Ein „Mein Justizpostfach“ (MJP)-Zugang für natürliche Personen ist personengebunden. Eine nicht qualifiziert elektronisch signierte Klageschrift kann über das MJP einer anderen natürlichen Person nicht wirksam eingereicht werden (VG Osnabrück, Gerichtsbescheid v. 15.12.2025 – 7 A 161/25 – im Volltext kostenpflichtig über Juris abrufbar).
Hintergrund der Entscheidung
Die Anwendung „Mein Justizpostfach“ wird von Privatpersonen zum Zwecke der Korrespondenz mit Justiz und Behörden immer mehr angenommen. Das MJP bietet damit insbesondere einen sicheren Übermittlungsweg im Sinne von § 130a Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 ZPO, § 65a Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 SGG, § 55a Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 VwGO und entsprechenden Vorschriften anderer Prozessordnungen. D.h. (schriftformbedürftige) Klagen und Anträge können auch ohne qualifizierte elektronische Signatur, nur mit der einfachen Signatur des Postfachinhabers, formwirksam übermittelt werden.
Die Anwendung „Mein Justizpostfach“ (MJP) ist Bestandteil eines Nutzerkontos in der Gestalt eines Bürgerkontos im Sinne von § 2 Abs. 5 OZG. Ein solches Nutzerkonto dient gemäß § 2 Abs. 5 Satz 1 OZG zur einmaligen oder dauerhaften Identifizierung und Authentifizierung der Nutzer zu Zwecken der Inanspruchnahme von Verwaltungsleistungen der öffentlichen Verwaltung sowie zur vorgangsbezogenen sicheren Kommunikation über ein Postfach im Sinne von § 2 Abs. 7 OZG. Bei diesem Postfach, das Bestandteil des Nutzerkontos ist (§ 2 Abs. 7 Satz 2 OZG), handelt es sich um eine IT-Komponente, über die Nutzer medienbruchfrei, barrierefrei und sicher mit den an den Portalverbund angeschlossenen öffentlichen Stellen vorgangsbezogen kommunizieren sowie elektronische Dokumente und Informationen senden und empfangen können soll (vgl. § 2 Abs. 7 Satz 2 OZG).
Wesentliche Entscheidungsgründe
Allerdings müssen auch die Formvoraussetzungen des elektronischen Rechtsverkehrs beachtet werden. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass das MJP ein sog. personenbezogener sicherer Übermittlungsweg ist.
Entsprechend muss der Postfachinhaber auch „die verantwortende Person“ sein, deren Name als einfache Signatur auch unter dem Schriftsatz zu stehen hat.
Mit dieser Voraussetzung hatte sich das VG Osnabrück (Gerichtsbescheid v. 15.12.2025 – 7 A 161/25) zu beschäftigen:
„Nach § 55a Abs. 1 VwGO können vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen, schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen der Beteiligten sowie schriftlich einzureichende Auskünfte, Aussagen, Gutachten, Übersetzungen, Anträge und Erklärungen Dritter nach Maßgabe der Absätze 2 bis 6 als elektronische Dokumente bei Gericht eingereicht werden. Über den Wortlaut hinaus sind dabei auch bestimmende Schriftsätze erfasst, also Schriftsätze, die Erklärungen enthalten, die mit Einreichung bzw. Zustellung als Prozesshandlungen wirksam werden, unter anderem Klagen (vgl. Braun Binder/Hadank, in: NK-VwGO, 6. Aufl. 2025, VwGO § 55a Rn. 58, beck-online; Ulrich, in: Schoch/Schneider, 47. EL Februar 2025, VwGO § 55a Rn. 36, beck-online, jeweils m.w.N.). Nach § 55a Abs. 3 Satz 1 VwGO muss das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Zu den sicheren Übermittlungswegen gehört nach § 55a Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 VwGO unter anderem der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens genutzten Postfach- und Versanddienst eines Nutzerkontos im Sinne des § 2 Absatz 5 des Onlinezugangsgesetzes (OZG) und der elektronischen Poststelle des Gerichts. Einen solchen Übermittlungsweg stellt insbesondere das MJP dar (vgl. VGH B.-W., Beschluss vom 11.11.2025 – 14 S 1906/25 -, juris Rn. 18; vgl. ferner zur Parallelregelung in § 130a Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 ZPO OLG Hamm, Beschluss vom 01.07.2024 – I-22 U 15/24 -, juris Rn. 18; H. Müller in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 2, 3. Aufl., § 130a ZPO [Stand: 08.12.2025], Rn. 552–561 <kostenpflichtig>).
Ein sicherer Übermittlungsweg ist jedoch – wenn es, wie hier, an einer qualifizierten elektronischen Signatur fehlt und ein Schriftstück nur einfach signiert ist – nur dann gegeben, wenn die verantwortende Person das Schriftstück selbst versendet, denn nur dann können Echtheit und Integrität des Dokuments gewährleistet werden (vgl. ausführlich zum Parallelfall des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs BAG, Beschluss vom 05.06.2020 – 10 AZN 53/20 -, juris Rn. 14–22; ferner allgemein für die elektronische Einreichung Rieke in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 3, 2. Aufl., § 158 SGG [Stand: 28.03.2025], Rn. 18, m.w.N.). (Einfach) signiert war die Klageschrift allein von der Klägerin.
Eingerichtet war der MJP-Zugang, aus dem die Klageschrift versandt wurde, aber nicht für die Klägerin, sondern für Herrn F.. Ein solcher, für eine natürliche Person eingerichtete MJP ist personengebunden. Insofern besteht ein Unterschied zu entsprechenden Postfächern, die für eine juristische Person oder eine sonstige Vereinigung eingerichtet wurden (vgl. BAG, Urteil vom 28.01.2025 – 1 AZR 41/24 -, juris Rn. 16). Dort rechtfertigt sich das Fehlen einer Personengebundenheit insbesondere daraus, dass ohnehin nur ein (beliebiger) Mitarbeiter handeln kann, nicht aber die juristische Person oder Vereinigung selbst (vgl. H. Müller in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 2, 3. Aufl., § 130a ZPO [Stand: 08.12.2025], Rn. 432 <kostenpflichtig>). Diese Erwägung trifft auf das MJP natürlicher Personen gerade nicht zu.
Fehlt es damit an einer Identität zwischen signierender und versendender Person, ist die Einreichung nicht wirksam.“