VG Bayreuth: Widerspruch per Mail geht – aber nur mit qeS

Ein per E-Mail eingelegter Widerspruch kann durchaus zulässig sein, denn anders als im elektronischen Rechtsverkehr mit den Gerichten, ist auch dieser – datenschutzrechtlich eher bedenkliche – elektronische Übermittlungsweg im Verwaltungsverfahren möglich, wenn die Behörde (wie zumeist) einen entsprechenden Zugang eröffnet hat. Da der Widerspruch aber der Schriftform bedarf, muss die Datei mit der der Widerspruch eingelegt wird qualifiziert elektronisch signiert werden. Hiermit hat sich in einem Beschluss vom 23.1.2020 – B 1 S 19.1233 – das VG Bayreuth zu beschäftigen (eine Zurückverweisung durch den Bayerische VGH am 15.4.2020 – 11 CS 20.316 gab es trotzdem).

Für einen systematischen Überblick zum elektronischen Rechtsverkehr zwischen Bürger und Verwaltung, siehe ausführlich: hier.

Hintergrund

Gem. § 3a Abs. 1 (L)VwVfG bzw. § 36a Abs. 1 SGB I ist die Übermittlung elektronischer Dokumente zulässig, wenn der Empfänger hierfür einen Zugang eröffnet hat. Der elektronische Rechtsverkehr mit Behörden ist daher sehr weitgehend bereits eingeführt – mancherorts vielleicht gar unbemerkt. Aufgrund der gesetzlichen Regelung setzt der elektronische Rechtsverkehr mit den Behörden nämlich weder eine Rechtsverordnung noch einen expliziten Zulassungsakt der Behörde voraus. Ferner sind weder die zugelassenen Übermittlungswege gesetzlich beschränkt, noch die übermittelbaren Dateiformate.

Eine große „Gefahr“ für die Behörde besteht darin, dass möglicherweise konkludent ein elektronischer Übermittlungsweg eröffnet wurde. Dies kann bspw. durch Angabe des Übermittlungswegs in der Rechtsbehelfsbelehrung, insbesondere aber auch im Briefkopf oder der Homepage, geschehen. Zur E-Mail: siehe hier.

Ferner ist davon auszugehen, dass die Einrichtung eines besonderen elektronischen Behördenpostfachs (beBPo) stets eine mindestens konkludente Eröffnung dieses Zugangs auch für den Bürger beinhaltet, weil die Behörde mit der Einrichtung in den Verzeichnisdiensten für EGVP (bei Nutzung durch den Bürger usw.) und für das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) sichtbar ist.

Das beBPo einer Behörde kann deshalb stets für die Antragstellung oder die Widerspruchseinlegung durch Bürgerinnen und Bürger, sowie Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte genutzt werden.

Da § 3a Abs. 2 (L)VwVfG bzw. § 36a Abs. 2 SGB I keine dem § 130a Abs. 3 ZPO entsprechende Regelung aufweisen und eine Rechtsverordnung gem. § 3a Abs. 2 Nr. 4 (L)VwVfG bzw. § 36a Abs. 3 SGB I nicht erlassen wurde, muss auch bei Nutzung des beA zum Ersatz der Schriftform das Dokument qualifiziert elektronisch signiert werden. Dies gilt insbesondere für die schriftformbedürftige Einlegung des Widerspruchs.

Entscheidung des VG Bayreuth

Das VG Bayreuth hatte sich in seinem Beschluss nicht nur mit der sehr eindeutigen Anforderung zu beschäftigen, dass die E-Mail zur Einlegung eines Widerspruch qualifiziert elektronisch signiert werden muss. Die Frage war zudem, ob die Behörde unter Übergehung der Unzulässigkeit des Widerspruchs bereits in die inhaltliche Prüfung des Widerspruchs eingetreten war und deshalb der Widerspruchsführer darauf vertrauen durfte, dass der Widerspruch nicht als unzulässig zurückgewiesen wird. Hintergrund ist, dass die Behörde als Herrin des Vorverfahrens durchaus auch bei einem unzulässigen Widerspruch in der Sache entscheiden darf, sofern keine Rechte Dritter betroffen sind – in diesen Fällen gibt die Behörde der materiellen Rechtmäßigkeit den Vorrang; letztlich im Interesse des Rechtsstaatsprinzips.

Im vorliegenden Fall leitet der Widerspruchsführer diesen Gesichtspunkt daraus ab, dass die Behörde nach der E-Mail – Einlegung (die explizit nur „vorab“ erfolgt war) die Möglichkeit eingeräumt hatte „den Widerspruch schriftlich […] zurückzunehmen“. Der Widerspruchsführer meint darin zu erkennen, dass die Behörde selbst von einem wirksamen Widerspruch ausgegangen sei.

So einem weiten Vertrauensschutz erteilt das VG Bayreuth aber nachvollziehbar eine Absage: Der anwaltliche vertretene Widerspruchsführer habe offensichtlich gewusst, dass der Widerspruch (noch) nicht formgerecht erhoben worden sei – deshalb habe er ja explizit den Widerspruch per E-Mail als „vorab“ bezeichnet. Ferner sei aus der Formulierung der Behörde durchaus ersichtlich, dass die Behörde davon ausgegangen sei, dass eine formgerechte Einlegung noch nachgeholt würde. Ein venire contra factum proprium der Behörde sei deshalb nicht erkennbar.

Zurückverweisung durch den Bayerischen VGH

Gegen einen nur an ihn gerichteten Verwaltungsakt kann der Betroffene nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BayAGVwGO bei personenbezogenen Prüfungsentscheidungen entweder Widerspruch einlegen oder unmittelbar Klage erheben. Ein solcher Fall lag hier nach der Rechtsprechung des Bayerischen VGH vor.

Die Rechtsbehelfsbelehrung der Behörde hatte hierauf jedoch nicht hingewiesen und war dementsprechend falsch. Deshalb war der streitgegenständliche Bescheid entgegen der Ansicht des VG Bayreuth trotz des formwidrigen Widerspruchs noch nicht bestandskräftig.

Autor: Prof. Dr. Henning Müller

Direktor des Sozialgerichts