Der elektronische Rechtsverkehr mit der Justiz lässt die Schriftformwahrung in zwei Varianten zu: Entweder durch Anbringung einer qualifizierten elektronischen Signatur oder durch Nutzung eines sicheren Übermittlungswegs und Zeichnung durch einfache Signatur. Letztere ist grundsätzlich nicht verzichtbar. Darauf weist das OVG Lüneburg (v. 31. Januar 2023 – 13 ME 23/23 – kostenpflichtig bei Juris) hin.
Eine einfache elektronische Signatur besteht gemäß Art. 3 Nr. 10 der eIDAS-Verordnung aus Daten in elektronischer Form, die anderen elektronischen Daten beigefügt oder logisch mit ihnen verbunden werden und die der Unterzeichner zum Unterzeichnen verwendet. Bei der durch bzw. mit einem Textverarbeitungsprogramm zum Abschluss des Schriftsatzes angebrachten Namenswiedergabe des Verfassers handelt es sich um solche Daten. Die einfache Signatur meint also die einfache Wiedergabe des Namens am Ende des Textes.
Übertragung der Rechtsprechung zum Fehlen der Unterschrift
Das Fehlen einer einfachen Signatur – ebenso wie das Fehlen einer Unterschrift – könnte aber durchaus ausnahmsweise unschädlich sein, wenn ohne Beweisaufnahme aufgrund anderer Umstände zweifelsfrei feststeht, dass der Prozessbevollmächtigte die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes übernommen hat
(vgl. hierzu BAG, Beschl. v. 14.9.2020 – 5 AZB 23/20 Rn. 19; OLG Hamm, Beschl. v. 28.4.2022 – 30 U 32/22 Rn. 22; ablehnend BVerwG, Beschl. v. 12.10.2021 – 8 C 4.21 Rn. 9; OVG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 18.12.2019 – 1 LA 72/19 Rn. 4).
Eine solche Ausnahme wäre aber nur dann in Betracht zu ziehen, wenn die Begleitumstände eine der einfachen Signatur vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers und deren Willen, die Beschwerdeschrift in den Rechtsverkehr zu bringen, böten. Das dürfte im elektronischen Rechtsverkehr aber praktisch nie der Fall sein.
Praktisch keine Ausnahmesituationen im elektronischen Rechtsverkehr denkbar
Das OVG Lüneburg stellt insoweit zu Recht fest, dass allein der Umstand, dass der Prüfvermerk die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers als Absenderin der Beschwerdeschrift ausweist, gerade keine Gewähr für die Urheberschaft des Schriftsatzes bietet. Die Übersendung des Schriftsatzes durch die den Schriftsatz verantwortende Person ist ein Erfordernis für die Nutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs im Sinne des § 55a Abs. 4 Nr. 2 VwGO (= § 130a Abs. 4 Nr. 2 ZPO). Es ist aber gerade zwischen Urheberschaft (= Verantwortungsübernahme) und dem Versendeprozess (= Bote?) zu unterscheiden.
Eine der einfachen Signatur vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft einer den Schriftsatz verantwortenden Person und deren Willen, den Schriftsatz in den Rechtsverkehr zu bringen, bieten zudem weder die Verwendung des Briefbogens der Kanzlei noch die maschinenschriftliche Wiedergabe des Namens oben auf der ersten Seite des Schriftsatzes. Das gilt auch für den Fall, dass in dem Briefkopf lediglich eine einzelne Person als Rechtsanwältin ausgewiesen wird und der Schriftsatz mit dem Begriff „Rechtsanwältin“ abschließt (siehe bereits: hier).
Hintergrund
Bei Nutzung eines sicheren Übermittlungswegs kann gem. § 130a Abs. 3 2. Var. ZPO auf eine qualifizierte elektronische Signatur verzichtet werden. Es genügt dann die einfache Signatur unter dem Schriftsatz, wenn die verantwortende Person den Schriftsatz selbst versendet. Die einfache Signatur ist nach allgemeiner Meinung der maschinenschriftliche Name oder die eingescannte Unterschrift. Das BSG (Beschluss vom 16. Februar 2022 – B 5 R 198/21 B) verschärft hier nun die Anforderung: Die eingescannte Unterschrift muss auch entzifferbar sein, um die Verantwortende Person identifizierbar zu machen.
Richtigerweise zieht das BSG für diese Auslegung den Sinn und Zweck der einfachen Signatur heran. Sie dient dazu, den auf dem Prüfvermerk, Transfervermerk oder dem Prüfprotokoll „inspection sheet“ Namen der absendenden Person (des Inhabers des sicheren Übermittlungswegs) mit dem Namen der Person zu vergleichen, die Verantwortung für den Schriftsatz unternimmt (und deshalb mit einfacher Signatur darunter steht).
Für die eingescannte Unterschrift folgert das BSG deshalb zu Recht, dass die eingescannte Unterschrift lesbar sein muss, um für sich auszureichen (d.h., ohne dass der maschinenschriftliche Name noch darunter steht).
(Noch) nicht geäußert hat sich das BSG dagegen zum maschinenschriftlich hinzugefügten Namen. Unter Zugrundlegung der o.g. Grundsätze müsste hier konsequenterweise davon ausgegangen werden, dass auch dieser die Identifikation der verantwortenden Person zulässt. Daraus ließe sich folgern, dass jedenfalls bei mehreren namensgleichen Personen auf dem Briefkopf („Kanzlei Müller, Müller & Müller„) auch der Vorname, ein akademischer Grad oder ein anderes Merkmal erforderlich ist.
Die Literatur hat sich mit dem Begriff der einfachen Signatur bereits vielfach auseinandergesetzt; mangels eindeutiger gesetzlicher Regelung wurde aber Rechtsprechung hierzu dringend erwartet. Als erstes Bundesgericht hat nun das BAG (Beschluss vom 14. September 2020 – 5 AZB 23/20) die Anforderungen an eine einfache Signatur näher beschrieben. Der nahezu einhelligen Meinung in der Literatur folgend meint auch das BAG, dass ein einfacher maschinenschriftlicher Namenszug oder die eingescannte Unterschrift ausreichen.
Gegen die Rechtsprechung des BSG zur Entzifferbarkeit der Unterschrift spricht nicht, dass diese über Art. 3 Nr. 10 eIDAS-VO (Definition der einfachen Signatur) hinausginge. Zwar enthält nur Art. 26 eIDAS-VO für die fortgeschrittene Signatur das Erfordernis der Identifizierbarkeit als explizite Anforderung. Der Umkehrschluss, dass dies für die einfache Signatur nicht erforderlich wäre, ist aber nicht zwingend. Ferner verkennt diese Auffassung, dass die einfache Signatur in Abs. 3 den über die eIDAS-VO hinausgehenden Zweck hat, die Personenidentität zwischen verantwortender Person und Postfachinhaber überprüfbar zu machen; diese ist nur möglich, wenn die verantwortende Person aufgrund der einfachen Signatur identifizierbar ist.