Gerade wird das Vorziehen der aktiven Nutzungspflicht des beA in der Arbeitsgerichtsbarkeit Schleswig-Holstein auf den 1. Januar 2020 diskutiert, da weist das LAG Schleswig-Holstein noch darauf hin, dass Rechtsanwälte sich nicht darauf berufen können, dass sie wegen Problemen in der beA-Bedienung nicht in der Lage waren, gerichtliche Dokumente zur Kenntnis zu nehmen: „Ein Rechtsanwalt ist als Inhaber eines beA nicht nur verpflichtet, die technischen Einrichtungen zum Empfang von Zustellungen und Mitteilungen über das beA lediglich vorzuhalten, vielmehr ist der Rechtsanwalt zugleich verpflichtet, sich die Kenntnisse zur Nutzung dieser technischen Einrichtungen anzueignen, damit er die über beA zugestellten Dokumente auch gemäß § 31a Abs. 6 BRAO zur Kenntnis nehmen kann. Die Gerichte sind nicht verpflichtet, den Rechtsanwälten Handlungsanweisungen zum Öffnen der über beA zugesandten Dokumente zu erteilen.“, lautet der Leitsatz des Beschlusses des LAG Schleswig-Holstein vom 19. September 2019 – 5 Ta 94/19.
Sachverhalt
Hintergrund der Entscheidung ist die Ablehnung von Prozesskostenhilfe durch das erstinstanzliche Arbeitsgericht. Trotz Anforderung über das beA des Rechtsanwalts gegen eEB, wurden keine weiteren Unterlagen zur Glaubhaftmachung der wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse eingereicht. Auf die entsprechenden Nachfragen des Gerichts, antwortete der Rechtsanwalt mit:
„Kann die Nachricht wieder nicht öffnen, bitte Unterlagen faxen oder richtig senden.“
bzw.
„Da wir die Verfügung vom 20.05.2019 nicht haben und sie nicht mit im Kurzbrief vom 02.07.2019 erhalten war, haben wir keine Kenntnis vom Inhalt. Wir bitten um Zusendung der Verfügung per Fax und um Fristverlängerung zur Antwort um drei Monate.“
Von einer Telefax-Übersendung sah das Arbeitsgericht ab und lehnte schließlich PKH ab.
In der hiergegen eingelegten sofortigen Beschwerde, trug der Rechtsanwalt insbesondere vor, das Gericht habe ihm keine hinreichenden Erläuterungen und Hilfestellungen gegeben, um das Dokument öffnen zu können. Erst später sei es ihm gelungen, die Verfügung zu öffnen.
Bewertung der Entscheidung
31a Abs. 6 BRAO kann sicher nicht dahingehend verstanden werden, lediglich ein beA-Postfach in Betrieb genommen zu haben und die dortigen Eingänge zu beobachten. Selbstverständlich müssen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sich auch mit der Technik, der Bedienung und den Rechtsgrundlagen vertraut machen bzw. in der eigenen Kanzlei eine entsprechende Organisation schaffen. Dies ist mit Mühen und (finanziellen) Aufwänden verbunden. Den teilweise nachvollziehbaren Unmut hierüber können aber weder die Gerichte auffangen, noch darf die Mandantschaft hierunter leiden.
Für die Justiz mit knappen finanziellen und vor allem personellen Ressourcen gerade im nichtrichterlichen Bereich ist es nicht möglich, im Einzelfall von beA-Übersendungen abzusehen. Mittlerweile nutzen zahlreiche Gerichte gerade der Fachgerichtsbarkeiten das beA im Postausgang initiativ („passive Nutzungspflicht“ der Rechtsanwaltschaft) und konsequent. Die gerichtsinternen Prozesse sind hierauf ebenso konsequent ausgerichtet; ein Abweichen im Einzelfall wäre aufwendig und vor allem fehleranfällig.
Dass die Gerichte keinen „Service“ im Hinblick auf Schulung und Erläuterung bieten können, ist dabei selbstverständlich. Die Gerichte nutzen im Postausgang das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) bzw. zumeist sogar eine vorgeschaltete Fachanwendung. Weder die Geschäftsstellen noch die Entscheider in der Justiz sind daher im Einzelnen in der Lage bei beA-Problemen Hilfestellung zu bieten – die Oberfläche des beA ist in der Justiz schlicht unbekannt.
Bei schwerwiegenden Problemen kann es nur einen Weg der „Rettung“ geben: Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Dass die unnachgiebige Konsequenz des Arbeitsgerichts im Ergebnis auch nicht falsch war, zeigt sich am eigenen Vortrag des Rechtsanwalts im Beschwerdeverfahren: Hier hatte er es nun geschafft, die gerichtliche Verfügung zu öffnen – ob mit externer Hilfe oder lediglich mehr Mühewaltung ist nicht überliefert.
beA und Prozesskostenhilfe
Interessant ist ferner der Kontext der Entscheidung im Prozesskostenhilfeverfahren: Gem. §§ 114, 115 ZPO erhält Prozesskostenhilfe nur, wer nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann. § 117 Abs. 2 Satz 1 bestimmt, dass zur Bedürftigkeitsprüfung eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege vorzulegen ist. Für diese Erklärung gilt gem. § 117 Abs. 3, 4 ZPO ein Formularzwang. Nach allgemeiner Auffassung, ist eine Abgabe dieser Erklärung durch den Rechtsanwalt oder einen anderen Vertreter nicht gestattet. Die in Abschnitt K geforderte „Unterschrift der Partei oder Person, die sie gesetzlich vertritt“ schließt eine rechtsgeschäftlich begründete Vertretung aus. Bei der Erklärung handelt es sich nicht um eine Willens-, sondern um eine „unvertretbare“ Wissenserklärung der Partei über persönliche Lebensverhältnisse. Eigentlich scheidet damit eine Übermittlung über das beA aus.
In den Instanzgerichten wird dieses Dilemma aber derzeit nachvollziehbarerweise sehr pragmatisch gelöst, vgl. bspw. Sächsisches LAG Beschluss vom 25. Oktober 2018 – 4 Ta 52/18.