschätzung ist vor allem im Ergebnis kaum haltbar.

Ein formbedürftiger Schriftsatz müsse, so das Gericht, mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übertragungsweg bei Gericht eingereicht werden (vgl. § 55a VwGO), wenn es sich um ein elektronisches Dokument handelt (vgl. § 55a Abs. 1, Abs. 3 VwGO). Ein solches stelle das Telefax des Klägers dar, weil es dem Gericht auf elektronische Weise zugeleitet wurde.

Zur Übermittlung des Telefaxes hat der Kläger offenbar einen E-Mail – to – Fax – Dienst genutzt, wie sich nicht deutlich im Tatbestand des Urteils aber im Verweis auf die Gründe eines früheren Urteils des Gerichts mit ähnlicher Sachlage (Urteil vom 21. November 2017 – 2 K 2108/16) zeigt.

Ein Telefax werde, führt das Gericht aus, technisch wie eine E-Mail elektronisch dem Gericht als Empfänger über das Internet oder ein Web-Interface übertragen, sodass der Anwendungsbereich des § 55a VwGO i. V. m. § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 bis Abs. 3 SächsEJustizVO eröffnet sei.

Diese Rechtsauffassung dürfte im Ergebnis kaum vertretbar sein.

Digitalfax („Digifax“) bzw. Computerfax oder – wie hier – E-Mail-to-Fax – Dienste haben im Büroalltag längst klassische Telefax-Geräte abgelöst, in die handschriftlich unterschriebene, ausgedruckte Blätter eingelegt werden.

Nun darf sich der Rechtsanwender durch die Begriffe „digital“ oder „Computer“ nicht verwirren lassen. Ein im Faxprotokoll übersandtes Schriftstück wird auch unter Verwendung moderner Endgeräte gerade nicht im elektronischen Rechtsverkehr versandt. § 130a ZPO / § 55a VwGO greift also nicht. Nach der weit überwiegenden Meinung ist auch ein Computerfax ein schriftliches Dokument.

Bereits seit den 1990er Jahren allgemein anerkannt und durch das Formvorschriftenanpassungsgesetz[1] seit 2001 Gesetz geworden ist, dass ein verschriftlichtes Rechtsschutzgesuch, das mittels Telefax dem Gericht zugeleitet wird und dort ausgedruckt wird, die Schriftform wahrt.[2] Die eigenhändige Unterschrift auf dem Original des Schriftstücks werde zwar aufgrund der Faxübertragung auf dem Ausdruck im Gericht „nur“ abgebildet, sie sei aber dennoch als solche erkennbar und erfülle die ihr zukommende Identifikations- und Nachweisfunktion.[3]

Der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes bestätigte dies später auch für das sog. „Computerfax“[4]: Bestimmende Schriftsätze können danach formwirksam durch elektronische Übertragung einer Textdatei mit eingescannter Unterschrift auf das Fax des Gerichts übermittelt werden, soweit der Zweck der Schriftform auf diese Weise gewährleistet wird. Der Senat hat es sogar als ausreichend erachtet, dass nur ein Hinweis angebracht ist, daß der benannte Urheber wegen der gewählten Übertragungsform nicht unterzeichnen kann (letzteres ist die Keimzelle der Floskel „Dieses Schreiben ist maschinell erstellt und ohne Unterschrift gültig“). [5]

Auch mit dem Justizkommunikationsgesetz hat der Gesetzgeber keine gesonderte Regelung zur Computerfaxübermittlung eingefügt, obschon sich in dieser Novelle sicher die Gelegenheit hierzu ergeben hätte. Diese gesetzgeberische Zurückhaltung nährte erneute Zweifel hinsichtlich der Schriftformwahrung durch Computerfax.[6] Die neu geschaffenen hohen Anforderungen an schriftformwahrende elektronische Dokumente dienen schließlich gerade der Gewährleistung der vom GmS-OGB  hervorgehobenen Authentizität und Integrität.[7] Höchstrichterlich hat sich hiermit aber der BFH bereits beschäftigt und in seiner Entscheidung die frühere Linie der Bundesgerichte zum Computerfax bestätigt:[8]

„[…] Per Telefax übersandte Bescheide sind erst mit ihrem Ausdruck durch das – auf automatischen Ausdruck eingestellte – Empfangsgerät wirksam „schriftlich erlassen“. […] Hat das Empfangsgerät nach dem unwiderleglichen Vortrag des Adressaten den Bescheid nicht ausgedruckt, gehen die sich daraus ergebenden Zweifel an der wirksamen Bekanntgabe zu Lasten der Finanzbehörde. […]

Im Ergebnis würde der Schluss des Verwaltungsgerichts, es müsse sich bei Digitalfaxen um elektronische Dokumente handeln, auch zu einer sinnlosen Rechtsfolge; weil qualifizierte elektronische Signatur (jedenfalls sinnvoll) nicht per Telefax übertragbar sind, wäre die Formwahrung unter Anwendung der hier abgelehnten Rechtsprechung im Ergebnis nie denkbar.

Für Richterinnen und Richter ist die Konsequenz jedenfalls so lange noch Papierakten geführt werden denkbar einfach: Fax ist Fax. Transfervermerk und Prüfprotkolle sind nur im elektronischen Rechtsverkehr zu überprüfen – und das ist etwas anderes als die Telefaxkommunikation.

Siehe auch bereits hier: Nicht verwirren lassen: Auch Computerfax ist kein elektronischer Rechtsverkehr.


[1] BGBl I 2001, 1542.

[2] BVerfG, Beschl. v. 1.8.1996 – 1 BvR 121/95 –, NJW 1996, 2857; BGH, Beschl. v. 20.9.1993 – II ZB; 10/93 –, NJW 1993, 3141; BGH, Beschl. v. 8.10.1997 – XII ZB 124/97 –, NJW 1998, 762; Müller, eJustice-Praxishandbuch, 3. Aufl., 2018, S. 85..

[3] Jaritz, in: Roos/Wahrendorf, SGG, 1. Aufl., 2014, § 90 Rn. 36.

[4] BGH, Vorlagebeschl. v. 29.9.1998 – XI ZR 367/97 –, NJW 1998, 3649.

[5] GmS-OGB, Beschl. v. 5.2.2000 – Gms-OGB 1/98; bestätigt durch: BVerfG, Beschl. v. 4.7.2002 – 2 BvR 2168/00 –, NJW 2002, 3534; hinsichtlich der Gültigkeit durch Hinweis herzlichen Dank für den Tipp an Herrn VRiVG Specht.

[6] Jaritz, in: Roos/Wahrendorf, SGG, 1. Aufl., 2014, § 90 Rn. 39.

[7] BT-Drs. 15/4067, S. 24.

[8] BFH, Urteil vom 18. März 2014 – VIII R 9/10.

Autor: Prof. Dr. Henning Müller

Direktor des Sozialgerichts