Der elektronische Rechtsverkehr mit der Rechtsanwaltschaft unter Nutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) nimmt Fahrt auf. Zunehmend stellen sich bei den Gerichten deshalb auch ganz praktische Detailfragen. Hierzu gehört auch die Frage nach den Möglichkeiten der elektronischen Übermittlung der Erklärung über die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse bei der Beantragung von PKH. Hierüber hat nun auch das Sächsische LAG in einem Beschluss vom 25. Oktober 2018 – 4 Ta 52/18 entschieden.
Ausgangslage
Die besonderen Formvorschriften bei der Nutzung elektronischer Übermittlungswege gem. § 46c ArbGG bzw. § 130a ZPO haben die (unmittelbare) Kommunikation zwischen dem Postfachinhaber – insbesondere dem verfahrensführenden Rechtsanwalt – und der Justiz im Blick. Das Dilemma des PKH-Formulars gem. § 117 Abs. 2 ZPO ist jedoch, dass es sich um eine Erklärung seines Mandanten handelt. Der Mandant wiederum wird regelmäßig weder über einen eigenen elektronischen Kommunikationskanal noch über eine qualifizierte elektronische Signatur verfügen (falls doch stellen sich die Probleme nicht, dann kann der Mandant das Formular selbst oder qualifiziert elektronisch signiert durch den Rechtsanwalt an das Gericht übermitteln).
In der Praxis stellt sich deshalb die Frage, ob es dem Mandanten nicht erlaubt werden kann, das Formular in Papierform auszufüllen und dieses selbst oder durch den Rechtsanwalt einscannen und via beA an das Gericht übermitteln zu lassen. Der Vorteil wäre eine medienbruchfreie Kommunikation. Andernfalls würde die paradoxe Situation entstehen, dass zwar der PKH-Antrag elektronisch gestellt werden kann, das PKH-Formular aber konventionell an das Gericht geschickt werden müsste (nur um letztlich dort eingescannt zu werden).
Bereits in einem Beitrag aus November 2017 war hierzu von Specht auf die durchaus problematische Rechtslage hingewiesen worden: „Die Bewilligung setzt eine Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei (§ 114 I 1 ZPO), insbesondere ihres Einkommens und Vermögens (§ 115 ZPO) voraus. Dazu sind dem Antrag auf Bewilligung eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie entsprechende Belege beizufügen (§ 117 II 1 ZPO), wozu grundsätzlich die hierfür eingeführten Formularen verwendet werden müssen (§ 117 III 1, IV ZPO i. V. m. § 1 I nebst Anlage Prozesskostenhilfeformularverordnung – PKHFV). Wird das eingeführte Formular nicht benutzt (BFH, B. v. 19.2.2016 – X S 28/15 (PKH) -, juris Rn. 22) oder in wesentlichen Punkten unvollständig oder widersprüchlich ausgefüllt (NRW OVG, B. v. 25.5.2016 – 18 A 2206/12 -, juris Rn. 9), ist die Bewilligung abzulehnen. Die einzelnen Vorgaben des eingeführten Formulars sind rechtsverbindlich und müssen im Regelfall vollständig ausgefüllt werden, wozu auch Datumsangabe und Unterzeichnung der abschießenden Versicherung durch die Partei unter Abschnitt K der Formulare gehört (VG Frankfurt, B. v. 9.3.2017 – 6 K 467/17.A -, juris Rn. 2). Eine Abgabe dieser Erklärung durch einen als Prozessbevollmächtigten bestellten Rechtsanwalt oder anderen Vertreter ist nicht gestattet. Die in Abschnitt K geforderte „Unterschrift der Partei oder Person, die sie gesetzlich vertritt“ schließt eine rechtsgeschäftlich begründete Vertretung aus. Bei der Erklärung handelt es sich nicht um eine Willens-, sondern um eine „unvertretbare“ Wissenserklärung der Partei über persönliche Lebensverhältnisse.“
Die Entscheidung des Sächsischen LAG
Das LAG Sachsen zeigt sich dagegen in seinem Beschluss vom 25. Oktober 2018 – 4 Ta 52/18 großzügig:
„Es fehlt auch nicht an einer wirksamen Antragstellung. Ein Prozesskostenhilfeantrag, der nicht zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt, sondern schriftlich gestellt wird (§ 117 Abs. 1 Satz 1 ZPO), muss vom Antragsteller unterschrieben und mit der Versicherung der Vollständigkeit und Richtigkeit seiner Angaben versehen werden (BGH, Beschluss vom 04.05.1994 – XII ZB 21/94 –, Juris Rn. 8; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 09.11.2017 – OVG 11 N 10.17 – Rn. 2, Juris). Dieser Anforderung ist allerdings genügt, wenn feststeht, dass die Erklärung von der Partei stammt. § 117 Abs. 2 ZPO verlangt auch in der seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts im Jahre 2013 geltenden Fassung nicht, dass die Erklärung, um wirksam zu sein, eigenhändig unterschrieben sein muss und im Original vorgelegt wird (so schon BGH 10.07.1985 – IV b ZB 47/85 – und OLG Karlsruhe 07.12.1995 – 2 WF 145/95 – zu § 117 Abs. 2 ZPO a. F.). Ein solches Erfordernis stellt auch die PKHVordruckVO vom 22.01.2014 nicht auf (so auch LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 17.05.2017 – 6 Ta 67/17 – Rn. 14, Juris).“
Das Fazit des Sächsischen LAG ist:
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, nachdem bei der Prozesskostenhilfeerklärung kein zwingendes Schriftformerfordernis besteht, dass der vollständig ausgefüllte und vom Antragsteller/Kläger unterschriebene Erklärungsvordruck auch in Form eines elektronischen Dokuments mit eingescannter Unterschrift vorgelegt werden kann, wenn die Erklärung unzweifelhaft vom Antragsteller stammt und er zu seinen Angaben steht.
Praxisrelevanz
Dogmatisch steht die Entscheidung des Sächsischen LAG nicht vollständig sicher da, wie von Specht gezeigt wurde. Entsprechend vorsichtig kommentiert auch Tiedemann in jurisPR den Beschluss unter Zitierung von Rechtsprechung anderer Landesarbeitsgerichte, die „in der Papierwelt“ eine eigenhändige Unterschrift verlangt hatten. Das Vorgehen die PKH-Erklärung elektronisch zu übersenden ist deshalb nicht völlig gefahrlos.
Pragmatischerweise zu begrüßen ist die Entscheidung dennoch. Sie passt im Wesen zum Prozesskostenhilfeverfahren, das grundsätzlich eine Glaubhaftmachung der maßgeblichen Tatsachen ausreichen lässt, vgl. § 118 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Im Übrigen erleichtert sie sowohl das Verfahren auf Seite der Rechtsanwaltschaft als auch der Justiz, weil unnötige Kommunikationsbrüche weitgehend vermieden werden.
Aus anwaltlicher Vorsicht sollte die elektronische Übermittlung freilich derzeit (noch) nur dann gewählt werden, wenn für die Übermittlung der PKH-Erklärung keine Fristen laufen und entweder durch die rückwirkende Bewilligung oder aufgrund des Gebührenrechts keine Nachteile drohen, sollte das Gericht eine „originale“ Vorlage der Erklärung verlangen.
Aus richterlicher Sicht ist m.E. mit dem Sächsischen LAG eine zwingende rechtliche Notwendigkeit zur Vorlage des Originals dem Gesetz nicht zu entnehmen.
Weiterführend:
Specht, PKH-Antrag und -Erklärung – elektronisch?
Specht, Trennungsgebot – elektronischer PKH- und Sachvortrag
Instruktiv zur Entscheidung des LAG Sachsen: Tiedemann, jurisPR-ArbR 10/2019 Anm. 7.