beA down? Das Revival von EGVP: Und plötzlich ist die elektronische Signatur wieder im Fokus!

Das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) ist auch am 1. Januar 2018 weiter down. Einige Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte nehmen nun die De-Mail in Blick, um einen sicheren Übermittlungsweg zu eröffnen und daher ohne qualifizierte elektronische Signatur einreichen zu können. Für viele steht aber eher ein „Revival“ des guten alten EGVP-Clients an. Bei Nutzung von EGVP rückt aber nun die qualifizierte elektronische Signatur wieder in den Fokus – schon alleine deshalb, weil die ERVV ab 1. Januar 2018 die Container-Signatur verbietet. In der Folge daher einige Grundlagen zum ERV mit qualifizierter elektronischer Signatur ab dem 1. Januar 2018.

Qualifizierte elektronische Signatur (qeS)

Die qualifizierte elektronische Signatur ersetzt im elektronischen Rechtsverkehr per EGVP  die Unterschrift des Urhebers des Dokuments.[1]

Bis 31. Dezember 2017 war sie daher konsequenterweise sowohl im Postein- als auch im Postausgang nur dort erforderlich, wo sie durch das Gesetz ausdrücklich vorgeschrieben war oder sonst dazu bestimmt war, die Form zu wahren, § 130a Abs. 1 ZPO a.F.[2] Insbesondere bestimmende Schriftsätze hatten Verfahrensbeteiligte deshalb qualifiziert elektronisch zu signieren. § 130a Abs. 1 Satz 2 ZPO sprach insoweit zwar von „soll“, der BGH liest dies zu Recht aber als „muss“.

Ab 1. Januar 2018 muss aber nach dem Gesetzeswortlaut nun jedes eingereichte Dokument – unabhängig von der Frage der Schriftformwahrung – qualifiziert elektronisch signiert sein, § 130a Abs. 3 ZPO n.F., sofern es nicht über einen sicheren Übermittlungsweg eingereicht wird. Diese Formverschärfung im gerichtlichen Posteingang findet keine unmittelbar Entsprechung im gerichtlichen Postausgang; auch dies ist aber konsequent, denn § 174 Abs. 3 ZPO kennt nach seinem Wortlaut nur noch die Zustellung über sichere Übermittlungswege. Wie die Rechtsprechung aber mit nicht schriftformbedürftigen, unsignierten elektronischen Posteingängen umgehen wird, bleibt abzuwarten – insbesondere dort wo Amtsermittlungsgrundsatz besteht, dürfte es kaum eine Grundlage dafür geben, das Dokument zu ignorieren.

Technische Varianten der qualifizierten elektronischen Signatur (qeS)

Anders als eine händische Unterschrift, ist eine qualifizierte elektronische Signatur nicht zwingend sichtbar. Es handelt sich vielmehr um ein Datum oder Meta-Datum im signierten Dokument bzw. um eine eigene Datei.

Die Erscheinungsformen unterscheidet man nach der Verknüpfungsmethode zwischen der Signatur und der signierten Datei:

  • detached Signatur: Es wird eine gesonderte Signaturdatei erzeugt (die qualifizierte elektronische Signatur befindet sich in einer zweiten Datei neben dem Dokument; diese zweite Datei ist regelmäßig an der Dateiendung .pkcs7 oder .p7s erkennbar),
  • Inlinesignatur: Die Signatur wird Teil des Dokuments. In der Dateistruktur erkennt man die Signatur dann nicht. Sie ist entweder „unsichtbar“ und nur mit einem speziellen Programm auslesbar oder durch einen Vermerk auf dem Dokument (bspw. einem Unterschriftssymbol oder Wappen) sichtbar gemacht; wobei diese Sichtbarmachung keinen Aufschluss über die Integrität der Signatur gibt und für sich genommen leicht fälschbar ist – die Ansicht ersetzt daher nicht die echte Signaturprüfung.
  • enveloping Signatur: Die Signatur umschließt das Dokument. Im Übrigen gilt das zur Inlinesignatur geschriebene entsprechenddie Signaturdatei (Eine Datei regelmäßig mit der Dateiendung .pkcs7 oder .p7s – bettet das Dokument ein).
  • Container– oder Transportsignatur: Signiert wird der „Transportbehälter“ für die gesamten übermittelten Dateien. Die Prüfung der Signatur setzt daher den „Besitz“ des Transportcontainers selbst, einschließlich seines vollständigen und unveränderten Inhalts voraus.

Nach der bisherigen Rechtsprechung der (meisten) obersten Bundesgerichte (Stichwort: ERV light) waren bis 31. Dezember 2017 alle Arten von elektronischen Signaturen zugelassen.[3] Ab 1. Januar 2018 gilt gem. § 4 Abs. 2 ERVV, dass mehrere elektronische Dokumente nicht mit einer gemeinsamen qualifizierten elektronischen Signatur übermittelt werden dürfen.

Damit dürfte die sog. Containersignatur nicht mehr zulässig sein. So wird es auch ausdrücklich in der Verordnungsbegründung dargestellt.

Achtung: Die Container-Signatur ist gerade die Signaturart, die mit dem EGVP-Client angebracht werden kann. Für die noch zulässigen Signaturkarten benötigen Sie ein externes Signaturprogramm. Es gibt diverse Anbieter auf dem Markt.

Die enveloping Signatur (die Signaturdatei – regelmäßig mit der Dateiendung .pkcs7 oder .p7s – bettet das Dokument ein) ist gem. den Bekanntmachung zu § 5 ERVV (Nr. 4) unzulässig.[4]

Zulässige Signaturarten sind damit vor allem noch

die PDF-Inlinesignatur (die qualifizierte elektronische Signatur ist Teil einer PDF-Datei) und

die detached Signatur (die qualifizierte elektronische Signatur befindet sich in einer zweiten Datei neben dem Dokument; diese zweite Datei ist regelmäßig an der Dateiendung .pkcs7 oder .p7s erkennbar).

Prüfung der Signatur

Die Prüfung der Gültigkeit der qualifizierten elektronischen Signatur erfolgt  in Form eines asymmetrischen kryptografischen Verfahrens. Ein öffentlicher Schlüssel dient der Prüfung eines privaten Schlüssels. Hierzu wird aus dem signierten Dokument nach einem festgelegten Algorithmus ein sog. Hash-Wert erzeugt. Dieser Hash-Wert wird mit dem privaten Schlüssel des „Unterzeichnenden“ kombiniert und hierdurch verschlüsselt. Der unverschlüsselte Text wird zusammen mit dem verschlüsselten Hash-Wert dem Empfänger übermittelt. Letzterer lässt sich mit dem öffentlichen Schlüssel öffnen. Den öffentlichen Schlüssel erhält der Empfänger von einer Zertifizierungsstelle (Zertifizierungsdiensteanbieter). Sodann kann der Empfänger aus dem unverschlüsselten Dokument den Hash-Wert berechnen und diesen Wert mit dem ihm übermittelten decodierten Hash-Wert vergleichen. Stimmen diese Werte überein, wurde der Text nicht nachträglich verändert. Die Signaturprüfung ist mithin nur demjenigen möglich, der über die unveränderte signierte Datei (nicht nur ihren Inhalt) und die Signatur selbst (letztlich den Hash-Wert) verfügt.

Praktisch übernimmt diese Signaturprüfung eine Software, die das Ergebnis mehr oder weniger übersichtlich in Form eines Prüfprotokolls oder auch einer Kurzdarstellung ausgibt. Anwaltliche und gerichtliche Fachverfahren bieten teilweise bereits eine übersichtliche grafische Darstellung des Prüfungsergebnisses, bspw. in Ampelform.

Letztlich handelt es sich aber bei der Prüfung der qualifizierten elektronischen Signatur um einen mathematischen Rechenvorgang, der einer Beweiserhebung zugänglich ist. Sich auf eine bestimmte Software zu verlassen, ist dabei eine recht sichere Krücke, aber eben nicht mehr. Die Prüfsoftware könnte bspw. unter einem Programmierfehler leiden oder die zu prüfende signierte Datei könnte bspw. im Gericht formatgewandelt worden sein, wodurch die Signatur ungültig erscheint. Da die mathematische Prüfung der Gültigkeit der Signatur die Sachkunde des prüfenden Juristen übersteigt, wäre sie letztlich durch Beauftragung eines (technischen) Sachverständigen vorzunehmen. Diesem müsste die unveränderte signierte Datei und die qualifizierte elektronische Signatur zur Prüfung zur Verfügung gestellt werden.

Die Details der Prüfvorgänge, die sich als Zusammenfassung im Transfervermerk wiederfinden, ergeben sich aus den Prüfprotokollen:

Es wird mindestens das Prüfprotokoll „inspectionsheet.html“ erzeugt, das Informationen zum Übermittlungsweg und zu einer möglichen Container-Signatur des Nachrichtencontainers enthält.

Wurden mit der Nachricht auch signierte Anhänge übermittelt, wird zudem das Prüfprotokoll „signedattachments.html“ erzeugt, das Informationen über den Signaturstatus der Anhänge enthält.

[1] Müller, NJW 2015, 822.

[2] Vgl. bspw. für das Empfangsbekenntnis § 174 Abs. 3 Satz 3 ZPO.

[3] BGH, Beschluss vom 14. 5. 2013 – VI ZB 7/13; BFH, Urteil vom 18. 10. 2006 – XI R 22/06 m. zust. Anm. Viefhues, jurisPR-ITR 2/2007, Anm. 5; a.A. Müller, NJW 2013, 3758.

[4] Müller, eJustice-Praxishandbuch, 3. Aufl., 2018, S. 84 ff.; Müller, NJW 2015, 822.

Autor: Prof. Dr. Henning Müller

Direktor des Sozialgerichts

34 Gedanken zu „beA down? Das Revival von EGVP: Und plötzlich ist die elektronische Signatur wieder im Fokus!“

  1. Sehr geehrter Herr Dr. Müller u.a.,
    auch ich bin sehr froh, in meiner Ratlosigkeit ohne greifbaren Ansprechpartner wie etwa zuvor jahrelang bei Westernacher (https://westernacher-solutions.com) zu EGVP, auf ihre Informationen gestoßen zu sein. Auch ich hätte dies von unserer Kammer erwartet! Bereits ohne jegliche Anleitung war zum Glück bei bzw. nach dem Debakel zum Jahreswechsel der „Rückweg“ zum EGVP (mit dem ich ca. 7 Jahre sehr zufrieden war!) über den Justiz-Client, also den Governikus Communicator gelungen (der Anm. von „Nils“ am 05.01.2018 um 16:29 Uhr kann ich insoweit nur zustimmen!), nachdem ich gerade erst im November auf Anraten eines Mitarbeiters bei der Justiz in NRW mein EGVP-Postfach gelöscht hatte. Allerdings habe ich habe ich erst jetzt realisiert, was der von mir lediglich „im Augenwinkel“ wahrgenommene Hinweis auf die offenbar nicht mehr ausreichende Containersignatur mit sich bringt. Glücklicherweise hatte ich bereits Ende 2016 (nach dem um ca. ein Jahr verzögerten Start des nunmehr abgeschalteten beA) aus einem anderen Grund ein gesondertes Signierprogramm installiert, den SecSigner (https://seccommerce.com/secsigner/). Weil mir zunächst unklar war, welche der von diesem Programm angebotenen Signieralternativen verwendet werden sollten, da als „Signaturformate“ angeboten werden:
    PKCS#7 (.pksc7),
    PKCS#7 mit Dokument (.pksc7),
    PDF-Signatur und
    PKCS#7 verschlüsselt,
    scheint nach dem bisher bei Ihnen Gelesenen die 1. Alternative die gebotene Lösung zu sein, mit der eben für die PDF-Datei/en, dem/den Dokument/en – mit oder ohne zusätzliche Containersignatur, die offenbar zumindest unschädlich ist (wie Sie am 05.01.2018 um 15:03 und 16:40 Uhr entgegen „Nils“ am 5. Januar 2018 um 16:29 Uhr schrieben, so dass auch die Container-Signatur in der Einstellung des Governikus Communicator nicht deaktiviert werden muss!?), eine gesonderte Signaturdatei erzeugt wird und die ich neben bzw. mit dem/den eigentlich/en Dokument/en per EGVP versende. Damit sollte ich eigentlich auf der sicheren Seite sein?
    Ich hatte übrigens zunächst versucht, mich mit meiner Frage nach der Art der „zusätzlichen“ Signatur bei der Firma Governikus zu erkundigen, die mir dazu naheliegenderweise ihr Signierprogramm, den „Governikus Signer“ empfohlen hat. Dieser ist zwar als zunächst kostenlose Testversion erhältlich (https://www.governikus.de/produkte-loesungen/governikus-signer/). Allerdings hat nach einer recht langsamen Installation und insbesondere einem ungewöhnlich lang dauernden Programmstart der Virenscanner sofort unerbittlich zugeschlagen und hat, ohne zu fragen, das Programm sofort als vermeintlich „bösartig“ eliminiert. Es musste sogar ein Neustart mit einer umfänglichen vermeintlich erforderlichen Systembereinigung ausgeführt werden! Deshalb möchte ich es bei dem oben angeführten SecSigner der Fa. SecCommerce Informationssysteme GmbH in Hamburg belassen.
    Es wäre schön, wenn Sie oder jemand aus dem Kreis der hier Aktiven dieses Programm kennt bzw. mit diesem schon weitere Erfahrungen hat und insbesondere bestätigen kann, dass mit dieser Software die qualifizierte Signatur, „qeS“, hinreichend verlässlich also in Ordnung ist.

    1. Sehr geehrter Herr Freund,

      alles richtig gemacht:

      Ich habe mal einen Blick in das SecSigner-Handbuch geworfen (–> Nr. 2.5.26):
      – Nr. 1 („PKCS#7 (.pksc7)) ist die detached – Signatur – und damit zulässig,
      – Nr. 2 (PKCS#7 mit Dokument (.pksc7)) ist die embedded (=enveloping) Signatur – und unzulässig,
      – Nr. 3 (PDF-Signatur) ist die Inline-Signatur – und damit zulässig.

      Eine zusätzliche Container-Signatur ist unproblematisch. Sie bringt nichts, schadet aber auch nicht.

      Viele Grüße,
      Henning Müller

      1. Sehr geehrter Herr Dr. Müller,

        noch eine vorsorglich Nachfrage zu der Nr. 3 (PDF-Signatur) bei SecSigner, der zulässigen „Inline-Signatur, zu der ich im Handbuch nichts finden konnte:

        Beim Signiervorgang ergibt sich unter anderem Auswahl der Position der im Dokument sichtbaren Signatur. Sollte dies am Ende eines Schriftsatzes eben am Ende der Seite, auf der sonst die Unterschrift platziert werden würde angebracht werden oder – wenn der Schriftsatz auch Anlagen umfasst, am Ende der Datei also auf der letzten Seite der letzten Anlage?

        Außerdem kann auch in einer Zeile der „Grund der Signatur“ angegeben werden. Dabei würde es sich doch wohl anbieten „Bekanntmachung zu § 5ERVV (Nr. 4) vom 19.12.2017“ anzugeben?

        Freundliche Grüße

        Dietmar Freund

  2. Der bisherige EGVP-Client wird wohl zumindest bis Mai 2018 verlängert:

    „Er steht noch zum Download bereit. Auf der 103. Sitzung der Bund-Länder-Kommission für Informationstechnik in der Justiz  im Mai 2018 wird über den Zeitpunkt der Abschaltung des EGVP-Classic-Client (EGVP-Installer) entschieden.
    Nach der Abschaltung wird der EGVP-Classic-Client (EGVP-Installer) durch einen Nachfolgeclient, der nur der Verwaltung bereits empfangener Nachrichten dient und für den kein Support geleistet wird, ersetzt.“

    Quelle: egvp.de

  3. Ich verstehe die ERVV so, dass die Container-Signatur überhaupt nicht mehr zulässig ist, d.h. auch wenn das über das EGVP bzw. über den Governikus zu versendende Dokument selbst (zwingend) mit einer qeS versehen ist, darf der Container (die EGVP-Nachricht als Umschlag) nicht signiert werden. Insofern ist das „alleine“ in dem korrigiertem Kommentar m.E. seinerseits mißverständlich. Und da die Signatur der Nachricht im EGVP-Client und auch im Governikus abgeschaltet werden kann, ist alles gut.

    Im übrigen muss man nicht bis zum 15.02.2018 warten, um den Governikus zu verwenden. Am besten gleich installieren – er setzt sich auf die bisherigen Nachrichten im Client-PC einfach drauf – man kann 1:1 weiterarbeiten.

    Die Regelung in der ERVV, dass gerichtliche Zustellungen nur noch auf einem sicheren Übermittlungsweg zulässig sind, ist wohl ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers. Die bisherigen Zustellungen der Gerichte in unser EGVP-Postfach mußten zwar ihrerseits mit einer qeS versehen werden, aber es hätte nichts dagegen gesprochen, dies – alternativ zum sicheren Übermittlungsweg – ebenfalls weiterhin in dieser Form vorzusehen, genau so wie auch die umgekehrte Richtung der elektronischen Kommunikation Rechtsanwalt -> Gericht diese Alternative im ERVV hat (also entweder sicherer Übermittlungsweg oder EGVP mit qeS).

    1. Da sind wir dann tatsächlich unterschiedlicher Meinung (soll ja bei Juristen auch ab und an mal passieren…):

      1. M.E. schadet eine zusätzliche Containersignatur nicht (warum auch?). Sie bringt aber auch nichts (Wesentliches).

      2. M.E. war 174 Abs. 3 ZPO kein Redaktionsversehen. Der Gesetzgeber wollte das so. Fraglich ist höchstens, ob ihm alle Folgen bekannt waren. Und die zweite Frage ist, was die Folge ist, wenn man sich nicht daran hält!

  4. Erneut danke ich für die sehr gute Zusammenfasssung! Einerseits ist es erfreulich, dass in diesem Blog so gute Arbeit geleistet wird – andererseits ist es befremdlich, dass diese wertvollen Informationen nicht andernorts von offizieller Seite zur Verfügung (egvp.de, BRAK, …) gestellt werden.

    Noch eine kurze Frage zum eigentlichen Thema: Wie verhält sich die Signatur-Pflicht bei EDA-Dateien?

      1. Für einen eigenen Artikel genügt es nicht, hier aber die Ausführungen der BRAK (http://bea.brak.de/fragen-und-antworten/e-bea-muss-vorerst-offline-bleiben-fragen-und-antworten/):

        „Der EGVP-Bürgerclient soll noch bis mindestens zum 13. Februar 2018 zur Verfügung stehen. Bitte beachten Sie, dass die Signaturfunktion des EGVP-Bürger-Clients eine Nachrichtensignatur (sogenannte Containersignatur) anbringt, die ab dem 1. Januar 2018 im Anwendungsbereich der ERVV unzulässig ist (zu § 4 ERVV siehe auch die Erläuterungen im beA-Newsletter 46/2017 vom 16. November 2017). Da aber nach Auskunft der Koordinierungsstelle für das automatisierte Mahnverfahren die ERVV hier nicht anwendbar ist, kann die vom EGVP-Bürgerclient erzeugte Containersignatur für das automatisierte Mahnverfahren auch im Jahr 2018 weiterhin verwendet werden.“

    1. Hallo,

      da die BRAK keine rechtliche Herleitung ihrer Ansicht (ERVV auf das autom. Mahnverfahren nicht anzuwenden) dargelegt hat, sondern lediglich auf die Koordinierungsstelle verweist, habe ich dies für mich geprüft. Im Ergebnis ist diese Auskunft meiner Ansicht nach zutreffend:

      § 1 ERVV (Geltungsbereich) -> verweist auf § 130a (neu) ZPO = erfasst werden die dort definierten elektronischen Dokumente.
      §130a (neu) ZPO ist auf das automatisierte Mahnverfahren nicht anwendbar. § 690 III ZPO (Mahnantrag) ist in soweit lex specialis.

      Vgl. auch § 1 II ERVV „Besondere bundesrechtliche Vorschriften über die Übermittlung elektronischer Dokumente und strukturierter
      maschinenlesbarer Datensätze bleiben unberührt.“

      Ebenso Zöller, Rn. 3 zu § 130a ZPO

      D.h. MB-Anträge können bis einschließlich 13.02.2018 mit de, Bürger-Client per EGVP versendet werden.

      Meinen Informationen nach wird der Bürger-Client zum 14.02.2018 allein aufgrund seines Alters abgeschaltet werden.
      Sofern bis dahin – was ich nahezu ausschließe – beA nicht zur Verfügung steht, muss der Governikus Justiz Edition heruntergeladen und verwendet werden. Achtung: Die AGB der Justiz Edition sind völlig unterschiedlich zu denen des Bürger Clients, z.B. bzgl. der Kostenpflichtigkeits des Supports!

      Generell macht es für Kanzleien Sinn – selbst wenn das beA wieder eines Tages laufen sollte – MB-Anträge ausschließlich über EGVP zu versenden. Da die Gerichte je nach Eingangskanal antworten, lässt sich so im Kanzleialltag der Betrieb zwischen prozessuallen/allgemeinen Vorgängen und den MB-Verfahren komplett trennen. Dies ist insbesondere dann sinnvoll, wenn die MB-Anträge arbeitsteilig von den ReFas betreut werden. Diese Arbeiten mit EGVP, die anderen (RA) mit beA.

      Wer allerdings in der Kanzlei tatsächlich per Signaturkarte und PIN qualifiziert signiert, muss der jeweilige RA weiterhin selbst entscheiden. Gem. der ZPO ist sowieso schon immer eine Unterzeichnung der MB-Anträge nicht zwingend erforderlich (§ 690 III ZPO). Rechtlich erforderlich gem. ZPO ist also daher auch keine qeS. Bei EGVP – das eine eqS erfordert – mag also dann eine qeS der ReFa genügen. Wer es darauf ankommen lassen mag … 🙂

      1. Evtl. nicht deutlich genug beschrieben:
        Gemeint ist: MB-Anträge können per EGVP mit Containersignatur versendet werden. Es bedarf keiner einzelnen Signatur der einzelnen „Anträge“. (Was nicht ganz treffend ist, wenn an ein Gericht in einer Datei mehrere Anträge in einer ASCII Datei zusammengefasst sind.)

      2. So, wer es genau wissen möchte, hier noch aus der Gesetzesbegründung zur ERVV, B-Rat-DS 645/17 v. 20.09.2017;
        -> ERVV nicht auf autom. Mahnverfahren anzuwenden = Containersignatur bei MB-Antrag und EGVP zulässig.

        S. 10 unten zu § 1 II ERVV (Anwendungsbereich der ERVV):

        „Absatz 2 stellt klar, dass besondere bundesrechtliche Vorschriften unberührt bleiben, die
        im Anwendungsbereich der Verordnung nach Absatz 1 für bestimmte Bereiche gegenwärtig
        bestehen und auch fortentwickelt oder neu erlassen werden können und abweichende
        Dateiformate oder Anforderungen an strukturierte maschinenlesbare Datensätze bestimmen.
        Solche Spezialregelungen gehen der Verordnung vor, soweit sie von dieser abweichende
        besondere Vorschriften enthalten. Dies betrifft insbesondere das Einlieferungsverfahren
        in das Schuldnerverzeichnis und Vermögensverzeichnisregister sowie die Übermittlung
        elektronischer Formulare wie etwa das Formular für den Vollstreckungsauftrag an
        Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher (vgl. § 4 Absatz 1 Satz 2 der Gerichtsvollzieherformular-
        Verordnung, § 4 Satz 2 Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung) oder
        die auf Grundlage des § 130c ZPO, § 14a FamFG und der entsprechenden Vorschriften
        für die Fachgerichtsbarkeiten eingeführten elektronischen Formulare. Auch die Vorschriften
        über die Einreichung nur maschinell lesbarer Anträge im Mahnverfahren (§ 690 Absatz
        3, § 699 Absatz 1, § 702 Absatz 2 ZPO in der Fassung des Gesetzes zur Einführung
        der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen
        Rechtsverkehrs vom 5. Juli 2017 (BGBl. I S. 2208), § 703c ZPO, auch i.V.m. § 113 Absatz
        2 FamFG) bleiben unberührt. Nicht anwendbar ist die Verordnung ferner auf die
        Übermittlung von elektronischen Beweismitteln, die in einem anderen Dateiformat vorliegen;
        insoweit würde es bereits an einer Verordnungsermächtigung fehlen. So kann es im
        Rahmen der Beweisaufnahme etwa erforderlich sein, Audio- oder Videodateien zu den
        Akten zu geben. Diese Beweismittel können nach den Vorschriften der jeweiligen Verfahrensordnung
        über die Beweismittel in das Gerichtsverfahren eingeführt werden. Etwas
        anderes gilt allerdings, wenn es um die elektronische Übermittlung von Beweismitteln als
        Anlage zu einem Schriftsatz geht. Seit 1. Juli 2014 dürfen gemäß § 131 Absatz 1 ZPO nur
        noch Abschriften von Urkunden (und nicht das Originalbeweismittel) beigefügt zu werden.
        Sollen diese Abschriften als elektronisches Dokument übermittelt werden, findet darauf
        diese Verordnung Anwendung. Im Übrigen soll die Verordnung jedoch in allen Verfahren
        der Zivil- und Fachgerichte einheitliche technische Rahmenbedingungen für den elektronischen
        Rechtsverkehr schaffen.“

    2. egvp.de wird, soweit das Impressum, vom OVG NRW betrieben und stellt eine Seite der Justiz dar. Wieso sollte sie Justit auf offiziellen Seiten Stellung zu Problemen nehmen, die unsere BRAK und deren Auftragnehmer verursacht haben? Die Justiz ist empfangsbereit und kann auch versenden (Mahnverfahren, Register). Und die Kommumikationsalternativen stehen im Gesetz.

      Mit freundliche Grüßen
      Georg Zinn

      1. Dass „die Justiz“ bzw. das OVG NRW nicht mehr erklärt, als sie bzw. es unbedingt muss, mag nachvollziehbar sein. Gleichwohl gibt es zahlreiche offene Fragen, die offiziell, verbindlich und transparent beantwortet werden sollten (bspw. Weiternutzbarkeit des EGVP mit „Nachfolgeprodukt“ samt etwaiger Modalitäten auch nach Neustart des alten beA oder auch die Frage nach der maximalen Dateigröße), schließlich sollte allen Beteiligten an einem funktionsfähigen ERV gelegen sein. Irritationen gibt es nicht nur bei Anwaltskanzleien, sondern ebenfalls bei Gerichten und Behörden. Der Gesetzestext ist insoweit kaum hilfreich.

  5. Könnten Sie bitte noch (mehr) Informationen zum Verhältnis der für den ERV zulässigen zu den gemäß eIDAS-VO zulässigen Signaturen bzw. zu den in anderen Ländern zulässigen qeS ergänzen?

    Wie steht es z.B., wenn ich ein Dokument (das ich als RA in einem Verfahren ans Gericht übermittle) mit einer Signatur signiere, die in Österreich, Estland oder Belgien als qeS anerkannt ist/dem dortigen Recht entspricht/von diesen EU-Mitgliedsstaaten ausgegeben wurde?

    1. Sehr geehrter Herr Albrecht,

      hier muss ich Sie enttäuschen; meine Expertise endet insoweit an der Staatsgrenze – leider. Vielleicht findet sich ein Leser, der hierzu einen eigenen Beitrag schalten möchte?

      Mit freundlichen Grüßen,
      Henning Müller

    1. Sehr geehrter Herr Müller,

      die Kritik an der De-Mail ist mir bekannt und ich schätze Herrn Neumanns Aufklärungsarbeit sehr. Allerdings sehe ich auch § 130a Abs. 4 Nr. 1 ZPO. Insoweit hat der Gesetzgeber eine Entscheidung getroffen.

      Mit freundlichen Grüßen,
      Henning Müller

    1. Sehr geehrter Herr Händel,

      die Signatur im Governikus Communicator ist eine Container-Signatur. Sie ist nach der neuen Rechtslage nach der ERVV nicht mehr (aölline) zulässig; es müssen mit einem externen Signaturprogramm die einzelnen Anlagen signiert werden.

      Mit freundlichen Grüßen,
      Henning Müller

      1. Guten Dank Herr Dr. Müller,
        können Sie mir bitte helfen.
        Ich signiere mittlerweile sowohl jeden Schriftsatz als auch jede Anlage über das Anwaltsprogramm RA-Micro.
        Der Versand erfolgt nur über das EGVP und dann ab. 14.02.2018 über Governikus.
        M.E. entspricht dies den gesetzlichen Anforderungen oder sehen Sie dies anders?
        Mit freundlichen Grüßen
        Michael Händel

        1. Sehr geehrter Herr Händel,

          wenn Sie jedes einzelne Dokument mit einer detached oder Inline-Signatur versehen, habe ich nach Ihrer Schilderung keine Bedenken. Evtl. wenden Sie sich aber auch an den Support Ihres Softwareherstellers.

          Mit freundlichen Grüßen,
          Henning Müller

  6. Hallo Hr. Dr. Müller,

    vielen Dank, dass Sie eine der jetzt sich aktuell und konkret in der Praxis stellenden Fragen beantworten. Die BRAK hat heute und in den letzten Tagen so viele Mitteilungen herausgeschickt, zuletzt ja heute der Kammerpräsident. Aber alles leider eher nur Rückschauen.

    Ihre Informationen hätte unbedingt die Kammer verteilen müssen, da jetzt droht, dass viele Kollegen Schriftsätze unzureichend signiert einreichen. Daraus wiederum kann ja für einen RA, dem droht den Prozess zu verlieren, die Pflicht erwachsen, die wirksame Signatur der gegnerischen Schriftsätze zu bestreiten: Das beA gibt es derzeit nicht und EGVP alleine kann es nicht.

    Dieses Kommunikationsdefizit erscheint gruselig.

  7. Hallo,

    vielen Dank für die Zusammenstellung.
    Der Classic-Bürger-Client wurde doch laut http://www.egvp.de abgekündigt. Wie ist dann ein Revival möglich? Wird er länger als bis Mitte Februar 2018 betrieben?

    Verhalten sich die Prüfergebnisse bei anderen Softwareprodukten genauso? Auch hinsichtlich der html-Dateien? Ich kenne nur den Governikus Communicator, dort ist es ähnlich.

    De-Mail ist für uns in der Kanzlei keine Alternative. Sie kostet unnötig Geld und ist nur für manuell erstellte, einzelne Nachrichten geeignet. Eine professionelle Kommunikation, vor allem in Kanzleien mit vielen Verfahren, ist somit ausgeschlossen. Da lobe ich mir doch die Anbindung des Governikus Communicators an ra micro.

    Zudem findet in der De-Mail-Kommunikation eine vollständige Entschlüsselung statt. Zwar ist dies beim beA auch der Fall, dort aber angeblich „nur“, um die Nachrichten für mehrere Empfänger in einer Kanzlei sichtbar zu machen. Beides nicht schön im Hinblick auf die sichere Kommunikation. Und wir müssen ja insbesondere für unsere Mandantschaft den Datenschutz wahren.

    Mit freundlichen Grüßen

    1. Danke für Ihre Anmerkung!

      Mit EGVP meine ich nicht den EGVP-Client, sondern die EGVP-Infrastruktur. Mit dem Governikus Communicator greifen Sie auf diese Infrastruktur zu. Sie sind durch die Nutzung des Communicators auch nicht von der Ankündigung betroffen.

      Herzlichen Dank auch für Ihre Gedanken zur De-Mail. Diese Probleme teilen sicher viele. Nach meinen (insoweit aber unvollständigen) Kenntnissen, sind die ursprünglichen e2ee-Probleme der De-Mail aber abgemildert. Abgesehen davon; das ist halt die Entscheidung des Gesetzgebers.

      Dennoch – hoffen wir einfach, dass beA dann doch noch in Fahrt kommt!

      1. Möglicherweise besteht ein Mißverständnis: Im Governikus Communicator Justiz als EGVP-Client kann eingestellt werden, ob die Nachricht (der Container) signiert werden soll oder nicht. Es genügt also, die Container-Signatur in der Einstellung des Clienten abzuschalten und die mit diesem Client zu versendenden Dokumente (Schriftsätze) als solche mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen. Damit ist der Vorschrift des ERVV bestens Genüge getan.

          1. Yep. So ist es. Jedenfalls für Schriftsätze etc., die ja allerdings die nächsten Jahre noch nicht verpflichtend elekt. zu versenden sind.
            Der Spezialfall MB Antrag ist (für RAs) zwingend maschinell lesbar einzureichen und per EGVP genügt auch nach dem 01.01.2018 Containersignatur, vgl. weiter oben.

          2. Lieber Herr Dr. Müller,
            ich empfand Ihren obigen Beitrag vom 4. Januar 2018 um 8:31 Uhr als mißverständlich, der da lautete:
            „die Signatur im Governikus Communicator ist eine Container-Signatur. Sie ist nach der neuen Rechtslage nach der ERVV nicht mehr zulässig.“
            Der unbefangene Leser glaubt dadurch möglicherweise, daß man nach dem 01.01.2018 wegen der seither verbotenen Container-Signatur den Governikus Communicator nicht (mehr) verwenden könne. Diesem Eindruck wollte ich entgegentreten. Für die elektronische Kommunikation mit den Gerichten ist das fürchterlich umständliche beA für uns Rechtsanwälte nicht erforderlich, wenn man die via EGVP versandten elektronischen Dokumente mit einer qeS versieht. Dass das beA auf nicht absehbare Zeit ausfällt, ist also für uns Rechtsanwälte gar nicht schlimm, im Gegenteil, wir nehmen einfach nach wie vor das EGVP bzw. den Governikus.

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