BGH: Sorgfaltswidriger Anwalt bei nur pauschalen Anweisungen

Die pauschale Anweisung, das Vorliegen der Eingangsbestätigung gem. § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO zu kontrollieren, genügt nicht. Eine so pauschale Anweisung lässt den Mitarbeitenden bereits darüber im Unklaren, welches im Zusammenhang mit der Übermittlung von Schriftsätzen im elektronischen Rechtsverkehr erstellte Dokument eine elektronische Eingangsbestätigung  ist, meint der BGH (v. 11.1.2023 – IV ZB 23/21). Die Anweisung müsse deshalb konkret die praktischen Arbeitsschritte aufzeigen, die von dem Mitarbeitenden zu erledigen sind.

Gegenstand der Entscheidung

Die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) entsprechen denen bei Übersendung von Schriftsätzen per Telefax, meint der BGH. Unerlässlich sei deshalb die Überprüfung des Versandvorgangs. Dies erfordere die Kontrolle, ob die Bestätigung des Eingangs des elektronischen Dokuments bei Gericht nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO erteilt worden ist.

Ein Rechtsanwalt muss durch organisatorische Vorkehrungen sicherstellen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig gefertigt wird und innerhalb laufender Frist beim zuständigen Gericht eingeht. Hierzu hat er grundsätzlich sein Möglichstes zu tun, um Fehlerquellen bei der Behandlung von Rechtsmittelfristen auszuschließen.

Für die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs über das beA entsprechen nach Auffassung der BGH insoweit denen bei Übersendung von Schriftsätzen per Telefax. Unerlässlich sei also die Überprüfung des Versandvorgangs.

Im Ergebnis geht der BGH aber für den elektronischen Rechtsverkehr sogar weiter. Anders als beim Telefax soll nicht nur der Versand kontrolliert werden, sondern der BGH verlangt auch die Kontrolle der Bestätigung des Eingangs des elektronischen Dokuments bei Gericht. Hierzu dient die automatisierte Eingangsbestätigung gem. § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO erteilt worden ist.

Es falle in den Verantwortungsbereich des Rechtsanwalts, das in seiner Kanzlei für die Versendung fristwahrender Schriftsätze über das beA zuständige Personal dahingehend anzuweisen, Erhalt und Inhalt der Eingangsbestätigung nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO nach Abschluss des Übermittlungsvorgangs stets zu kontrollieren.

Dass eine solche Kontrolle Bestandteil der organisatorischen Abläufe in der Kanzlei seiner Prozessbevollmächtigten ist, hat im vorliegenden Fall der Kläger nicht dargelegt. Es genügt dem BGH insbesondere nicht, dass zur Organisation der Kanzlei der klägerischen Prozessbevollmächtigten die Weisung an die den Postversand tätigenden Büromitarbeiter gehört, zu prüfen, ob das elektronische Empfangsbekenntnis beziehungsweise die Bestätigung des Eingangs des elektronischen Dokuments nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO vorliegt. Einer solcherart gefassten Anordnung fehlen, worauf das Berufungsgericht zutreffend abstellt, hinreichende Anweisungen dazu, wie der zuständige Mitarbeiter die Kontrolle im Einzelfall vorzunehmen hat. Der Rechtsanwalt muss dem Mitarbeiter vielmehr konkret vorgeben,

      • an welcher Stelle innerhalb der benutzten Software die elektronische Eingangsbestätigung gemäß § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO zu finden ist und
      • welchen Inhalt sie haben muss.

Die pauschale Anweisung, das Vorliegen der Eingangsbestätigung gemäß § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO zu kontrollieren, lasse den Mitarbeiter dagegen schon darüber im Unklaren, welches im Zusammenhang mit der Übermittlung von Schriftsätzen im elektronischen Rechtsverkehr erstellte Dokument eine elektronische Eingangsbestätigung gemäß § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO ist. Eine genaue Anweisung durch den Rechtsanwalt sei insbesondere erforderlich, um Verwechslungen der Eingangsbestätigung gemäß § 130 Abs. 5 Satz 2 ZPO mit dem Übermittlungsprotokoll zu vermeiden, dessen Vorliegen für die Ausgangskontrolle nicht genügt. Wie die Eingangsbestätigung aufgerufen und ihr Inhalt überprüft werden kann, erfordere eine intensive Schulung der mit dem Versand über das beA vertrauten Mitarbeiter. Das gelte nicht nur im Fall der Versendung über die eigene Internet-Anwendung des beA, sondern auch dann, wenn der elektronische Rechtsverkehr – wie vorliegend in der Kanzlei der klägerischen Prozessbevollmächtigen – über die Schnittstelle eines Büroverwaltungsprogramms abgewickelt wird.

Dass die Prozessbevollmächtigten des Klägers ihre den Postversand tätigenden Mitarbeiter entsprechend geschult oder angewiesen haben, habe der Kläger im Fall des BGH nicht vorgetragen.

Was also tun?

Für die elektronische Postausgangskontrolle zeichnet sich ab, dass die Rechtsprechung vor allem verlangt, dass der Erhalt der Eingangsbestätigung gem. § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO kontrolliert wird. Die über das beA versandte Nachricht lässt sich – einzeln – aus dem beA-Webclient exportieren. Die dadurch erzeugte .zip-Datei dient dem Nachweis des erfolgreichen Versands, einschließlich Nachweisen über den versandten Inhalt (die übersandte Datei ist enthalten), den Versandzeitpunkt (die Eingangsbestätigung des Gerichts befindet sich in der Datei „x_export.html“) und eine gültige qualifizierte elektronische Signatur, sofern erforderlich.

Die Kontrolle der Eingangsbestätigung darf sich nicht auf den Ausschluss technischer Fehlermeldungen beschränken, sondern erstreckt sich auch auf den Versand der richtigen Datei an den richtigen Empfänger.

Um die Überprüfung sicherzustellen, verlangt der BGH in mittlerweile ständiger Rechtsprechung die Nutzung „sprechender“ Dateinamen (BGH v. 20.09.2022 – XI ZB 14/22; BGH v. 17.03.2020 – VI ZB 99/19).

Die Kontrolle und Aufbewahrung dieser automatisierten Eingangsbestätigung ist nach der Rechtsprechung des BGH Teil der anwaltlichen Sorgfaltspflicht beim elektronischen Nachrichtenversand und entsprechend in der Kanzleiorganisation zu berücksichtigen. Die Eingangsbestätigung soll dem Absender unmittelbar und ohne weiteres Eingreifen eines Justizbediensteten Gewissheit darüber verschaffen, ob die Übermittlung an das Gericht erfolgreich war oder ob weitere Bemühungen zur erfolgreichen Übermittlung des elektronischen Dokuments erforderlich sind. Hat der Rechtsanwalt eine Eingangsbestätigung nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO erhalten, besteht Sicherheit darüber, dass der Sendevorgang erfolgreich war. Bleibt sie dagegen aus, muss dies den Rechtsanwalt zur Überprüfung und gegebenenfalls erneuten Übermittlung veranlassen.

Die sorgfältige Kanzleiorganisation ist ggf. im Fall der Ersatzeinreichung gem. § 130d Sätze 2-3 ZPO glaubhaft zu machen (VGH München v. 11.01.2023 – 11 CS 22.2308). Eine nicht nur interne Dokumentation der Arbeitsanweisungen, die bei Bedarf vorgelegt werden kann, ist deshalb zweckmäßig.

Vorteil der Kontrolle der automatisierten Eingangsbestätigung ist im Übrigen, dass sie auch als Nachweis des rechtzeitigen Zugangs bei Gericht dient. Siehe hier.

Autor: Prof. Dr. Henning Müller

Direktor des Sozialgerichts